# taz.de -- +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Meuterei von rechts in Gaza
       
       > In einem Video hatte ein Mann mit massenhafter Befehlsverweigerung
       > gegenüber dem israelischen Militär gedroht. Nun wurde er festgenommen.
       
 (IMG) Bild: Nur auf Netanjahu (l.) wolle er hören, nicht auf den Armeechef oder Verteidigungsminister Gallant (r.) – so der Putschist im Video
       
       Im Zusammenhang mit einem Video, in dem ein als Soldat gekleideter Mann mit
       einer Meuterei gegen den israelischen Verteidigungsminister Joaw Galant
       gedroht hat, ist es nun zu einer Festnahme gekommen, teilte das israelische
       Militär mit.
       
       Das zweiminütige [1][Video] des Mannes sorgt in Israel bereits seit Freitag
       für Aufruhr: Ein maskierter Mann mit Maschinengewehr in der Hand gibt sich
       als Reservist des israelischen Militärs aus und richtet von einem
       verlassenen Haus aus, möglicherweise in Gaza, eine Botschaft an
       Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
       
       Darin droht der Mann mit massenhafter Befehlsverweigerung, sollte die
       Regierung keinen „totalen Sieg“ über die Hamas verfolgen und die Kontrolle
       über den Gazastreifen an die Hamas oder die Palästinensische
       Autonomiebehörde übergeben. „100.000“ Reservisten würden sich weigern, sich
       den Befehlen von Armeechef Herzl Halevi oder Verteidigungsminister Joaw
       Gallant zu unterwerfen.
       
       „Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, das Video ist für Sie“, sagt der
       Mann in dem Video: „Wir Reservisten haben nicht die Absicht, die Schlüssel
       an irgendeine palästinensische Behörde zu übergeben – weder an die Hamas
       noch an die Fatah noch an eine andere arabische Organisation. Die
       Reservisten stehen hinter Ihnen, und wir wollen gewinnen.“ Außerdem
       forderte er Gallant zum Rücktritt auf.
       
       Der Sohn des Ministerpräsidenten, Jair Netanjahu, teilte das Video. Später
       erklärte das Büro seines Vaters, Netanjahu weise „unverhohlene Aufrufe zum
       Ungehorsam zurück“. Nicht zum ersten Mal geht ein Hetzvideo israelischer
       Soldat*innen viral. Das israelische Militär leitete eine Untersuchung
       ein – möglicherweise eine Veränderung der bisherigen laxen Praxis. (taz)
       
       ## Hamas greift Tel Aviv an
       
       Der bewaffnete Flügel der Hamas, die Al-Kassam-Brigaden, hat eigenen
       Angaben zufolge einen „großen Raketenangriff“ auf Tel Aviv gestartet. Dies
       geht aus einer Erklärung der Gruppe auf einem Telegram-Kanal hervor. Der
       Grund wurde nicht unmittelbar bekanntgegeben.
       
       Aus Rafah im Süden des Gazastreifens sind nach Angaben der israelischen
       Armee mindestens acht Raketen auf Israel abgefeuert worden. Einige der
       Geschosse, die auf das Landesinnere zielten, seien abgefangen worden,
       teilte die israelische Luftabwehr am Sonntag mit. Auch ein Reporter der
       Nachrichtenagentur AFP im Gazastreifen beobachtete, dass mehrere Raketen
       aus Rafah abgefeuert wurden.
       
       In Tel Aviv und im Zentrum Israels wurden die Bewohner mit Sirenenalarm
       aufgefordert, Schutz vor den Raketen zu suchen, wie AFP-Journalisten
       berichteten. Es war der erste Raketenalarm in der Region seit Monaten. Aus
       dem Zentrum des Landes wurden mindestens drei Explosionen gemeldet.
       
