# taz.de -- Wahlen in Nordmazedonien: Die Zeichen stehen auf Machtwechsel
       
       > Für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wird in Skopje mit einem
       > Rechtsruck gerechnet. Den Sozialdemokraten drohen Verluste.
       
 (IMG) Bild: Kundgebung der jetzt favorisierten nationalkonservativen VMRO-DPMME Anfang April in Skopje
       
       BITOLA/TETOVO/SKOPJE taz | Bojan Jankovski, 18, groß gewachsen, modische
       Kurzhaarfrisur, kräftige Hände, füllt das Sieb seines Espressokochers mit
       frischem Kaffeepulver auf. Er hat viel zu tun an seiner mobilen Kaffeebar
       im Stadtpark in Bitola im äußersten Südwesten Nordmazedoniens. Es ist der
       orthodoxe Ostersonntag, der diesmal spät auf Anfang Mai gefallen ist. Das
       Wetter ist sommerlich, die Menschen sind draußen, Wahlplakate säumen die
       Straßen. „Ich gehe wählen, ich will mitbestimmen“, sagt Jankovski.
       
       Am Mittwoch finden in Nordmazedonien sowohl die Stichwahl um das
       Präsidentenamt als auch Parlamentswahlen statt. Genau 1.814.317
       Wahlberechtigte sind dazu aufgerufen. Jankovski ist Erstwähler. Wem er
       seine Stimme gibt, habe er noch nicht entschieden.
       
       Klar sei für ihn: Die Großparteien SDSM (sozialdemokratisch) und VMRO-DPMNE
       (nationalkonservativ) kriegen sie „definitiv“ nicht: „Sie haben abwechselnd
       viel versprochen und wenig geschafft.“ Jankovski ärgert: Sein Land ist
       schon seit 2005, seinem Geburtsjahr, offiziell EU-Beitrittskandidat. Doch
       die EU-Mitgliedschaft liegt in weiter Ferne.
       
       Dabei würden einer Umfrage des Prespa-Instituts in Skopje zufolge 67
       Prozent bei einem Referendum in Nordmazedonien für den EU-Beitritt stimmen.
       Jankovski muss weiter servieren, Kundschaft wartet. Seit 9 Uhr arbeitet er
       schon, heute werde er zwei Schichten hintereinander bis nach Mitternacht
       haben. Sein Verdienst dafür: umgerechnet knapp 30 Euro.
       
       ## Eine Koalitionsregierung ist wahrscheinlich
       
       „Hier leben wir nicht, hier überleben wir nur“, sagt ein paar hundert Meter
       weiter Goran Ristevski. In der Fußgängerzone in Bitolas malerischer
       Altstadt schiebt der 32-jährige Vater den Kinderwagen. Er arbeitet in der
       Fabrik einer deutschen Firma, die Zubehör für die Autoindustrie herstellt.
       
       Er weiß, für wen er in der Stichwahl um das Präsidentenamt wählen wird.
       Unverblümt sagt er: „Für Gordana. Es ist wichtig, dass eine Frau zum ersten
       Mal das Amt bekleidet.“
       
       Die Chancen stehen gut. Gordana Siljanovska-Davkova, 70, von der VMRO-DPMNE
       unterstützt, ist Favoritin um die Stichwahl. [1][In Runde eins holte sie
       unter sieben Kandidaten satte 40 Prozent der Stimmen.] Amtsinhaber Stevo
       Pendarovski von der SDSM bekam nur halb so viele. Die Zeichen in Skopje
       stehen auf Machtwechsel.
       
       Das gilt auch für die Parlamentswahlen. Seit 2017 regiert die betont
       proeuropäische SDSM mit der größten ethnisch-albanischen Partei DUI. Wieder
       wird wohl keine einzelne Partei die absolute Mehrheit der 120 Sitze im
       Parlament in Skopje gewinnen. Mehrheitsbeschaffer sind traditionell die
       ethnisch albanischen Parteien. Ethnische Albaner stellen ein Drittel der
       Bevölkerung.
       
       „Es wird auf jeden Fall eine Regierungskoalition gebildet, und alles deutet
       darauf hin, dass sie von der VMRO-DPMNE geführt und noch aus der
       ethnisch-albanischen Koalition Vlen sowie der neuen ethnisch-mazedonischen
       Partei ZNAM bestehen wird“, sagt der taz der Politikprofessor Zoran
       Ilievski, Leiter des Zentrums für Politikforschung und -analyse an der
       Universität „Heiliger Kyrill und Method“ in Skopje.
       
       ## Bulgarien stellt Bedingungen für EU-Beitritt
       
       Zentrale Wahlthemen waren Rechtsstaatlichkeit und [2][der Weg zur vollen
       EU-Mitgliedschaft]. Ein Knackpunkt für Letzteres ist, dass der Nachbar
       Bulgarien fordert, die bulgarische Minderheit müsse in der Präambel der
       nordmazedonischen Verfassung erwähnt werden. SDSM, DUI und Staatspräsident
       Pendarovski sind dafür, VMRO-DPMNE und ihre Präsidentschaftskandidatin
       sehen das differenzierter.
       
       Konkret wolle die VMRO-DPMNE, so Politanalyst Ilievski, dass die
       Verfassungsänderungen, die für die Aufnahmen der Bulgaren in die Präambel
       nötig sind, mit einer Klausel verabschiedet werden, wonach sie erst mit
       Nordmazedoniens EU-Beitritt in Kraft treten. So sollen mögliche weitere
       Forderungen von Bulgarien ausgebremst werden.
       
       Heikel bleibt auch der neue Staatsname. Im sogenannten Prespa-Abkommen mit
       Griechenland, das 2019 einen jahrzehntelangen Namensstreit zwischen Athen
       und Skopje beilegte, wurde Mazedonien in Nordmazedonien umbenannt.
       
       Beobachter fragen sich nun, ob eine VMRO-geführte Regierung die
       Namensänderung rückgängig machen könnte. Die VMRO-DPMNE hatte sich
       schließlich gegen das Prespa-Abkommen gestellt. Parteichef Hristijan
       Mickoski nimmt den neuen Staatsnamen bis heute nicht in den Mund. Das
       dürfte indes nur verbale Gymnastik sein. „Die VMRO akzeptiert die
       verfassungsrechtliche Realität. Ihre Führer haben wiederholt erklärt, das
       Prespa-Abkommen nicht behindern zu wollen“, versichert Ilievski.
       
       Den ethnischen Albanern ist der Staatsname wie die Frage der bulgarischen
       Minderheit schnuppe. Sie wollen so schnell wie möglich den EU-Beitritt. Der
       ethnisch albanische Ökonom Gadaf Memedi, 34, schlägt sich seit zehn Jahren
       als Kellner durch. So lange will er nicht mehr warten, bis sein Land
       EU-Mitglied wird.
       
       8 May 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Ferry Batzoglou
       
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