# taz.de -- Bau des Brenner-Basis-Tunnels: Ganz tief drinnen im Berg
       
       > Der Brenner-Basistunnel ist das größte europäische Verkehrsprojekt. Er
       > soll die Alpen massiv von Straßenverkehr entlasten.
       
 (IMG) Bild: Die ersten Züge sollen 2034 durch den Tunnel fahren
       
       FRANZENSFESTE/INNSBRUCK taz | „Ein Projekt, das verbindet“, lautet der
       Schriftzug über den beiden großen Löchern, die zu Halbkreisen geformt sind
       und in den Berg hineinführen. Und: „Hier entsteht der
       [1][Brenner]-Basistunnel.“ Es ist der südliche Eingang in Südtirol rein in
       die Röhre, die durch die Alpen gebohrt wird und nach 64 Kilometern in
       Österreich wieder herauskommt, bei Innsbruck. Hier, beim Ort Franzensfeste,
       ist das Südportal, auf Italienisch heißt es: „Portal Sud Fortezza“. Eine
       Statue der heiligen Barbara darf nicht fehlen, sie ist Schutzpatronin der
       Bergleute.
       
       „Ein Jahrhundertwerk“ nennt es Martin Ausserdorfer an diesem Ort mit seinen
       Tälern und Bergen, mit den vielen Apfelbäumen und Weinstöcken. Der
       42-Jährige ist ein zupackender Typ, er leitet die sogenannte
       Beobachtungsstelle des Brenner-Basistunnels. Diese ist vor allem
       Ansprechpartner für die Bevölkerung. Aussendorfer organisiert gerade den
       diesjährigen „Tag des offenen Tunnels“, am 8. Juni werden wieder tausende
       Menschen kommen, schauen und eine Zeit lang selbst in diese ganz andere,
       neue Welt unter den Bergen gebracht werden.
       
       Der Tunnel ist das größte europäische Verkehrsprojekt. Im Jahr 2032 oder
       mit einer gewissen Bauverzögerung 2034 – genau weiß man es noch nicht –
       sollen die ersten Züge durchfahren. Die einen sollen die Lkws aufladen,
       die sonst die Brennerautobahn verstopfen. Die anderen werden Personen
       befördern, welche dann auf dem Weg in den Süden oder zurück lieber die Bahn
       als das Auto nehmen.
       
       Die Fahrtzeit von Innsbruck nach Bozen in Südtirol würde nicht wie bisher 2
       Stunden dauern, sondern 45 Minuten. Und die große Strecke von München nach
       Verona wäre in 3 Stunden bewältigt, jetzt sind es mit der schnellsten
       Zugverbindung 5 Stunden und 22 Minuten. Mit dem Pkw weiß man nie, wie lange
       es dauert – im Stau können es auch mal 10 Stunden sein. Die Alpen werden
       mit dem Tunnel massiv von Lärm und verstopften Straßen entlastet. Jetzt ist
       die Brennerstrecke am Limit: 2,5 Millionen Lkws fahren im Jahr über die
       Autobahn und 14 Millionen Pkws.
       
       In den beiden Tunnelröhren in Franzensfeste ist es kalt. Sie sind an die
       acht Meter hoch, Menschen wirken darin recht klein. „Wenn es fertig ist,
       sieht man von außen nicht viel vom Tunnel“, sagt Julia Gruber, Südtiroler
       Sprecherin der grenzüberschreitenden Betreibergesellschaft für den
       Tunnelbau, der Brenner Basistunnel BBT SE. Diese wird von Italien und
       Österreich getragen. Das Gelände davor, das jetzt aus hellem Schotter
       besteht, werde begrünt. „Und es kommt ein Fußballplatz hin.“
       
       Kann ein solches Megaprojekt gelingen? Ohne größere Widerstände, mit nicht
       sehr viel zeitlicher Verzögerung und einer gewissen Erhöhung der Kosten,
       aber keiner Explosion? Man war von 9 Milliarden Euro ausgegangen, jetzt
       schätzt man 10,5. Die Erfahrungen in Deutschland mit vergleichbaren
       Vorhaben sind desaströs – siehe Stuttgart 21, den Berliner Flughafen oder
       die zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke.
       
       Die Südtiroler und auch die Österreicher scheinen da Rezepte zu haben. „Es
       sind viele kleine Dinge, die die Menschen stören“, sagt Aussendorfer, „man
       muss da sensibel sein und auf Augenhöhe sprechen, nicht von oben herab.“ Er
       hat ein Beispiel: Ein Bauer kam wegen einer BBT-Baustelle nicht mehr auf
       seine Wiese. „So etwas lässt sich lösen, muss gelöst werden.“ Er, der sich
       als „gute Seele und Watschnmann“ sieht, sagt: „Ich kenne hier jeden.“
       
       In der trutzigen Festung Franzensfeste wird Kunst gezeigt – und in mehreren
       Räumen gibt es den „BBT-Infopoint“. Dessen Leiter Heinz Tschigg meint: „Es
       gibt kaum einen Südtiroler, der noch nicht hier war.“ Auch viele Urlauber
       kommen, um sich anschaulich über die Geschichte des Brenners zu
       informieren, die von den Alpenüberquerungen durch die Römer bis zum BBT
       reicht.
       