       Der bewaffnete Arm der Hamas erklärte, er habe einen „großen Schwall
       Raketen“ auf die israelische Metropole Tel Aviv abgefeuert. Es handele sich
       dabei um eine Reaktion „auf die zionistischen Massaker gegen Zivilisten“,
       hieß es in der Erklärung der Essedin-al-Kassam-Brigaden. (afp/rtr)
       
       ## Verhandlungen über Waffenruhe und Geiselaustausch sollen wieder
       aufgenommen werden
       
       Die im Gaza-Krieg festgefahrenen Verhandlungen über eine Geiselfreilassung
       und Waffenruhe werden Medienberichten zufolge möglicherweise kommende Woche
       wieder aufgenommen. Die Unterhändler der USA, Israels und Katars hätten
       sich am Ende ihres Treffens in Paris auf einen Neustart der Gespräche im
       Verlauf der nächsten Woche geeinigt, berichtete die „Times of Israel“ am
       Samstagabend unter Berufung auf einen israelischen Beamten. Es gebe „neue
       Vorschläge“. Auch US-Beamte hätten von Fortschritten bei den Bemühungen um
       eine Wiederaufnahme der indirekten Verhandlungen gesprochen, es gebe aber
       noch keinen Termin, meldete das US-Nachrichtenportal „Axios“.
       
       Derweil setzt Israels Armee die Kämpfe im Gazastreifen fort –
       [2][ungeachtet der Aufforderung des Internationalen Gerichtshofs (IGH)],
       den Einsatz in Rafah im Süden des Küstenstreifens sofort zu beenden.
       Entscheidungen des Gerichts sind bindend. Allerdings besitzen die
       UN-Richter keine Machtmittel, um einen Staat zur Umsetzung zu zwingen. Mit
       der Entscheidung entsprach das Weltgericht einer Forderung Südafrikas.
       Israel verweist weiterhin auf sein Recht zur Selbstverteidigung. (dpa)
       
       ## Übergang Kerem Schalom für Hilfslieferungen geöffnet
       
       Erstmals seit einer Vereinbarung zwischen Ägypten und den USA sind
       Hilfslieferungen für den Gazastreifen von dem gesperrten ägyptischen
       Rafah-Übergang über den israelischen Übergang Kerem Schalom umgeleitet
       worden. Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News berichtete
       am Sonntag, 200 Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern seien von Rafah nach
       Kerem Schalom gefahren, die Einfahrt in den blockierten Gazastreifen habe
       begonnen. Auch vier Lastwagen mit Treibstoff seien Teil des Transports.
       
       Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte sich in einem Gespräch
       mit seinem US-Kollegen Joe Biden verständigt, die Lieferung humanitärer
       Hilfe, die von den Vereinten Nationen bereitgestellt werde, über den
       Grenzübergang Kerem Shalom „vorläufig“ zuzulassen.
       
       Der Grenzübergang nach Ägypten in Rafah wurde vor rund drei Wochen nach der
       Übernahme der palästinensischen Seite durch Israels Armee geschlossen. Der
       Übergang Kerem Schalom zwischen Israel und dem Gazastreifen liegt nahe der
       Stadt Rafah und der ägyptischen Grenze.
       
       [3][Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim
       Khan,] hatte dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und
       Verteidigungsminister Joav Galant unter anderem vorgeworfen, für das
       Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung verantwortlich zu
       sein. Er beantragte Haftbefehle gegen die beiden israelischen
       Spitzenpolitiker sowie gegen drei Hamas-Anführer. (dpa)
       
       ## Massenproteste gegen Netanjahu in Israel
       
       Unterdessen kam es Samstagnacht in mehreren Städten in Israel erneut zu
       Massenprotesten gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin
       Netanjahu. Wie die „Times of Israel“ berichtete, forderten die
       Demonstranten den Rücktritt von Netanjahu, vorgezogene Wahlen und eine
       Einigung über die Freilassung der von der islamistischen Hamas in Gaza
       festgehaltenen Geiseln. Bei einer zentralen Kundgebung in Tel Aviv mit nach
       Angaben der Organisatoren mehr als 80 000 Teilnehmern sei es zu Festnahmen
       gekommen, hieß es.
       
       Die Protestierenden warfen Netanjahu vor, vor dem Überfall der Hamas am 7.
       Oktober im israelischen Grenzgebiet Warnungen ignoriert zu haben. Zudem
       machten sie ihn für das Schicksal der noch mehr als hundert Geiseln
       verantwortlich. Wenn die Regierung jetzt keine Einigung über ihre
       Freilassung erziele, „wird Israel letztendlich gezwungen sein, den Krieg
       ohne die Rückkehr der Geiseln zu beenden“, zitierte die Zeitung eine
       Angehörige der Entführten. (dpa)
       
