# taz.de -- Ehemalige JVA in Göttingen: Initiative will in den Knast
       
       > Göttingen hat ein leer stehendes Gefängnis zum Verkauf ausgeschrieben.
       > Die Ini, die dort für ein soziales Zentrum kämpft, will die Immobilie
       > erwerben.
       
 (IMG) Bild: Hier könnte ein Soziales Zentrum in der Göttinger Innenstadt entstehen
       
       GÖTTINGEN taz | In ihrem Bemühen, in der früheren [1][Göttinger
       Justizvollzugsanstalt (JVA) ein soziales Zentrum aufzubauen], lässt die
       Initiative „Soziales Zentrum Göttingen“ nicht locker. Bei einer Kundgebung
       vor dem leer stehenden Gebäude gab sie am Sonntag den Startschuss für eine
       Spendenkampagne. Mit möglichst viel auf diese Weise eingesammeltem Geld
       will die Initiative die Immobilie erwerben und umbauen. „Wir sind froh,
       dass wir nun an dem Punkt angelangt sind, Spenden sammeln zu können“, sagt
       Almut Schilling, eine der Aktiven.
       
       Das ehemalige Untersuchungsgefängnis in der nördlichen Innenstadt gehört
       seit 2008 der Stadt und ist seitdem ungenutzt. Bemühungen um eine
       Nachnutzung blieben lange Zeit ohne Ergebnis – Pläne, die JVA etwa zu einem
       Hostel umzubauen, scheiterten an der Finanzierung. Erst vor zwei Jahren kam
       die Debatte wieder in Schwung.
       
       Die Initiative für ein soziales Zentrum legte ein detailliertes Konzept
       vor, das unter anderem Beratungs- und medizinische Angebote für Geflüchtete
       und andere Bedürftige vorsah. Die überfällige Sanierung sollte die Stadt
       stemmen – und dafür knapp sechs Millionen Euro bereits bewilligte
       Fördermittel für den Stadtteil verwenden.
       
       Doch Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) entschied quasi im
       Alleingang, die JVA [2][an die Firma Trafo Hub aus Braunschweig zu
       veräußern], die dort ein nebulöses Konzept für sogenannte Co-Working- und
       Co-Living-Spaces umsetzen wollte. Im Oktober 2022 besetzte eine Gruppe
       namens „Autonome Stadtverwaltung Göttingen“ das Gebäude. Eine Räumung durch
       die Polizei wenige Tage später verlief vollkommen friedlich – allerdings
       sind vor Gericht Strafprozesse gegen mutmaßliche Besetzer:innen
       anhängig.
       
       ## Käufer sollen Erfahrungen nachweisen
       
       Kurz darauf zog sich die Trafo Hub zurück, angeblich wegen veränderter
       Rahmenbedingungen wie Baukosten- und Zinssteigerungen sowie der
       Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.
       
       Auf eine Entwicklung des Hauses gemeinsam mit Nachbarn und Initiativen
       wollten sich die Stadtratsmehrheit aus SPD, CDU und FDP sowie die
       Verwaltung aber weiterhin nicht einlassen. Stattdessen hat die Stadt die
       JVA in einer öffentlichen Ausschreibung zum Verkauf angeboten. Bis zum 1.
       Juni 2024 können sich Interessierte bewerben.
       
       Die Stadt will die Bewerber nach einem bestimmten Kriterienkatalog
       bewerten. So soll der Käufer etwa anhand von Referenzen Erfahrung in der
       Entwicklung ähnlicher Immobilien nachweisen können und die Bereitschaft
       zeigen, einen Vertrag zu unterschreiben, „der die städtebaulichen und
       bauleitplanerischen Ziele der Stadt“ absichert. Als Mindestpreis nennt die
       Stadt 140.000 Euro.
       
       Möglich ist aber auch [3][die Option Erbbaurecht] – also das Recht, eine
       Immobilie auf fremdem Grundstück zu bauen oder zu nutzen. Der
       Erbbaurechtnehmer wird Eigentümer der Immobilie, pachtet jedoch das
       Grundstück. Wer den Zuschlag erhält, entscheidet letztendlich der nicht
       öffentlich tagende Verwaltungsausschuss, in dem die drei genannten Parteien
       die Mehrheit haben.
       
       ## Hoffen auf Spenden und Fördergelder
       
       Die Initiative für ein soziales Zentrum beteiligt sich nun an der
       Ausschreibung. Gemeinsam mit anderen Gruppen aus der Nachbarschaft gründete
       sie bereits Anfang des Jahres einen gemeinnützigen Verein, um dem Vorstoß
       einen formalen Rahmen zu geben.
       
       Die jetzt gestartete Spendenkampagne stellt allerdings nur den Beginn der
       Finanzierung dar. „Spenden sind für uns eine wichtige Anschubfinanzierung,
       um die Bewerbung zu stemmen“, sagt Anna Siegert, eine der Mitstreiterinnen
       der Initiative. Für den Kauf und den Umbau hofft sie auf Fördermittel. Ein
       weiterer Teil der Finanzierung soll aus Direktkrediten kommen, bei denen es
       im Falle einer nicht erfolgreichen Bewerbung Möglichkeiten der
       Rückerstattung gibt.
       
       8 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Verwendung-der-ehemaligen-JVA-Goettingen/!5928652
 (DIR) [2] /Leerstehende-JVA-in-Goettingen/!5865290
 (DIR) [3] /Event-Location-auf-St-Pauli/!5980747
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Göttingen
 (DIR) JVA
 (DIR) Stadtentwicklung
 (DIR) Göttingen
 (DIR) Göttingen
 (DIR) Göttingen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bürgerentscheid über Radverkehr: Um 18 Millionen Euro verrechnet?
       
       In Göttingen kommt es zum Bürgerentscheid über den Ausbau des Radverkehrs.
       Allerdings eskaliert der Streit über die möglichen finanziellen Folgen.
       
 (DIR) Volksentscheide über Radverkehr: Kostengespenst im Rathaus
       
       Göttingens OB behauptet, zwei Bürgerentscheide über den Radverkehr würden
       die Stadt 100 Millionen Euro kosten. Die Initiative spricht von „Fake
       News“.
       
 (DIR) Haus der Heilsarmee in Göttingen: Unterkunft für Obdachlose verfällt
       
       Ein Wohnheim der Heilsarmee wird nur notdürftig repariert. Bewohner
       fürchten, dass es bald nicht mehr zu retten ist. Doch die Stadt spielt auf
       Zeit.