# taz.de -- Fragwürdiger Impfstoff-Deal: Pfizergate vor Gericht
       
       > EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen soll per SMS einen Impfstoff-Deal
       > eingefädelt haben. Am Freitag verhandelt ein belgisches Gericht über den
       > Fall.
       
 (IMG) Bild: Ursula von der Leyen bei einem Besuch bei Pfizer in Puurs, Belgien, April 2021
       
       Brüssel | taz | Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Gericht über
       EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verhandelt. Doch nun ist es
       so weit: Am Freitag muss sich [1][die mächtige deutsche Politikerin] vor
       dem „Tribunal de première instance“ in Lüttich in Belgien verantworten.
       
       Es geht um [2][den sogenannten Pfizergate-Skandal – und um die Frage, wie
       es mit der juristischen Aufarbeitung weitergeht]. Die Europäische
       Staatsanwaltschaft EPPO hatte im Oktober 2022 bestätigt, dass Ermittlungen
       eingeleitet wurden. Zuvor hatte es mehrere Klagen gegeben.
       
       Sie drehen sich um den Verdacht, dass von der Leyen Anfang 2021
       eigenmächtig und widerrechtlich 1,8 Milliarden Covid-19-Impfdosen beim
       US-Pharmakonzern Pfizer bestellt haben könnte. Nach einem Bericht der New
       York Times soll sie den Deal persönlich bei Pfizer-Chef Albert Bourla
       eingefädelt haben – per SMS von ihrem Handy.
       
       Die Bestellung hatte einen Rekordwert von schätzungsweise 35 Milliarden
       Euro – noch nie hat die EU einen so großen Auftrag erteilt. Später stellte
       sich heraus, dass Pfizer einen zu hohen Preis verlangt hatte und dass viel
       zu viele Impfdosen bestellt worden waren. Mehrere EU-Staaten haben daher
       Rückerstattung beantragt.
       
       ## Wie ein Staatsgeheimnis
       
       Doch die Details wurden nie offengelegt, die gesamte Affäre wurde [3][wie
       ein Staatsgeheimnis behandelt]. Nachfragen und Rügen der
       EU-Bürgerbeauftragten und des Europäischen Gerichtshofs blieben
       ergebnislos, auch die Klagen sind bisher im Sande verlaufen. Die
       Europäische Staatsanwaltschaft ermittle immer noch, hieß es.
       
       Bewegung kam erst in die Sache, als der bei der EU akkreditierte belgische
       Lobbyist Frédéric Baldan eine Klage vor dem Gericht in Lüttich einreichte.
       Er beschuldigt von der Leyen der „Anmaßung von Ämtern und Titeln“, der
       „Vernichtung öffentlicher Dokumente“ und der „unrechtmäßigen Bereicherung
       und Korruption“.
       
       ## Die Chancen für Aufklärung stehen schlecht
       
       Mehrere Organisationen, Einzelpersonen und sogar Staaten wie Ungarn und
       Polen (unter der vorherigen PiS-geführten Regierung) haben sich seiner
       Klage angeschlossen. Das zeigt, wie hoch das öffentliche Interesse ist.
       Allerdings sieht es nicht so aus, als könne der jahrelang verschleppte
       Skandal nun endlich aufgeklärt werden.
       
       Bei der Verhandlung am Freitag geht es zunächst nur um die Frage, wer
       zuständig ist: die belgische Justiz oder die europäische
       Staatsanwaltschaft. Sie will eine Anklageschrift vorlegen und begründen,
       warum sie die Ermittlungen leiten sollte. Die belgische Justiz will
       dagegenhalten und versuchen, den Fall an sich zu ziehen.
       
       ## Politischer Sprengstoff vor der Europawahl
       
       Der zuständige Untersuchungsrichter Frédéric Frenay ist für seine
       Hartnäckigkeit bekannt. Er hat in Belgien schon einige brisante
       Finanzdossiers bearbeitet. Ihm wird zugetraut, die Ermittlungen gegen von
       der Leyen energisch voranzutreiben – was vor dem Hintergrund der
       [4][Europawahl am 9. Juni] enormen politischen Sprengstoff birgt.
       
       Schließlich bewirbt sich von der Leyen um eine zweite Amtszeit als
       EU-Kommissionspräsidentin. Laufende Ermittlungen wegen Korruptionsverdacht
       wären damit kaum zu vereinbaren. Die Karriere der CDU-Politikerin könnte
       bei einer Fortsetzung des Verfahrens abrupt enden.
       
       Ganz anders sieht das bei einer Übernahme durch die europäische
       Staatsanwaltschaft aus. Dann könnte der Fall weiter in die Länge gezogen
       und am Ende sogar eingestellt werden. Bis zur Europawahl am 9. Juni wäre
       nach Meinung von Prozessbeobachtern kein Urteil mehr zu erwarten – von der
       Leyen könnte sich beruhigt zurücklehnen.
       
       Die Verhandlung in Lüttich findet hinter geschlossenen Türen statt, von der
       Leyen dürfte nicht daran teilnehmen. Sie will sich von ihren Anwälten
       vertreten lassen.
       
       17 May 2024
       
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