# taz.de -- Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine: Her mit der Partnerschaft
       
       > Die Zukunft der Ukraine hängt von ihrer wirtschaftlichen Regeneration ab.
       > Auch für Europa ist der Wiederaufbau des EU-Beitrittskandidaten wichtig.
       
 (IMG) Bild: So sieht es aus, wenn Russland die Ukraine bombardiert: ein zerstörtes Haus in Luhansk
       
       In den vergangenen Wochen betrieb Russland die Bombardierung der Ukraine
       mit einer Härte, wie sie seit den ersten Tagen der Invasion nicht zu
       erleben war. So ist die Ukraine weiterhin einer existenziellen Bedrohung
       ausgesetzt. Dörfer, von denen einige erst vor Kurzem wieder einen
       Stromanschluss erhalten hatten, werden mit Drohnen und Bomben angegriffen.
       Und doch sollte die in dieser Woche am 11. und 12. Juni in Berlin
       stattfindende Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine ihr Hauptaugenmerk
       nicht darauf richten, das Zerstörte zu reparieren, sondern die Gesellschaft
       zu stärken, um einen Sieg gegen Russland zu erringen.
       
       Könnte die Ukraine weitere Zerstörungen abwenden, wären großflächige
       Wiederaufbaumaßnahmen weniger notwendig. Die Verzögerungen der Militärhilfe
       hatten verheerende Folgen, die Einschränkungen für den Einsatz der
       gelieferten Waffen stellen für die Ukraine dabei zusätzliche Belastungen
       dar. Die russischen Angriffe gelten zunehmend nicht nur der Frontlinie,
       sondern auch wichtigen Infrastruktureinrichtungen im ganzen Land. Gebäude
       und Straßen lassen sich reparieren, und die Menschen in der Ukraine sind
       mittlerweile Spezialisten darin, dies auch schnell anzupacken. Darüber
       hinaus ist jedoch Widerstandsfähigkeit essenziell. Ohne tragfähige
       Gesundheits-, Bildungs- und Energiesektoren, die die Wirtschaft und die
       Bevölkerung über Wasser halten, hat das Land keine Chance gegen solche
       Angriffswellen.
       
       Auf der Berliner Konferenz sollte daher bekräftigt werden, dass die
       Unterstützung der Ukraine nicht ausschließlich ein finanzieller und
       militärischer Prozess sein kann. Es braucht eine vielschichtige
       Partnerschaft, die Gemeindegruppen, zivilgesellschaftliche Organisationen,
       Wirtschaftsverbände, regionale und städtische Bildungsinitiativen und
       andere miteinbezieht. Von den Menschen in den [1][am stärksten betroffenen
       Gemeinden in der Ukraine,] die während der Kriegsjahre bereits Anpassungen
       und Erneuerungen vorgenommen haben, lässt sich lernen, wie die Ukraine
       zusammen mit ihren Verbündeten dem Frieden näherkommen könnte. Bei diesen
       Schritten spielen die kleinen und mittleren Unternehmen des Landes eine
       zentrale Rolle – sofern sie solide Finanzierungsquellen zur Hand haben.
       
       In den [2][Straßen von Kyjiw] und anderen Großstädten wird das Rattern der
       Generatoren immer lauter, da die Stromausfälle länger und häufiger werden.
       In wärmeren Monaten mag das tolerierbar sein, doch im Winter wird es
       unerträglich werden. Um eine humanitäre Katastrophe zu vermeiden, braucht
       die Ukraine ein viel [3][flexibleres und dezentraleres Stromnetz]. Ein
       Netzwerk kleinerer, über das ganze Land verteilter Kraftwerke wäre weniger
       anfällig für russische Angriffe. Engagierte ukrainische Privatunternehmen
       aus dem Energiesektor sind dazu in der Lage, haben aber trotz
       eindrucksvoller Erfolgsbilanz noch immer Schwierigkeiten, Kapital und
       Versicherungen anzuwerben. 2023 wurde das Windkraftwerk Tyligulska, das
       einhundert Kilometer von der [4][Frontlinie in Mykolajiw] entfernt liegt,
       in Betrieb genommen. Es erzeugt nun genug Strom für 200.000 Haushalte.
       
       ## Enthusiasmus für eine demokratische Zukunft
       
       Entscheidend für das Überleben der Ukraine ist die Stabilisierung ihrer
       demokratischen Strukturen, die trotz großer Herausforderungen weiterhin
       stark sind. Der [5][Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency
       International führte die Ukraine im vergangenen Jahr als einen der sich
       weltweit am besten entwickelnden Staaten].
       
       Für jedes andere Land auf der Welt wäre dies eine bemerkenswerte Leistung,
       insbesondere wenn es sich im Krieg befindet. Selbst unter den schwierigen
       Kriegsbedingungen ist die ukrainische Gesellschaft mehrheitlich davon
       überzeugt, dass die Demokratie das bessere Regierungsmodell ist als eine
       Führung mit „starker Hand“. Dieser Enthusiasmus für eine demokratische
       Zukunft unterscheidet die Ukraine deutlich vom russischen Totalitarismus.
       Die auf dem Weg zum EU-Beitritt durchgeführten Reformen übertreffen sogar
       jene in langjährigen Mitgliedsländern.
       
       Eine Partnerschaft mit der Ukraine beim Wiederaufbau schafft zudem mehr
       Anreize und bessere Chancen, die 6,5 Millionen Geflüchteten für eine
       Rückkehr zu begeistern. [6][Schließlich fliehen die Menschen nicht nur vor
       Raketen], sondern auch vor dem Mangel an Heizung, Strom, Wasser, sanitären
       Einrichtungen. Paradoxerweise wird die Gastfreundschaft der EU gegenüber
       den Vertriebenen gerade von jenen politischen Parteien infrage gestellt,
       die auch der Notlage der Ukraine gegenüber misstrauisch sind. Dabei wäre es
       eine unschlagbare Lösung, um den Migrationsdruck in der gesamten
       Gemeinschaft zu verringern, dafür zu sorgen, dass die Ukraine eine
       lebenswerte Heimat für ihre Bevölkerung bleibt.
       
       ## Regeneration als größtes Potenzial
       
       Die zunehmenden [7][militärischen Rekrutierungskampagnen im Land] zeigen,
       dass sich die Ukraine der Notwendigkeit bewusst ist, ihre Streitkräfte
       aufrechtzuerhalten, aufzustocken, sich selbst zu verteidigen. Die Stärkung
       der ukrainischen Widerstandskraft ist zugleich eine notwendige Investition
       in die globale Sicherheit. In der vergangenen Woche ließ [8][Russland eine
       Bojenlinie entfernen, die die Grenze zu Estland] markierte. Solche
       provokativen Aktionen sind häufig Vorläufer weiterer Schritte und erinnern
       daran, dass Nato-Länder als Nächstes in die Schusslinie geraten könnten,
       sollte Moskau in der Ukraine die Oberhand gewinnen.
       
       Letztlich wird die Ukraine erfolgreich sein, wenn ihre Bevölkerung selbst
       über ihre Zukunft bestimmt. Was nützt es, eine Brücke zu reparieren, wenn
       niemand da ist, der sie überquert? Wozu neue Schulen bauen, wenn sie ohne
       Lehrer oder Schüler bleiben? Das Ziel der Wiederaufbaukonferenz muss sein,
       die ukrainische Nachkriegsgesellschaft zu stärken. In einer Zeit, in der
       politische Kräfte das europäische Projekt zu untergraben versuchen, könnte
       die Regeneration der Ukraine ihr größtes Kapital sein.
       
       11 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Oleksandr Sushko
       
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