# taz.de -- Debatte um Nancy Fraser: Welche Verfolgung?
       
       > Die Philosophin Nancy Fraser wurde von der Uni Köln ausgeladen, weil man
       > sie beim Wort nahm. Mit McCarthyismus hat das nichts zu tun.
       
 (IMG) Bild: Die Philosophin Nancy Fraser während ihres Berlin-Aufenthalts im Juni 2022
       
       Die Formel für Generöse könnte in dieser Causa lauten: Die Uni Köln hat
       sich taktlos verhalten und zunächst ihre getroffene Entscheidung, die
       US-Philosophin Nancy Fraser mit dem Albertus-Magnus-Preis zu ehren, wieder
       zurückgenommen.
       
       Wer öffentlich A sagt, kann dann nicht mehr vor dem B zurückweichen. Denn
       tatsächlich war ja schon länger bekannt, dass Fraser, ob in einem Anfall
       von für ihr Milieu klassischem Signaturwahn oder wohlüberlegt, [1][eine
       öffentliche Petition gegen Israel unterzeichnet hat].
       
       Das aber war nicht der Grund für den Kölner Unirektor Joybrato Mukherjee,
       Fraser die Auszeichnung (inkl. einiger Vorlesungen) wieder zu entziehen,
       sondern der Inhalt des Unterschriebenen selbst: In der Petition nämlich
       wird auch der Boykott der israelischen Universitäten gefordert.
       
       Rektor Mukherjee konnte, so gesehen, nicht anders, als Fraser die
       Ehrenprofessur zu entziehen. Denn zu den Spezialitäten der Uni Köln gehören
       enge Kooperationen mit nämlichen israelischen Universitäten: Weshalb – die
       Kriterien der Identität der Uni Köln mal endlich ernst genommen – sollte
       eine Intellektuelle einen Preis zuerkannt bekommen, dem sie mit ihren
       Statements hohnspricht?
       
       ## Verfolgte Unschuld?
       
       [2][So war das auch im Fall des in Südafrika lehrenden kamerunischen
       Philosophen Achille Mbembe]: Nicht die Dämonisierung des jüdischen Staates
       war allein bizarr, sondern das Tun der prominenten Stimme des „Global
       South“: Weil er mit Verve die Ausladung einer israelischen
       Wissenschaftlerin von einer Tagung in Südafrika betrieb.
       
       Was Fraser jetzt in zahllosen [3][Interviews mit deutschen Medien]
       betreibt, ist, die Rolle der verfolgten Unschuld zu geben. Ist sie nicht:
       Sie zählt, wie [4][Masha Gessen], [5][Judith Butler] and you name it many
       more, zu jenen Stichwortgeberinnen* des antiisraelischen Zeitgeistes, der
       diesen Staat schlimmer als Nordkorea, Russland oder Iran zeichnet. Fraser
       kann weiterhin in Deutschland lehren, auch akademisch.
       
       Manche Kolleg:Innen hätten sie gern als Opfer eines Phänomens, das sie
       als Cancel Culture, gar neuen McCarthyismus bezeichnen. Das ist falsch: In
       Deutschland hat es unglückliche Stornierungen gegeben, aber Verfolgungen
       dann doch nicht. Sie werden bloß alle nicht mehr wie moderne
       Mandarininnen* in den Manegen der kritisch-theoretischen Weltbilder
       vorgeführt werden können, jedenfalls nicht mehr fraglos als Topcheckerinnen
       der Weltenläufte.
       
       11 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://drive.google.com/file/d/1N22Q0oCpwmIrCiW6yZYe1JunyPr1Tt0r/view
 (DIR) [2] /Debatte-um-Historiker-Achille-Mbembe/!5685526
 (DIR) [3] /Nancy-Fraser-ueber-Cancel-Culture/!6002965
 (DIR) [4] /Hannah-Arendt-Preis-fuer-Masha-Gessen/!5977628
 (DIR) [5] /Judith-Butler-und-die-Hamas/!5996786
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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