# taz.de -- Herausforderer beim Giro d'Italia: Der Beste vom Rest
       
       > Der Giro d'Italia scheint eine slowenische Ein-Mann-Show zu sein. Der
       > Kolumbianer Dani Martinez versucht jedoch an Tadej Pogacar dranzubleiben.
       
 (IMG) Bild: Typische Szene: Tadej Pogacar fährt Dani Martinez davon
       
       CUSANO MUTRI taz | Der Giro d’Italia schien in der ersten Woche eine
       Ein-Mann-Show zu sein. Es dauerte nur einen Tag, dann holte sich Tadej
       Pogacar das rosa Trikot. Der Slowene dominierte die Bergetappen, er gewann
       das erste Zeitfahren. Und zuletzt betätigte er sich auch noch als Anfahrer
       im Massensprint, ganz so, als verfüge er über unerschöpfliche Kräfte und
       sei wie einst Obelix in das Fass mit dem Zaubertrank gefallen, ohne
       allerdings dabei die Figur des dicken Galliers anzunehmen.
       
       Im Schatten des Slowenen immerhin tut sich was. Als Bester des Rests hat
       sich der Kolumbianer Dani Martinez herauskristallisiert. Er hielt sowohl
       [1][auf der zweiten Etappe des Giro] dagegen, als Pogacar in Rosa fuhr.
       Martinez gewann den Spurt um Platz zwei. Er war beim Zeitfahren derjenige,
       der unter den Klassementfahrern am wenigsten Zeit auf Pogacar verlor – eine
       Minute und 48 Sekunden.
       
       Und bei der letzten Bergankunft, der in Prati di Tivo am Samstag,
       schnupperte er sogar am Etappensieg. „Ich dachte, das würde mein Tag heute
       werden. Aber dann war Pogacar doch stärker als ich“, sagte der Kapitän des
       Bora-hansgrohe-Rennstalls. Erneut wurde er Zweiter, setzte sich in der
       Gesamtwertung noch ein wenig mehr ab vom Dritten, dem früheren Toursieger
       Geraint Thomas.
       
       ## Im Visier: das Podium
       
       Martinez kann für sich auch geltend machen, dass er den erhofften
       Etappensieg am Samstag vor allem deshalb verpasste, weil Pogacar ihn als
       Rivalen ernst nimmt. „Er hat in dieser Saison schon einige gute Resultate
       eingefahren. Wir wissen auch, dass er gut im Bergsprint ist. Wir konnten
       ihm nicht einfach das Terrain überlassen“, sagte der Slowene über den
       Kolumbianer. Also ließ er seine Teamkollegen arbeiten, sodass sie am
       Anstieg ein Tempo vorlegten, das perfekt zu seinen
       Beschleunigungscharakteristika passte.
       
       Dann setzte sich Pogacar doch noch so deutlich durch, dass er zehn Meter
       vor dem Ziel völlig ungefährdet die Arme zum Triumph heben konnte, seinem
       bereits dritten Triumph in den ersten neun Tagen dieses Giro d’Italia.
       Martinez immerhin war in der an eine Perlenkette erinnernden Aufreihung der
       Fahrer dahinter der eindeutig Beste. Das lässt die Hoffnungen auf einen
       Podiumsplatz am Ende der Rundfahrt wach bleiben.
       
       „Ich habe bisher einen guten Giro hingelegt. Es gibt einen überragenden
       Fahrer, natürlich. Aber mit der Leistung, die ich gezeigt habe, kann ich
       zufrieden sein“, sagte der Kolumbianer. Anmerken muss man auch noch, dass
       er sich von kleineren Malheurs und Rückschlägen nicht beeindrucken lässt.
       Auf der zweiten Etappe verhinderte zunächst ein Defekt, dass er unmittelbar
       dem Angriff Pogacars folgen konnte.
       
       Er kämpfte sich in die Verfolgergruppe zurück. Und dank der Führungsarbeit
       seines famosen, mittlerweile aber krankheitsbedingt ausgeschiedenen
       Teamkollegen Florian Lipowitz konnte er den Rückstand auf Pogacar begrenzen
       und sich selbst bereits als Bester des Rests in Position bringen. Einen
       Sturz musste er auch schon wegstecken, auf der 6. Etappe dieses Giro. Er
       war aber wieder schnell auf dem Rad und kam noch in den Top 10 des Tages
       an.
       
       ## Weil sie gewinnen wollen
       
       Sich durchzubeißen hat Martinez gelernt. Kolumbianische Medien weisen gern
       auf seine einfache Herkunft hin. Die Eltern verdienten ihr Geld als
       Straßenhändler. Er selbst steuerte seinen Anteil zum Schulgeld bei, indem
       er in den Pausen Eis auf dem Pausenhof verkaufte. Bildung erwerben, für
       diese Chancen aber auch schon arbeiten und außerdem an einer
       Radsportkarriere arbeiten, die den Weg aus der Armut verspricht, war früh
       [2][der Lebensdreiklang des Dani Martinez]. Damit hat er es weit gebracht.
       
       Ein Etappensieg bei der Tour de France sowie der Gesamtsieg der
       renommierten Dauphiné-Rundfahrt in seiner bislang besten Saison im Jahr
       2020 stehen bereits zu Buche. Vierfacher Landesmeister im Zeitfahren ist er
       auch. „Wegen der vielen Zeitfahrkilometer haben wir ihn auch als Kapitän zu
       diesem Giro mitgenommen“, erklärte Boras sportlicher Leiter Enrico
       Gasparotto.
       
       Und weil man beim Raublinger Rennstall weiß, wie man auch gegen überlegene
       Konkurrenz einen Giro d’Italia gewinnen kann – im Jahr 2022 gelang das mit
       Jai Hindley unter anderem gegen die früheren Giro-Sieger Richard Carapaz
       (Ekuador) und Vincenzo Nibali (Italien) –, ist noch nicht gesagt, dass die
       nächsten zwei Wochen zum Schaufahren für den rosa gewandeten Slowenen
       werden.
       
       Rennfahrer fahren Rennen, weil sie sie gewinnen wollen. Dani Martinez hat
       sich eine Lauerstellung dafür erkämpft. Diese Position will er behaupten.
       Ganz aus den Augen hat er Tadej Pogacar trotz dessen unübersehbarer
       Überlegenheit aber nicht verloren. Der Kolumbianer stellt die größte
       Hoffnung für einen nicht komplett langweiligen Giro d’Italia dar.
       
       14 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.giroditalia.it/en/
 (DIR) [2] https://www.procyclingstats.com/rider/daniel-felipe-martinez
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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