# taz.de -- CO2-Ziele der Ampelregierung: Klimaschutz auf Sand gebaut
       
       > Die Bundesregierung ging davon aus, dass Deutschland seine Klimaziele bis
       > 2030 einhält. Das wird schwierig, sagt ein Expertengremium.
       
 (IMG) Bild: Leere A9: Nach einem Dammbruch im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm war die Autobahn für viele Stunden am Sonntag gesperrt
       
       BERLIN taz | Dieses Frühjahr war das wärmste, das jemals in Deutschland
       registriert wurde. [1][Nach Auswertung der Daten des Deutschen
       Wetterdienstes] war es 3,1 Grad wärmer als im Mittel von 1961 bis 1990. Die
       Periode wird international gerne als Referenzwert herangezogen, um das
       Wetter zu vergleichen.
       
       Dass wärmere Luft wiederum mehr Wasser speichern kann, [2][ist simple
       Physik]: Der Wetterdienst bilanzierte deshalb auch mehrere
       Niederschlagsrekorde zwischen Märzanfang und Juni. Und nach dem schweren
       Weihnachtshochwasser 2023 vor allem im Norden Deutschlands und den
       Überflutungen zu Pfingsten im Saarland und in Rheinland-Pfalz gibt es nun
       im deutschen Süden schon wieder vielerorts ein „HQ 100“ – wie eine
       Jahrhundertflut im Fachdeutsch heißt.
       
       Im Fachdeutsch hat auch der Expertenrat für Klimafragen an diesem Montag
       seine Bewertung für die Klimapolitik der Ampel vorgelegt. Das wichtigste
       Gremium der deutschen Klimapolitik teilte eine Ohrfeige aus: Weder das
       kurzfristige Ziel bis 2030, noch das langfristige bis 2045 haben mit dem
       aktuellen politischen Instrumentarium eine Chance, erreicht zu werden.
       Brigitte Knopf, Physikerin und stellvertretende Ausschussvorsitzende
       konstatiert „Handlungsbedarf“ und zwar vor allem in den Sektoren Gebäude,
       Landwirtschaft und Verkehr.
       
       Für sein [3][„Gutachten zur Prüfung der Treibhausgas-Projektionsdaten
       2024“] arbeitet der Expertenrat mit sogenannten „Prognosedaten“ des
       Umweltbundesamtes. Nach diesen könnte Deutschland sein Klimaziel 2030 zwar
       knapp schaffen. „Die Projektionsdaten gehen aber von falschen
       Voraussetzungen aus“, erklärte der Ausschussvorsitzende Hans-Martin
       Henning. Beispielsweise rechne das Umweltbundesamt mit
       Milliardeninvestitionen aus dem Klima- und Transformationsfonds, die es
       nach dem [4][Gerichtsurteil zum Haushaltsstreit] im vergangenen Jahr gar
       nicht mehr gibt.
       
       ## Das Klimaschutzgesetz hat die Ampel zuletzt verwässert
       
       Gesetzlich hat sich Deutschland verpflichtet, seine Treibhausgas-Produktion
       bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent unter das Niveau von 1990 zu reduzieren.
       Und bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden. Das aktuelle deutsche
       Klimaschutzgesetz besitzt drei Kernelemente: Erstens das sogenannte
       Klimaschutzprogramm, also konkrete politischen Maßnahmen, um
       sicherzustellen, dass jeder einzelne Sektor seine Emissionen senkt.
       Zweitens gibt es diesen Expertenrat, der regelmäßig prüft, ob das
       Regierungshandeln ausreicht. Falls dem nicht so ist, gibt es drittens
       Sofortprogramme, zu denen die einzelnen Ministerien verpflichtet sind, wenn
       in ihrem Bereich nicht genügen Treibhausgase eingespart werden.
       
       Im vergangenen Herbst hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
       die Bundesregierung verurteilt, [5][„gesetzeskonforme
       Klimaschutz-Sofortprogramme in den Sektoren Gebäude und Verkehr“] auf den
       Weg zu bringen. Denn hier sei die Ampel-Politik mangelhaft, so das Gericht.
       Passiert ist allerdings noch nichts: Klimaschutzminister Robert Habeck
       (Grüne) ging gegen dieses Urteil für mehr Klimaschutz vor das
       Bundesverwaltungsgericht in Revision.
       
       [6][Im Mai hatte das Gericht dann die Bundesregierung verurteilt,
       konkretere Klimaschutzprogramme vorzulegen]. Ausschussvize Brigitte Knopf,
       die als Zeugin geladen war, illustrierte, dass aus Maßnahmen wie „Stärkung
       des öffentlichen Nahverkehrs“ nicht abzulesen sei, wie viel Treibhausgas
       dadurch eingespart werden kann. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe.
       
       Zwar hat die Ampelregierung ein neues Klimaschutzgesetz auf den Weg
       gebracht, das die Sektorengrenzen aufgehoben hat. Hans-Martin Henning
       fordert aber dennoch ein Nachsteuern: „Je später zusätzliche Maßnahmen
       beschlossen werden, umso wahrscheinlicher wird das Klimaziel verfehlt.“
       
       3 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2024/20240531_deutschlandwetter_fruehjahr2024_news.html;jsessionid=043AFE5CB8FFBD16F6F5855C437C434B.live31094?nn=16210
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Clausius-Clapeyron-Gleichung#Praktische_Bedeutung
 (DIR) [3] https://expertenrat-klima.de/content/uploads/2024/06/ERK2024_Sondergutachten-Pruefung-Projektionsdaten-2024.pdf
 (DIR) [4] /Urteil-des-Bundesverfassungsgerichts/!5973169
 (DIR) [5] https://www.berlin.de/gerichte/oberverwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2023/pressemitteilung.1391003.php
 (DIR) [6] /Klimaklage-der-Deutschen-Umwelthilfe/!6007820
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nick Reimer
       
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