       Zehn Kilometer im Norden in Mauls ist derzeit die größte BBT-Baustelle.
       Helm, Warnweste und Sicherheitsstiefel sind Pflicht, rein in den Tunnel.
       Bei schummrigem Licht fährt man lang durch die Röhren. Es gibt viele
       Abzweigungen vom einen in den anderen Tunnel, Abkürzungen, da würde man
       sich leicht verfahren. Man gelangt zu dem großen, hallenartigen Ort, den
       sie „die Kathedrale“ nennen. Es ist ein Knotenpunkt mit einer 20 Meter
       hohen Decke. Arbeiter laufen umher, Baumaterial ist gelagert, mehrere Lkws
       sind abgestellt. Das Förderband rasselt, auf ihm werden die vielen Tonnen
       Gesteinsbrocken nach draußen transportiert, die beim Bohren und Sprengen
       immer tiefer hinein in den Berg anfallen.
       
       ## Besuch von der Tunnelpatin
       
       Weiter Richtung Norden, in die Nähe von Innsbruck, wo der Tunnel endet oder
       beginnt – je nach Fahrtrichtung. In der Sillschlucht wird fleißig
       gewerkelt. BBT-Sprecher Andreas Ambrosi redet über eine 200 Meter lange und
       9 Meter hohe Stützwand, 130 Meter Vortunnel und zwei
       Eisenbahnüberführungen. Per Gesetz wurden viele ökologische Vorschriften
       gemacht: Naherholungsgebiet, Fische können ungestört schwimmen, eine neue
       Surferwelle, eine Fußgängerbrücke.
       
       Unweit davon, in Steinach am Brenner, gibt es auch ein schönes neues
       Gebäude mit einer Ausstellung – die „Tunnelwelten“. 10.000 Besucher kommen
       im Jahr. Der Tunnel wird zur öffentlichen Angelegenheit. Davor steht der
       „Günther“. Das ist der gewaltige Bohrkopf der ersten Tunnelbohrmaschine von
       2015, er hat einen Durchmesser von 8 Metern und hatte einen Bohr-Weltrekord
       aufgestellt: 61,04 Meter in 24 Stunden.
       
       Zum Günther sind Maria Lorenzatto und Florian Riedl gekommen. Die
       Förderschullehrerin war bis vor Kurzem Tunnelpatin, ehrenamtlich hat sie
       sich um die Arbeiter des Bauabschnitts H52 gekümmert. „Einmal im Monat bin
       ich mit einer Jause runter zu ihnen, wir haben gegessen und getrunken.“ Den
       Bergleuten hat es gefallen, „alle sind gekommen“. Jetzt ist H52 fertig.
       Riedl ist Bürgermeister von Steinach mit seinen 4.000 Einwohnern und gehört
       der konservativen ÖVP an. Er spricht vom „Verkehrskollaps hier“ und sagt:
       „Wir brauchen alles, was Entlastung schafft.“
       
       In Bayern soll der Nordzulauf zum Tunnel entstehen, damit die Züge auch
       schnell gen München kommen. Gern hätte man auch angeschaut, was sich da tut
       von Kufstein über Rosenheim nach München.
       
       ## Problem Bayern
       
       Doch das Projekt scheint über viele Jahre von etlichen von der CSU
       gestellten Bundesverkehrsministern irgendwie verschlafen worden zu sein.
       Auch vom gegenwärtigen FDP-Ressortchef Volker Wissing ist kaum etwas zu
       hören. Es gibt eine „Aktionsgemeinschaft Brennerbahn“, auf deren Homepage
       zur deutschen Strecke steht: „Im Frühjahr 2015 hat der Dialog des
       Trassenauswahlverfahrens für die Neubaustrecke begonnen.“ Das war es. Die
       Diskussion mit Bürgerinitiativen, die gegen die Neubaustrecke sind, dauert
       an. Der Bundestag soll 2025 über den Bau abstimmen.
       
       Martin Aussendorfer, die gute Seele und der Watschnmann in Südtirol, kann
       das nicht verstehen. Anfangs waren in seiner Heimat 75 Prozent der Bürger
       gegen den Tunnel, jetzt sind 80 Prozent dafür. „Ich bin maßgeblich
       enttäuscht über Bayern“, sagt er, „die sind zehn Jahre zu spät dran.“ Habe
       man den Nordzulauf nicht, dann sei es so, wie wenn man zuerst mit dem
       Ferrari fährt und dann in den Kleinwagen umsteigt. „Das kann man machen,
       es wird aber langsamer.“
       
       Die ersten Züge sollen 2034 durch den Tunnel fahren. Die Fertigstellung auf
       bayerischer Seite wird auf 2040 geschätzt. Frühestens.
       
       25 May 2024
       
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