# taz.de -- Ausstellung im Jüdischen Museum: Die Liebe in all ihren Formen
       
       > Die jüdischen Religionsgesetze schreiben strenge Regeln zu Sex und
       > Sexualität vor. Die Auffassungen von Sex im Judentum gehen darüber jedoch
       > hinaus.
       
 (IMG) Bild: Mit „Tumtum“ wird die körperliche Diversität gefeiert
       
       BERLIN taz | Große und kleine Penisse, Vulven mit und ohne Schambehaarung,
       Brüste, Samen und Augäpfel schmücken am Donnerstagmorgen den Glashof des
       Jüdischen Museums. „Tumtum“ heißt das lila-pink gehäkelte Riesenknäuel des
       Künstlers Gil Yefman, der zur Abschreckung des ein oder anderen prüden
       Besuchers dienen könnte.
       
       Man glaubt es kaum, aber Rabbiner der Antike waren uns woken
       Berliner*innen schon weit voraus. Während wir 2024 noch immer über
       Non-Binarität, Transgender und Polygender diskutieren, gaben sie schon
       damals Menschen eine Bezeichnung, die sich der binären Einordnung von
       männlich und weiblich entzog: Tumtum.
       
       „Mit dem Werk soll die körperliche Diversität gefeiert werden“, sagt
       [1][Hetty Berg, Direktorin des Jüdischen Museums]. Und nicht nur die: Auch
       die Vielfalt der Meinungen und Auffassungen von Sex im Judentum soll
       gefeiert werden. Das ist Ziel der Ausstellung „Sex. Jüdische Positionen“,
       die vom 17. Mai bis zum 6. Oktober im Jüdischen Museum läuft.
       
       Entgegen geläufigen Vorurteilen soll aufgezeigt werden, dass Sexualität im
       Judentum nicht starr durch die jüdischen Religionsgesetze der Halacha
       festgelegt ist. Für einen Laien hören sich die jedoch ganz schön starr an:
       [2][Die heterosexuelle Ehe ist der einzige Ort des „koscheren“
       Geschlechtsverkehrs], Sex während und unmittelbar nach der Menstruation ist
       verboten, und wehe, man hat auch nur einen Funken Spaß! [3][Sex ist
       religiöse Pflicht]: Masturbation und Sex ohne Zeugungsabsichten sind
       „Verschwendung des Samens“.
       
       ## Rituale und Manuskripte
       
       Diese und mehr spaßige Regeln rund um die Themen Pflicht und Vergnügen,
       Kontrolle und Begehren, Sexualität und Macht zeigt die Ausstellung anhand
       von Ritualgegenständen und historischen Manuskripten talmudischer Gelehrter
       und mittelalterlicher Philosophen auf.
       
       „Diese Abgründe werden angedeutet, im Zentrum steht jedoch die Gegenwart“,
       sagt Berg: Inwieweit wird das halachische Ideal in der Realität gelebt?
       Dieser Frage wird anhand von Forschungen von Sexualtherapeut*innen, wie
       Magnus Hirschfeld oder Sigmund Freud, sowie durch zeitgenössische
       Künstler*innen untersucht, die mit ihren Filmen und Fotografien die
       traditionelle Praxis herausfordern. Und auch auf das unerlässliche
       Accessoire, um Jugendlichkeit und Trendiness zu demonstrieren, wurde nicht
       verzichtet: In Tiktok-Videos kommentiert die Influencerin Miriam Anzovin
       die historischen rabbinischen Texte vom feministischen Standpunkt aus.
       
       „Wir zeigen, dass Komplexität sich nicht immer auflösen lässt, sondern dass
       wir sie aushalten müssen“, sagt Berg. Kurzum: Sex ist nicht gleich Sex,
       auch nicht im Judentum.
       
       17 May 2024
       
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 (DIR) Lilly Schröder
       
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