# taz.de -- Sexuelle Übergriffe vor dem KitKat: Selbst Schuld bei schwacher Blase
       
       > Wegen fehlender Toiletten vor dem KitKat, pinkeln Frauen in der Schlange
       > in Hinterhöfe. Männer nutzen das aus, um sie sexuell zu belästigen.
       
 (IMG) Bild: „Wir wollen Frauen vor sexueller Gewalt schützen, aber rennen nur gegen verschlossene Türen.“
       
       BERLIN taz | Warten, bis eine Frau pinkelt, dann zugreifen: Das sei die
       Masche des Abends gewesen, erzählt Kim. Sie ist Anwohnerin der Köpenicker
       Straße 102/103, einem Wohnhaus gegenüber von dem sexpositiven Club KitKat.
       Voriges Wochenende hätten sich zwei „zwielichtige Männer“ stundenlang in
       ihrem Hinterhof herumgetrieben und auf junge Frauen gewartet, die pinkeln
       mussten. Wenn diese sich hinhockten, schlichen die Männer sich an und
       versuchten sie zwischen den Beinen anzufassen, sagt Kim. Über die letzten
       Jahre sei es vereinzelt immer wieder zu solchen Vorfällen gekommen.
       
       Die Anwohner*innen sehen das KitKat in der Verantwortung. Denn für
       Frauen, die zum Teil stundenlang vor dem Club anstehen müssen, gibt es
       keine geschützten Möglichkeiten zum Urinieren. „Die müssen sich
       notgedrungen in dunklen Ecken erleichtern, während Männer ihnen
       systematisch auflauern“, kritisieren sie. Der Club weise die Verantwortung
       zurück: Viele Frauen aus der Schlange würden gar nicht reingelassen, seien
       also nicht ihre Kundinnen, [1][habe ein Türsteher argumentiert].
       
       Die Anwohner*innen wollen das nicht durchgehen lassen: „Wir dulden
       nicht, dass durch Untätigkeit städtischer Behörden und/oder des
       Clubbetreibers weiterhin ein vermeintlich rechtsfreier Raum auf unserem
       Privatgrundstück entsteht, der sexuelle Gewalt ermöglicht“, schrieben sie
       in einer Mail an die Clubbetreiberin Kirsten Krüger. Von dieser hatten sie
       für das Wochenende ein Interimssicherheitskonzept gefordert.
       
       Die Zustände seien „natürlich furchtbar und nicht akzeptabel“, antwortete
       Krüger. Sie wisse jedoch nicht, wie sie die Situation ändern könne. Das
       Aufstellen von Toiletten führe zu noch größeren Problemen. „Damit liefern
       Sie potenziell gewalttätigen Menschen auch noch einen verschließbaren Raum,
       der nicht einsehbar ist“, sagt sie. Zudem wisse sie nicht, wie die Klos auf
       dem Trottoir genehmigt werden könnten. Auf öffentlichem Gelände sei sie
       machtlos.
       
       ## Die Behörden weisen die Verantwortrung von sich
       
       „Ich kann nachvollziehen, was Krüger schreibt“, sagt Kim. „Bei den Behörden
       fühlt sich niemand berufen, auch nur einen Bruchteil der Verantwortung zu
       übernehmen.“ Auch die Anwohner*innen seien wiederholt auf die Stadt
       zugegangen, um die Bereitstellung von Toiletten zu fordern. „Da hieß es
       immer, sie seien nicht zuständig, man solle sich an Wall wenden.“ Die
       Toilettenfirma antwortete: [2][Es gebe im Umkreis von 200 Metern um den
       Club herum öffentliche Toiletten, weitere brauche es nicht].
       
       Das Verhalten Krügers kritisieren die Anwohner*innen trotzdem. Sie
       seien enttäuscht, dass Krüger „keinerlei Zugeständnisse“ mache. Sie wollen,
       dass Krüger Dixi-Toiletten aufstellt, „zumindest bis die Stadt
       weiterführende Zugeständnisse macht“. Außerdem fordern sie zusätzliches
       Personal, um die Toiletten zu überwachen und wieder abzuschließen, wenn der
       Hauptandrang vorbei ist. Sie würden den Club auch bevollmächtigen, sich auf
       ihrem Gelände zu bewegen und Platzverweise auszusprechen, betonen sie.
       Weder auf diese Forderungen noch auf eine Anfrage der taz gab Krüger eine
       Antwort.
       
       „Die Kommunikation war noch nie gut“, sagt Kim. Schriftverkehr habe es nie
       gegeben, jetzt sei Krüger wenigstens gewillt zu telefonieren. „Man muss dem
       KitKat zugutehalten, dass es mittlerweile zumindest ein Bewusstsein für
       einige Problemlagen hat.“ Das braucht es auch. Der Club ist in den letzten
       Jahren wiederholt wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe sowie sexistischem
       und queerfeindlichem Verhalten der Türsteher unter Druck geraten.
       [3][Recherchen der antifaschistischen Plattform Exif ergaben, dass einige
       Türsteher dem rechtsextremen Hooligan-Milieu angehören.]
       
       ## Das KitKat zeigt kein Interesse
       
       Aber auch die Clubcommission nehme die Situation nicht ernst, kritisieren
       die Anwohner*innen. Für die Nacht von Freitag auf Samstag ließ
       Vorstandsmitglied Sascha Disselkamp, dem das KitKat-Gebäude gehört, einen
       zusätzlichen Sicherheitsmann einstellen. Der sollte sich für eine Stunde,
       von 0 bis 1 Uhr, „ein Bild von der Lage verschaffen“ und „sehen, ob ihm
       besagte Täter dort begegnen“. „Vollkommen untertrieben“, finden die
       Anwohner*innen, „eine Frechheit“.
       
       In einem „sehr ernüchternden“ Gespräch am Freitag habe der Manager der
       Clubcommission ihnen vermittelt, „dass sich das KitKat nicht wirklich für
       den desaströsen Ist-Zustand interessiere“, sich aktuell nicht damit
       beschäftige und auch keine langfristigen Bestrebungen in Angriff nehme.
       „Die Clubcomission hat ihr Bedauern ausgedrückt und angegeben, selbst
       natürlich machtlos zu sein“, erzählen die Anwohner*innen. „Die
       Verantwortlichkeiten werden immer hin- und hergeschoben.“
       
       Der Manager der Clubcommission betont gegenüber der taz jedoch den
       Anwohner*innen klargemacht zu haben, dass sie lediglich eine
       vermittelnde Rolle einnähmen und nicht für den Club sprechen könne. Auch
       Lutz Leichsenring, Vorstandsmitglied der Clubcommission, sagt der taz er
       bedauere, dass die Hausgemeinschaft ihnen fehlende Ernsthaftigkeit
       unterstelle. Neben der Aufstockung des Personals habe man das Problem in
       verschiedenen Besprechungen thematisiert und im Zuge dessen auch die
       Verfügbarkeit von Toiletten an verschiedenen Veranstaltungstagen
       beobachtet.
       
       Am Freitagabend hängten die Anwohner*innen Plakate auf ihrem Gelände
       auf, um auf die potenzielle Gefahr aufmerksam zu machen. An diesem
       Wochenende habe es keine Schlange gegeben, daher sei es zu keinen weiteren
       Vorfällen gekommen, erzählen sie. Wie eine langfristige Lösung aussehen
       kann, bleibt unklar.
       
       28 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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