# taz.de -- Lösungsvorschlag für Hamburgs Zugproblem: Ein neuer Hauptbahnhof
       
       > Hamburgs Hauptbahnhof gilt als „größter Flaschenhals“ der Bahn, zu viele
       > Züge und Menschen für zu wenig Gleise. Jetzt liegt eine Idee auf dem
       > Tisch.
       
 (IMG) Bild: Hübsch, aber zu wenig Gleise für haltende Züge: der im Jahr 1904 gebaute Hamburger Hauptbahnhof
       
       HAMBURG taz | Radikale Vorschläge hat die „Junge Ortsgruppe“ des
       Verkehrsclubs Deutschland Nord (VCD). Vorschläge wie diesen hier: Der
       [1][Hamburger Hauptbahnhof] soll verlagert werden. Etwa einen Kilometer
       weiter östlich, rund um den heutigen Bahnhof Berliner Tor, soll [2][ein
       neuer Hauptbahnhof entstehen], mit 27 Gleisen auf zwei Ebenen, ähnlich wie
       beim Berliner Hauptbahnhof.
       
       „Der jetzige Hauptbahnhof ist zu klein“, sagt Jonas Spanier, der die Pläne
       vorstellte. Der habe nur acht Gleise, Münchens Hauptbahnhof dagegen 30,
       auch andere Städte hätten mehr Gleise. Das Problem sei, dass in Hamburg die
       ICE und Regionalzüge schnell weiter müssen, um den Bahnsteig für die
       nächsten Züge frei zu machen. Deshalb führen die ICE leer zum Kopfbahnhof
       Altona, wo sie bleiben können.
       
       Ein früherer Bahnchef nannte Hamburgs Hauptbahnhof mal den „größten
       Flaschenhals“ im Netz der Bahn. Und weil mit dem Deutschland-Takt der
       Schienenverkehr verdoppelt werden soll, kündigte bereits 2020 der damalige
       Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann (CDU) an, dass die Verbindungsgleise
       zwischen Hauptbahnhof und Altona entlastet werden sollen. Damit vier statt
       zwei Gleise genutzt werden können, soll die dort fahrende S-Bahn [3][in
       einem Tunnel verschwinden].
       
       Das ist dem VCD nicht genug. Dieser Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET)
       löse demnach das Problem nicht. Denn entscheidend sei die zu geringe
       Gleiskapazität am Hamburger Hauptbahnhof. Auch mit Bau des VET, das zeige
       ein Blick auf den Fahrplan des Deutschland-Takts, führen die Züge von
       Hamburg aus nicht häufiger. „Es bleibt alles, wie es ist“, sagt Spanier.
       „Der Hauptbahnhof stammt von 1904. Er war für 600.000 Menschen, die ihn
       täglich nutzen, nie ausgelegt.“
       
       Hinzu komme, dass der Bahnhof für die Züge, die bald durch den
       [4][Fehmarn-Belt-Tunnel] aus Nordeuropa kommen, sowie für Reisende aus
       Lübeck eine Sackgasse darstelle. Eine Skizze des VCD macht deutlich, dass
       nur ein Gleis in der Mitte der Halle den Zügen ermöglicht, die Richtung
       nach Süden zu wechseln.
       
       „Schiene Plus“ heißt der Plan, den die Gruppe mit Hilfe von Ingenieuren für
       den neuen Hauptbahnhof entworfen hat. Berliner Tor ist heute kein schöner
       Ort. Rund um den S- und U-Bahnhof sind breite Autostraßen. Der Ort bestehe
       aus Kreuzungen und Parkplätzen, sagt Spanier. „Wir haben dort eine Fläche
       von zwölf Hektar, die frei von Gebäuden ist.“
       
       Auf zwei Etagen könnte dort der neue Bahnhof entstehen. Unten würden Gleise
       aus Richtung Lübeck im Osten und Elmshorn im Westen in zwei Bögen jeweils
       Richtung Süden über die Elbe führen. „Diese Gleise binden 20 Millionen
       Skandinavier besser an Mitteleuropa an“, sagt Spanier. Dazwischen wäre
       Platz für vier Kopfgleise für Regionalzüge aus dem Westen. Oben gäbe es 15
       Kopfgleise für Fern- und Regionalzüge aus dem Süden, die dort dann eben
       auch länger stehen bleiben könnten. Etwas versetzt kämen noch vier
       Kopfgleise für Züge aus Richtung Lübeck dazu. Das Ganze sieht in der
       Präsentation noch aus wie eine Strichesammlung und ist kein
       Architekturentwurf.
       
