# taz.de -- Neues Album von Billie Eilish: Vielleicht ist sie die Richtige?
       
       > Und doch keine Crowdpleaserin: Billie Eilish inszeniert ihr neues Album
       > „Hit Me Hard and Soft“ zwischen eingängigen Hooklines und jähen
       > Abgründen.
       
 (IMG) Bild: Immer ein offenes Ohr für gute Hooklines: Billie Eilish
       
       Früher war Billie Eilish ein Pop-Wunderkind. Mit 13 hat sie das Lied „Ocean
       Eyes“ im Netz hochgeladen, es ging viral, das Resultat: ein Plattenvertrag
       – der Rest ist Geschichte. Was die US-Künstlerin bisher angepackt hat, wird
       zu Gold, nein, besser: zu Platin. [1][Ihr Debütalbum „When We All Fall
       Asleep, Where Do We Go?“] von 2019 hat allein in den USA
       Vierfach-Platin-Status erreicht.
       
       Nicht nur ihre Verkaufszahlen sind gigantisch. Neun Grammys, [2][zwei
       Oscars], zwei Golden Globes und zahlreiche weitere Auszeichnungen sprechen
       für sich. Eine so beeindruckende Bilanz können selbst die meisten
       Superstars am Ende ihrer Karriere nicht vorweisen. Billie Eilish hingegen
       ist gerade 22 und zumindest für ihre Fans schon jetzt eine Ikone.
       
       Als sich abgezeichnet hat, dass Album Nummer drei auf dem Weg ist, waren
       Teenies weltweit im Eilish-Fieber. Sie erwarteten von „Hit Me Hard and
       Soft“ vor allem eins: Düsternis. Dazu passt das dunkle Coverfoto, es zeigt
       die Sängerin unter Wasser. Tatsächlich öffnet sich auf dem neuen Album eine
       Gedankenwelt, in der nicht alles rosarot, aber auch nicht zu Tode betrübt
       ist. Seit Veröffentlichung vor einer Woche wurden die zehn Songs des Albums
       allein [3][bei Youtube] bis jetzt jeweils rund 2.2 Millionen mal gestreamt.
       
       Billie Eilish hat erneut [4][mit ihrem Bruder Finneas O’Connell] Songs
       komponiert, die eherne Regeln zu brechen. Die Indie-Flagge wird von der
       US-Künstlerin nicht mehr um jeden Preis hochgehalten. Immer öfter macht
       anschmiegsamer Pop den Weg frei für eine zaghafte Annäherung an den
       Mainstream.
       
       ## Auf keinen Fall wie Swift
       
       Der Beginn des nostalgiegefärbten [5][„L’Amour de ma vie“] hätte auch
       Taylor Swift gut zu Gesicht gestanden. In bester Swift-Manier lässt Billie
       Eilish eine Person direkt wissen, dass sie doch nicht die Liebe ihres
       Lebens ist. Während ihr Gesang an Tiefe gewinnt, klingt er gegen Ende
       verzerrt. Damit schlägt das Stück eine Volte, es driftet zu treibenden
       elektronischen Beats ab und landet abseits vom mittigen
       Swift-Crowdpleasersound.
       
       [6][„Blue“] hat schon deshalb einen Stein im Brett, weil es TripHop mit
       süffig orchestrierten Streicherarrangements verwebt. Hier analysiert Billie
       Eilish das Zerbrechen einer Beziehung: „I thought we were the same / Birds
       of a feather / Now I’m ashamed / I told you a lie / Désolée, mon amour“.
       Trotz solcher Herzschmerzmomente findet sich in den neuen Songs
       Leichtigkeit. Beim tanzbaren [7][„Lunch“], einer Queer-Imagination. [8][Mit
       jugendlichem Leichtsinn] möchte Billie Eilish ein Mädchen zum Mittagessen
       vernaschen. Getrieben von purer Lust? Jein, aus dieser Laune könnte mehr
       werden: „Tastes like she might be the one“.
       
