# taz.de -- Queerfeministische Demo in Berlin: Die Hexen sind wütend
       
       > „Take back the night“: Tausende gehen am Dienstagabend gegen Patriarchat
       > und Kapitalismus auf die Straße. Die Demo endet früher als angekündigt.
       
 (IMG) Bild: „Wir nehmen uns die Nacht“: Queerfeministische Demo in Friedrichshain am 30. April
       
       BERLIN taz | „Es ist Walpurgisnacht / Ich setzte meine Schweinekopf-Maske
       auf / Raste aus!“, singt die Männergruppe KIZ in ihrem Walpurgisnacht-Lied.
       Am Dienstagabend rasten rund 2.800 Flinta – Frauen, Lesben, intersexuelle,
       nicht-binäre, trans und agender Personen – aus: Sie ersetzen die
       Schweinekopf-Maske durch eine schwarze Corona-Maske und ziehen in einem
       wütenden Mob unter „Nieder mit dem Patriarchat!“-Rufen durch die warme
       Walpurgisnacht.
       
       Wie traditionell am 30. April fand auch am Dienstagabend wieder die
       linksradikale feministische „Take back the night“-Demo in Friedrichshain
       statt. Auch in Leipzig und Dresden versammelten sich am Abend Flinta, um
       ihren „Schmerz und Wut auf die Straße zu bringen“. „Wir nehmen uns die
       Nacht und gehen gegen das kapitalistische Patriarchat und für die
       feministische Revolution auf die Straße!“, kündigten die
       Teilnehmer*innen an.
       
       Gegen 20.30 Uhr, als der Schein der Straßenlaternen die letzten
       Sonnenstrahlen ablöst, werden auch die Männergruppen auf dem Boxhagener
       Platz von Frauen mit „Macker vermöbeln“ und pink glitzernden Antifa-Shirts
       verdrängt. Zwischen Gärtner- und Grünberger Straße schallt Musik aus dem
       Demofahrzeug, dem roten Lauti. Davor halten Teilnehmer*innen ein
       Transparent mit der Aufschrift des diesjährigen Mottos hoch: „We are the
       witches you couldn’t burn“. Denn die Walpurgisnacht gilt als die Nacht, in
       der Hexen ihr großes Fest feierten.
       
       Auf der Kreuzung sitzen hunderte Personen und lauschen Redebeiträgen über
       das Patriarchat und die Geschichte der Hexenverbrennungen. Sie seien der
       „Grundpfeiler des kapitalistischen Patriarchats“. In Bestrebungen, Flinta
       weltweit zu unterdrücken und zu ermorden, zeigten sich noch immer
       historische Kontinuitäten der Hexenverfolgung.
       
       Aus den Boxen schallt es: „Unsere Autonomie ist unheimlich, deshalb wollen
       sie uns unsere autonomen Orte wegnehmen.“ Schon queere Orte, wie [1][das
       Tuntenhaus] und die [2][Liebig 34] seien ihnen genommen worden, aber was
       sie nicht kriegen, ist die Nacht. „Denn die nehmen wir heute zurück!“
       
       ## Demonstrant*innen erhalten Solidarität auf dem Weg
       
       Aus Worten werden Taten: Gegen halb zehn gibt ein krawalliges Feuerwerk den
       Startschuss und der Demozug setzt sich mit rund eineinhalb Stunden
       Verspätung in Bewegung. An der Spitze hat sich ein schwarzer Block
       formiert, der „kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat!“ ruft. Zügig ziehen
       die Demonstrant*innen von der Grünberger Straße in Richtung Boxhagener
       und Mainzer Straße.
       
       Immer wieder erhellen Feuerwerke von Balkonen und Dächern verbündeter
       Häuser entlang der Strecke die rauchgeschwängerte Nacht. Als der Demozug in
       die Rigaer Straße einbiegt, wird er empfangen von bunten Rauchschwaden aus
       Pyro und Feuerwerken. Vor der Rigaer 83 stehen Verbündete mit einem Transpi
       mit der Aufschrift „Flinta die kämpfen, sind Flinta die leben“.
       
       Von den Balkonen aus werden die Demonstrant*innen mit Konfetti
       beschmückt. Auch die [3][Rigaer 94] sowie das Antifa-Haus in der
       Colbestraße beteiligen sich mit Hupen, Konfetti und Feuerwerk an dem
       Demogeschehen. Nicht nur die Häuser solidarisieren sich, auch Menschen auf
       den Straßen beklatschen und bejubeln die Demo.
       
       Obwohl cis Männer nicht erwünscht sind, wollen sich einige die
       Veranstaltung nicht nehmen lassen: Tausende Polizisten – neben der ein oder
       anderen Quotenpolizistin ausschließlich Männer – begleiten die Demo. Im
       [4][vergangenen Jahr war es zu Prügeleien zwischen Polizei und
       Demonstrant*innen sowie zu kurzzeitigen Festnahmen gekommen].
       
       ## Keine Auseinandersetzungen mit der Polizei
       
       Im Vorfeld der diesjährigen Demo gingen die Organisator*innen davon
       aus, „dass die Bullen in den nächsten Jahren weiter so repressiv und
       aggressiv gegen uns vorgehen werden“. Aber die Polizei scheint aus den
       letzten Jahren gelernt zu haben: Statt wie in den Vorjahren Spaliere zu
       bilden, lassen sie der Demo großen Freiraum und laufen nur vorneweg. Es
       kommt zu keinen Auseinandersetzungen.
       
       Es ist etwa 22.30 Uhr, als die Veranstalter*innen die Demo trotzdem
       eineinhalb Stunden vor dem angekündigten Ende aus „Sicherheitsgründen“ für
       vorzeitig beendet erklären. Der schwarze Block schert aus und verzieht sich
       rasch in die Grünberger Straße, der restliche Demozug bleibt auf der
       Warschauer Straße zurück.
       
       Stundenlang probieren die Organisator*innen vergeblich, die Grüppchen
       wegzuschicken. „Wenn ihr keinen Stress wollt, geht nachhause“, rufen sie
       durch Megafone. Aber die Leute wollen Stress. Ausgestattet mit reichlich
       Bier und Tabak aus den umliegenden Spätis sitzen sie auf der Warschauer
       Straße und singen bis tief in die Nacht „Whose streets? Our streets!“
       
       1 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kampf-gegen-Verdraengung/!6004763
 (DIR) [2] /Hausprojekt-Liebig-34-in-Berlin/!5719147
 (DIR) [3] /Rigaer94/!t5320642
 (DIR) [4] /Walpurgisnacht-in-Berlin/!5928485
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lilly Schröder
       
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