       ## US-Anlegestelle für Gaza-Hilfe durch Seegang beschädigt
       
       Unterdessen haben hohe Wellen und stürmischer Seegang die vor gut einer
       Woche fertiggestellte provisorische Anlegestelle für humanitäre Lieferungen
       in den Gazastreifen beschädigt. Wegen des Seegangs hätten sich vier an der
       Mission beteiligte US-Militärschiffe aus ihrer Verankerung gelöst, teilte
       das für den Nahen Osten zuständige US-Regionalkommando (Centcom) mit. Zwei
       der Schiffe ankerten nun am Strand nahe dem temporären Pier vor dem
       Gazastreifen. Die beiden anderen seien vor der israelischen Küste bei
       Aschkelon gestrandet. Die Stadt liegt rund 15 Kilometer von Gaza entfernt.
       Das israelische Militär helfe bei der Bergung aller vier Schiffe, hieß es
       in der Mitteilung. US-Soldaten würden den Gazastreifen nicht betreten. Es
       gebe keine Verletzten und der Pier sei weiter funktionsfähig. (dpa)
       
       ## Israels Armee dementiert Gefangennahme eigener Soldaten durch Hamas
       
       Behauptungen der Hamas, sie hätten am Samstag bei Kämpfen in Dschabalia im
       Norden des Küstengebiets israelische Soldaten gefangenen genommen, wies die
       israelische Armee in der Nacht zum Sonntag umgehend als falsch zurück. Man
       stelle klar, „dass es keinen Vorfall gibt, bei dem ein Soldat entführt
       wurde“, hieß es in einer kurzen Mitteilung der israelischen Streitkräfte
       auf Telegram. Zuvor hatte die Armee mitgeteilt, in Dschabalia Dutzende
       feindliche Kämpfer, teils im Nahkampf, teils durch gezielte Luftangriffe
       getötet zu haben. Die israelischen Truppen zerstörten demnach außerdem
       Raketenabschussstellungen und Tunnelschächte und fanden eine große Zahl an
       Waffen.
       
       Auch in Rafah im Süden Gazas hatten israelische Soldaten erneut mehrere
       palästinensische Bewaffnete getötet, die zuvor auf die Israelis geschossen
       hatten, wie die Armee am Samstag mitteilte. Zudem habe man in Rafah weitere
       Waffenlager und Tunnelschächte gefunden. Keine der Angaben ließ sich
       zunächst unabhängig überprüfen.
       
       ## CSU-Generalsekretär kritisiert Robert Habeck scharf für Vorwurf des
       Völkerrechtsbruchs
       
       CSU-Generalsekretär Martin Huber hat Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) für
       seinen Vorwurf des Völkerrechtsbruchs an Israel scharf kritisiert. „Die
       Aussagen von Robert Habeck sind unfassbar und beschämend“, sagte Huber der
       Deutschen Presse-Agentur. Der Wirtschaftsminister gieße „Öl ins Feuer der
       ohnehin schon antisemitisch aufgeheizten Stimmung in Deutschland.“
       
       Habeck hatte Israels Vorgehen im Gaza-Krieg zuvor ungewöhnlich deutlich
       kritisiert. „Selbstverständlich muss Israel sich an das Völkerrecht halten.
       Und die Hungersnot, das Leid der palästinensischen Bevölkerung, die
       Angriffe im Gazastreifen sind – wie wir jetzt auch ja gerichtlich sehen –
       mit dem Völkerrecht nicht vereinbar“, sagte der Wirtschaftsminister am
       Samstag in einem Gespräch mit Bürgern beim Demokratiefest in Berlin. „Das
       heißt, es ist in der Tat so, dass Israel dort Grenzen überschritten hat,
       und das darf es nicht tun.“ Bisher hatte die Bundesregierung lediglich die
       Erwartung an Israel geäußert, sich im Gaza-Krieg an das Völkerrecht zu
       halten. Der Vorwurf des Völkerrechtsbruchs ist neu.
       
       [4][Huber warf Habeck vor, damit „das Narrativ der Hamas und der
       Israel-Hasser“ zu bedienen. Seine Vorwürfe grenzten an Täter-Opfer-Umkehr.]
       „Er reiht sich damit ein in die antiisraelischen Propagandisten des linken
       Antisemitismus. Dieser darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben“,
       sagte der CSU-Generalsekretär.
       
       26 May 2024
       
       ## LINKS
       
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