# taz.de -- Studieren in Kriegszeiten: Durchhalten im Hörsaal
       
       > Im Krieg gegen die Ukraine versuchen die Universitäten ihren Betrieb
       > fortzusetzen. Viele Studierende aber sind nur im Onlinestudium – oder im
       > Ausland.
       
 (IMG) Bild: Studierende in Lviv protestieren gegen die geplante Zusammenlegung ihrer Universitäten im März 2024
       
       LUZK taz | Morgens werden die Studierenden der Ukrainischen Katholischen
       Universität (UKU) in der [1][westukrainischen Stadt Lwiw] oft von
       Kirchenglocken geweckt. Der Dom der heiligen Sophia befindet sich im
       Zentrum ihres Campus. In unmittelbarer Nähe liegen Unterrichtsgebäude,
       Wohnheim, Sportzentrum, selbst ein Postamt und einen Park gibt es hier.
       Alle Standorte sind durch unterirdische Korridore miteinander verbunden –
       sehr praktisch in Zeiten des Krieges.
       
       Dieses Glück haben nicht alle ukrainischen Studierenden. Sogar in der
       Hauptstadt Kyjiw, die am besten vor russischen Raketen geschützt ist, sind
       [2][viele Universitäten wieder zum Onlinestudium übergegangen]. Der Grund
       dafür sind oft nicht nur Raketenangriffe, sondern auch das Bemühen,
       Energiekosten zu sparen. Zudem fehlen zunehmend auch die Studierenden.
       
       Nach Angaben des ukrainischen Ombudsmanns für Bildung, Sergei Gornatschow,
       studiert mittlerweile jede*r Vierte im Ausland. Und auch die Zahl der
       Abiturient*innen nimmt ab. Seit Beginn des russischen Überfalls im
       Februar 2022 sind bereits mehr als 800.000 Schüler*innen in einem
       EU-Staat zur Schule gegangen. Die ukrainische Regierung hat deshalb in
       diesem Jahr eine unpopuläre Entscheidung getroffen: Wenn es in kleineren
       Städten mehrere Universitäten gibt, werden diese zusammengelegt.
       
       Die Katholische Universität in Lwiw wurde von dieser Maßnahme verschont.
       Sie finanziert sich über Mäzene und Studiengebühren und steht heute in
       allen Bildungsrankings der Ukraine an der Spitze. Ein Studium an der UKU
       ist auch deshalb attraktiv, weil es hier ein großes Gemeinschaftsgefühl
       gibt. „Ich habe hier vor 20 Jahren meinen Abschluss gemacht, aber ich gehe
       nicht weg, ich stehe der Universität und ihren Menschen nahe“, sagt etwa
       der Absolvent Mikhail Salo.
       
       ## Studierende engagieren sich ehrenamtlich
       
       Dieses Gemeinschaftsgefühl ist dieser Tage besonders wichtig. Normalerweise
       treffen die Studierenden an der UKU neben ihren Vorlesungen
       Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oder besuchen ergänzende
       Veranstaltungen mit berühmten Wissenschaftler*innen. Seit Beginn des
       Angriffskriegs engagieren sich die meisten Studierenden ehrenamtlich.
       
       Der Student Ivan Konkevitsch und seine Kommiliton*innen etwa stellen
       Tüten mit Trockenlebensmitteln für die Front zusammen. Sie gehen an Schulen
       und zeigen, wie dort geholfen werden kann. Trotz allem findet ein
       weitgehend regulärer Uni-Betrieb statt: „Heute hatte ich vier Stunden
       Unterricht und einen zusätzlichen Deutschkurs. Ich habe den
       Mitarbeiter*innen in der Bibliothek geholfen, war bei einem Treffen
       mit einem berühmten Architekten, und am Abend gibt es einen
       Uni-Filmwettbewerb über das Studentenleben“, schreibt der angehende
       Soziologe seinen Eltern. Aber es gibt auch solche Meldungen: „Gestern Nacht
       ist eine Rakete über uns hinweggeflogen, wir waren von 4 bis 7 Uhr morgens
       in einem Luftschutzbunker.“
       
       Lwiw liegt 70 Kilometer von der Grenze zu Polen entfernt, aber auch bis
       hierher fliegen die russischen Raketen. Bei Luftalarm ist es verpflichtend,
       Schutzräume aufzusuchen. Wie ernst die Bedrohung ist, zeigt eine Gedenkecke
       im Hauptgebäude. Sie erzählt von Absolventen der Uni sowie von Angehörigen,
       die im Krieg gestorben sind. Es sind mehrere Dutzend.
       
       Eine andere Folge des Krieges sind die „Flüchtlingsuniversitäten“. Nach dem
       24. Februar 2022 zogen 44 Universitäten aus dem Osten und Süden in andere
       Städte um – die meisten aus Cherson und Mykolajiw. Laut Oleg Scharow, der
       im ukrainischen Bildungsministerium für den Bereich Hochschulen zuständig
       ist, hätten die evakuierten Einrichtungen an Qualität verloren.
       
       Die Universitäten Charkiw, Saporischschja und Dnipro sind nicht umgezogen,
       einige ihrer Gebäude wurden zerstört, der Unterricht findet online statt.
       Die Nationale Technische Universität Donezk musste seit 2014 bereits
       zweimal den Ort wechseln. Heute ist sie in Luzk zu finden.
       
       Aus dem Russischen von Barbara Oertel
       
       24 Apr 2024
       
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