# taz.de -- Arbeitskampf bei Lieferdiensten: Beharrlichkeit zahlt sich aus
       
       > Die Angestellten von Lieferdiensten wie Gorillas und Lieferando kämpfen
       > für Arbeiter*innenrechte. Auch ohne gewerkschaftliche
       > Unterstützung.
       
 (IMG) Bild: Was geht? Streikender Fahrer bei einer Arbeitsniederlegung im August 2023
       
       Auch nach dem [1][Rückzug von Getir und Gorillas] aus dem deutschen Markt
       Ende vergangener Woche – und damit dem faktischen Ende von
       Supermarkt-Lieferdiensten – bleibt die Lage von Kurierfahrer*innen
       prekär. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rider von
       Wolt, Lieferando, und zuvor auch von Gorillas und Getir, mit ihren
       beharrlichen Arbeitskämpfen einiges erreicht haben.
       
       Als das Berliner Start-Up Gorillas vor vier Jahren antrat, dauerte es nicht
       lange, bis das von Investoren gehypte Unternehmen mit schlechten
       Arbeitsbedingungen in die Kritik geriet. Mangelhafte Ausstattung mit
       wetterfester Arbeitskleidung und verkehrstauglichen Fahrrädern, zu schwere
       Rucksäcke, ausbleibende Zahlungen, prekärer Lohn, Vertragsbrüche – die
       Vorwürfe der Rider nahmen kein Ende.
       
       Die zumeist migrantischen Kurierfahrer*innen waren zwar nicht
       gewerkschaftlich organisiert. Auch, weil sie sich von den
       DGB-Gewerkschaften nicht repräsentiert fühlten, die anfangs auch wenig
       Interesse an der Organisation der verstreut operierenden Fahrer*innen
       zeigten. Gefallen ließen sich die Rider die Verstöße aber dennoch nicht:
       Immer wieder protestierten sie gegen ihre prekären Arbeitsbedingungen; im
       Herbst 2021 sorgten sie mit einem viertägigen wilden Streik in Berlin
       bundesweit für Aufsehen. In Deutschland sind politische und verbandsfreie
       Streiks verboten.
       
       Deutschland hat damit eines der restriktivsten Streikrechte Europas. Das
       bekamen auch die Rider zu spüren: Rund 350 von ihnen wurden wegen des
       Streiks entlassen. Alle juristischen Klagen dagegen halfen nichts. Die
       Rider ließen sich dennoch nicht unterkriegen. Zum einen kämpfen sie weiter
       dafür, dass jeder Lieferdienst einen Betriebsrat bekommt – und ziehen dafür
       unermüdlich vor Gericht. Dabei lassen sie sich auch von dem massiven Union
       Busting nicht abschrecken.
       
       Einen Betriebsrat hat bislang allerdings nur Lieferando, dort werden die
       Fahrer mittlerweile auch fest und unbefristet angestellt. Ein Erfolg der
       kämpferischen Rider, auf dem diese sich allerdings nicht ausruhen (können).
       Denn immer wieder versucht der Bringdienst mit [2][Tricksereien wie
       Probezeitregelungen,] Arbeiter*innenrechte zu umgehen.
       
       ## Lohnprellerei bei Subunternehmen
       
       Doch nicht nur bei ihrem eigenen Unternehmen setzen sich die Rider ein:
       Egal, welcher Lieferdienst gerade mal wieder vor Gericht steht, zur
       Unterstützung kommen immer die Kurier*innen aller Anbieter und zeigen
       ihre Solidarität. Zuletzt etwa bei Wolt, das sich mit einem [3][System aus
       Subunternehmen] aus der Verantwortung zieht und das sich für deren
       Lohnprellerei nicht zuständig sieht.
       
       Was die Rider neben ihren täglichen Kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen
       vor allem aber geschafft haben, ist, eine Debatte über das veraltete
       deutsche Streikrecht anzufachen. Das Thema ist mittlerweile auch bei den
       großen Gewerkschaften angekommen, bei der Bildungsgewerkschaft GEW hat sich
       sogar eine Kampagne für ein umfassendes Streikrecht gegründet.
       
       Wie wichtig die Frage des politischen Streiks ist, hat sich nicht zuletzt
       beim Streik von [4][Verdi und Fridays for Future] für das Klima gezeigt.
       Ein Thema, das sich – ebenso wie die Benachteiligung von Frauen* – nicht
       mit Tarifverträgen aus der Welt schaffen lässt.
       
       1 May 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /Prozesse-gegen-Lieferando-in-Bremen/!6003443
 (DIR) [3] /Lohnklau-bei-Lieferdienst/!5977097
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       ## AUTOREN
       
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