# taz.de -- Propalästinensische Proteste in Indiana: Organisatoren radikalisieren sich
       
       > Solidarität kippt in Dämonisierung. Ein Lehrender schildert seine
       > Eindrücke von den propalästinensischen Protesten an der US-Universität
       > von Indiana.
       
 (IMG) Bild: Studenten und Anwohner versammeln sich am 30. April auf dem Campus der University of Southern Indiana
       
       „Glory to Hamas.“ Gibt es dazu noch etwas zu sagen? Kaum zu glauben waren
       die [1][Parolen, die Hunderte von Studierenden auf dem Campus der Columbia
       University und noch radikaler vor den Toren der Universität brüllten].
       
       Auch an unserer Universität, der Indiana University im Mittleren Westen der
       USA, die nicht gerade als Unruheherd bekannt ist, gab und gibt es
       entsprechende Proteste. Wir sind eine solide staatliche Hochschule, die
       international für die Jacobs School of Music und das Kinsey Institute
       bekannt ist. Etwa 10 Prozent der knapp 50.000 Studierenden auf unserem
       Campus sind jüdisch. Seit dem 25. April befindet sich gegenüber dem
       Chabad-Haus, in dem viele jüdische Studierende ein- und aus gehen, ein
       Zeltlager „für bedingungslose Solidarität mit Palästina“.
       
       Die Parolen, verbal und auf Plakaten, richten sich zum Teil direkt gegen
       sie und werden zumindest so empfunden. Nicht alle Parolen sind so
       mordlustig wie die Forderung nach der Globalisierung der Intifada. Einige
       dämonisieren lediglich Israel. Zum Beispiel durch die Behauptung, Israel
       verübe in Gaza Völkermord, eine Verleumdung, die durch ständige
       Wiederholung als unbestreitbare Tatsache dargestellt wird. Auf unserem
       Campus führt sie vor allem dazu, dass alle, die diesen Vorwurf nicht
       teilen, als zutiefst böse angesehen werden.
       
       ## Erstaunlich unwissend
       
       Nun sind sich längst nicht alle Studis, die solche Parolen schreiben und
       rufen, über deren Bedeutung und Wirkung auf jüdische Studierende im Klaren.
       Ich habe mit Studis gesprochen, die ein Plakat hochhielten, auf dem
       Polizei, Ku-Klux-Klan und „IOF“ gleichgesetzt wurden. Aber erst einer der
       vermummten Organisatoren, der angerannt kam, um unser Gespräch zu
       unterbrechen, konnte aufklären, was IOF bedeutet: Israel Offence Forces
       oder Israel Occupying Forces – so ganz sicher war er sich auch nicht.
       
       Aber die Botschaft, die bei den jüdischen Studierenden ankommt, ist, dass
       das Land, mit dem sie sich verbunden fühlen, sei es aus jüdischer
       Tradition, sei es aus religiösen oder familiären Gründen, in einer Weise
       dämonisiert wird, die sie gleich mit verdammt.
       
       Viele der protestierenden Studierenden mögen erstaunlich unwissend sein.
       Nicht so die Organisatorinnen und Organisatoren. Unter ihnen hat eine
       rasante, sektiererische Radikalisierung stattgefunden. Kurz nach dem 7.
       Oktober habe ich mit dem Vorsitzenden des [2][Palestine Solidarity
       Committee (PSC)] an unserer Universität im Uni-Radio diskutiert. Auch wenn
       wir in vielen Punkten nicht einer Meinung waren, verurteilte er zumindest
       im privaten Gespräch die Hamas. Und er fragte jüdische Bekannte, ob es
       ihnen gut gehe.
       
       Vor einer Woche schaute ich auf sein Twitter-Profil. „Glory to Hamas“ war
       da zu lesen. Israel ist für ihn „eine dämonische, nicht zu ändernde
       Gesellschaft, die niemals ein einziges Recht auf Existenz hatte und niemals
       haben wird“. Zionisten, also alle, die Israel nicht verurteilen, setzt er
       mit den Nazis gleich. Zionisten, so schreibt er, seien „Indigene der
       Hölle.“
       
       ## Gefallen an der Hamas
       
       Das PSC ruft maßgeblich zu den Campusprotesten auf und berichtet auf seiner
       Instagram-Seite laufend vom Protestcamp. Dafür gibt es viel Applaus. Auch
       von einem iranischen Account namens „Mahdi_Alavi“. Er ermuntert die
       Studierenden, den Brief von Ajatollah Chamenei an die Jugend Europas und
       Nordamerikas zu lesen. Dafür gab es in den Kommentaren Liebes- und
       Applaus-Emojis, aber keinen Widerspruch.
       
       Auch ein anderer Anführer der Proteste, der es besonders gut versteht, die
       anderen Studierenden per Megafon anzuheizen, gewährt auf sozialen Medien
       Einblick in sein Denken. Über die israelische Armee schreibt er auf X: „Sie
       haben über Massenvergewaltigungen gelogen, damit sie selbst
       Massenvergewaltigungen begehen konnten“, und leugnet damit die
       unvorstellbar [3][brutale sexuelle Gewalt der Mörder des 7. Oktobers]. Auch
       er findet Gefallen an der Hamas. Sie sei „Israel in jeder relevanten
       Hinsicht moralisch überlegen“.
       
       Was ist auf solch eine Pro-Hamas-Propaganda zu antworten? Die jüdischen
       Studierenden ließen laute Musik laufen, auch als muslimische Gebete
       geschlechtergetrennt zelebriert wurden, erinnerten an die Geiseln und
       posierten mit israelischen Fahnen vor dem Zeltlager, in dem sich mindestens
       zwei Hamas-Sympathisanten aufhalten.
       
       11 May 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Günther Jikeli
       
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