       ## Vorspiel mit Vogelfedern
       
       Mit [9][„Birds of a Feather“] schwört sich Billie Eilish auf ein
       Für-immer-und-Ewig ein: „Birds of a feather / We should stick together, I
       know“. Diese Nummer könnte das Vorspiel zu „Blue“ sein, was dieses
       Hochgefühl plötzlich zur Illusion degradiert. Musikalisch prägt sie
       eingängiger Pop. Eine Akustikgitarre leitet das folkig-introvertierte
       „Wildflower“ ein.
       
       Billie Eilish brilliert als Sängerin, während sie fast schon paranoid um
       ihre Vorgängerin kreist: „But every time you touch me / I just wonder how
       she felt“. Bei [10][„The Dinner“] scheint die Stimme aus der Ferne zu
       kommen, sie windet sich um bedrohliche Beats. In diesem Song versetzt sich
       Billie Eilish in die Rolle eines Stalkers, gegen den sie tatsächlich
       juristisch vorgegangen ist. Richtig gruselig wird es, wenn sie singt: „I
       saw you in the car with someone else and couldn’t sleep / If somethin’
       happens to him / You can bet it was me“.
       
       In dieser Meditation deutet sich an: So schnell wird die Kalifornierin ihre
       Pein nicht abschütteln können. Im Gegenteil: Dieses Trauma schürt bisweilen
       sogar Todesangst. „Skinny“ handelt nicht bloß von der ersten Liebe, dieses
       Lied reicht ziemlich weit – von gesellschaftlichen Erwartungen über
       Schönheitsideale, bis zu Selbstreflexion.
       
       ## Dreampop mit Streicherarrangement
       
       Keinesfalls will sich Billie Eilish einreden lassen, dass Dünnsein
       automatisch glücklich macht. Unbeirrt stellt sie Eigen- über
       Fremdwahrnehmung: „But the old me is still me / And maybe the real me“. Die
       Musik ist ein Hybrid aus Dreampop, gehauchten Worten mit Streicharrangement
       – gut mit Kopfhörern. Mit „Chihiro“ geht es hinein in die Disco, „The
       Greatest“ führt mit analogen Instrumenten in eine emotionale
       Achterbahnfahrt.
       
       Bis Billie Eilish erkennt: „All my love and patience unappreciated.“ In
       „Bittersuite“ idealisiert sie einen Mann in ihren Träumen, sie sehnt sich
       nach einem Stelldichein im Hotel. Eine bittersüße Erfahrung, gekleidet in
       eine Songsuite mit Rhythmuswechseln – mal euphorisch, mal verklärt,
       zwischendurch beinahe unheimlich. Die Musik der zehn Tracks hallt nach,
       weil Billie Eilish einen scheinbar nah an sich heranlässt.
       
       Fast so, als würde sie sich mit einer Freundin über Privates unterhalten.
       [11][Es ist diese Glaubwürdigkeit, die vor allem Gen-Z-Fans] anzieht. Wenn
       Billie Eilish über Liebe, Lust und Menschsein philosophiert, packt sie ihre
       Fans.
       
       Mit ihrem Bruder Finneas bildet sie ein kongeniales Songwriting-Team, das
       nie zu offensichtlich auf Trends schielt. Das Duo bringt in einem Stück so
       viele Ideen unter, wie andere auf einem ganzen Album. Trotzdem wirkt „Hit
       Me Hard and Soft“ nie überladen, es hat die richtige Mischung aus Ekstase
       und Melancholie. Balladeskes und Uptempo gehen ineinander über, die Musik
       fügt sich zum stimmigen Bild.
       
       23 May 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [5] https://youtu.be/am5FI9DkO80?si=xXcz0O2sBFwCQ2_w
 (DIR) [6] https://youtu.be/mZqiawnNCQg?si=yIpmxPt-GEEXwOP4
 (DIR) [7] https://youtu.be/pCgWlgOoDaU?si=JD7Yzw2cnpndt_We
 (DIR) [8] /Neues-Album-von-Billie-Eilish/!5787815
 (DIR) [9] https://youtu.be/1IUCyniCWzg?si=1kocX56BGRZ79txY
 (DIR) [10] https://youtu.be/gDVw1l6QDOg?si=PhV6YIgKHiuTGLMs
 (DIR) [11] /Konzert-von-Billie-Eilish-in-Berlin/!5863109
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dagmar Leischow
       
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