       Baute man dies, wäre der Entlastungstunnel, für dessen Bau sieben Jahre
       lang Hamburgs City-S-Bahn halb lahmgelegt werden müsste, verzichtbar. Der
       Tunnel würde Milliarden Euro kosten – eine exakte [5][Kostenschätzung ließ
       der Senat schwärzen] – und würde wohl größtenteils vom Bund bezahlt werden.
       „Unsere Gegenfinanzierung ist der VET“, sagt Spanier vom VCD. Der neue
       Bahnhof und alle Umbauten wären „preislich in etwa in der Gegend“.
       
       Am Berliner Tor sollen dann gleich noch zwei kleinere Tunnel für Autos
       entstehen. Außerdem müsste Hamburg seine Güterumgehungsbahn ausbauen, die
       Platz für zwei Gleise hat. Die Strecke soll aus Bergedorf kommende
       S-Bahn-Fahrgäste während der Bauphase an einen U-Bahnhof anschließen. Und
       über sie sollen künftig die ICE zum Betriebswerk fahren.
       
       Berliner Tor hat den Vorteil, dass dort bereits drei U-Bahn-Linien halten.
       Um auch die U1 anzubinden, müsste sie verlegt werden. Dies sei aber in
       offener Bauweise möglich. Den alten Bahnhof würden die Planer als
       „Altstadtbahnhof“ erhalten, für S-Bahnen und Regionalzüge.
       
       Der VCD-Nord fordert nun, alle Varianten für den Ausbau des Bahnknotens
       Hamburg offen zu diskutieren. Das sei vor der Entscheidung für den Bau des
       Entlastungstunnels nicht geschehen, weil SPD und Grüne diese Debatte
       mieden. Die Bürger dürfen nur mitreden, in welcher Variante die S-Bahn
       [6][unter die Erde kommt]. Nicht ob.
       
       Deshalb hatte schon im vorigen Mai Holger Busche von der Fachgruppe
       Mobilität von „Scientists for Future“ vorgeschlagen, statt des Tunnels
       [7][zwei neue Schienenwege zu bauen], die es Fahrgästen ermöglichen, das
       Zentrum zu umfahren. „Ich begrüße diese neue Diskussion sehr“, sagt Busche.
       Er hält die Konzepte für verknüpfbar.
       
       ## Noch ist der Tunnel nicht beschlossen
       
       Auch Verkehrspolitikerin Heike Sudmann (Die Linke) sagt, der Vorschlag habe
       eine ernsthafte Prüfung verdient. Sie möchte ihn im Verkehrsausschuss
       diskutieren. FDP-Politikerin Sonja Jacobsen nennt das Konzept „verlockend“,
       fragt sich aber nach den Erfahrungen mit [8][Stuttgart 21], ob es sich um
       eine günstige Alternative handele.
       
       Hamburgs Verkehrsbehörde und das Bundesverkehrsministerium äußerten sich
       nicht zum VCD-Vorschlag. Eine Bahnsprecherin sagte, man habe diesen „zur
       Kenntnis genommen“. Der Plan sei eine „gesamtstädtische Angelegenheit“ mit
       Wirkung auf nationale und internationale Verbindungen. Mit dem VET-Tunnel
       als Maßnahme des Deutschland-Takts werde sich für Hamburgs Reisende die
       Anbindung verbessern, sagt die Sprecherin. Beschlossen sei der noch nicht.
       Das passiere, „wenn die Finanzierung zwischen Land, Bund und DB feststeht“.
       
       19 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [5] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/83290/wort_protokoll_der_oeffentlichen_sitzung_des_verkehrsausschusses.pdf
 (DIR) [6] /S-Bahn-Verbindungen-in-Hamburg/!5731710
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