# taz.de -- Nachruf auf Klaus Töpfer: Das grüne Gewissen der CDU
       
       > Klaus Töpfer sollte als Bundesumweltminister die Grünen kleinhalten – und
       > sorgte mit seiner unermüdlichen Art als Brückenbauer für echtes Umdenken.
       
 (IMG) Bild: Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister, starb mit 85 Jahren
       
       Mit seiner Bezeichnung als grünes Gewissen der CDU war Klaus Töpfer auch
       mit 81 Jahren nicht wirklich zufrieden. Das sei, so sagte er 2020 im
       [1][Interview mit tazFuturZwei], mehr eine „Konkretisierung der Lücke, die
       in meiner Partei entstanden ist. Es ist mehr ein Arschtritt für andere als
       ein Lob für mich.“
       
       Und doch wird Klaus Töpfer so in Erinnerung bleiben: als konservativer
       Mahner für die Umwelt und die Nachwelt, als Brücke zwischen dem
       ökologischen und dem bürgerlichen Milieu in Deutschland, als Stimme der
       nachhaltigen Vernunft in der Welt und als Anwalt des Globalen Südens.
       
       Als Umweltminister unter Helmut Kohl seit 1987 war der Volkswirt und
       Hochschullehrer Klaus Töpfer, geboren 1938 in Schlesien, heimatvertrieben
       und aufgewachsen in Höxter, zunächst ein umtriebiger Politiker, dem auch
       große Ankündigungen und sensationelle Stunts durchaus lagen – legendär 1988
       sein Bad im Rhein im Neoprenanzug, um zu zeigen, dass dieser nach
       Chemieunfällen und massivem Fischsterben wieder sauber genug zum Schwimmen
       sei, aber eigentlich nur eine verlorene Wette einlöste.
       
       Er trieb die Kreislaufwirtschaft („gelber Sack“) voran, war aber vor allem
       ins Amt gekommen, um die Grünen politisch kleinzuhalten: Ein Jahr nach der
       AKW-Katastrophe von Tschernobyl war die Öko-Partei im Aufwind. Töpfer
       besetzte ihre Themen, wandte sich ebenfalls gegen die Atomkraft, aber schon
       früh auch gegen die fossilen Brennstoffe.
       
       ## Weggelobt – und das Beste draus gemacht
       
       1994 gab er das Amt an Angela Merkel weiter und wurde Bundesbauminister, wo
       er die Planung der neuen Hauptstadt Berlin vorantrieb. Seine CDU-interne
       Gegnerschaft zu Kohl strafte dieser mit Missachtung – Mitarbeiter
       berichteten von monatelanger Funkstille zwischen den beiden Politikern.
       
       Töpfer, für den „Politik die Kunst ist, das Notwendige möglich zu machen“,
       wurde auch deshalb 1998 von Kohl gern weggelobt: nach Nairobi, als Chef des
       [2][UN-Umweltprogramms Unep]. Eine kleine UN-Behörde, unbedeutend,
       unterfinanziert und kurz vor der Abwicklung.
       
       Töpfer machte aus ihr mit preußischer Genauigkeit und seinem sehr deutschen
       Akzent im Englischen einen ernstzunehmenden Akteur im globalen
       Umweltzirkus. Schon 1992 hatte die Konferenz in Rio für Umwelt und
       Entwicklung Töpfer die Augen geöffnet, dass „wir die Armut überwinden
       müssen, wenn wir Stabilität haben wollen“ – auch eine Definition von
       Zukunftsfähigkeit.
       
       In Nairobi ging die Saat auf: Er setzte sich für eben jene Nachhaltigkeit
       ein, die er auf der Rio-Konferenz beschlossen hatte, forderte technische
       Hilfe des Westens, kritisierte den ungebremsten Konsum des Nordens, klagte
       eine soziale Marktwirtschaft auch auf der globalen Ebene ein. Dabei blieb
       er sich als Konservativer treu: Er glaubte an die Kräfte des Marktes und an
       die Aufgabe, die „Schöpfung zu bewahren“.
       
       ## Nachhaltigkeit hoffähig in der CDU gemacht
       
       Klaus Töpfer wurde in den acht Jahren bei der Unep und danach zu einem
       wichtigen Brückenbauer, wie es sie heute in einer zunehmend fragmentierten
       internationalen und nationalen Ordnung nur noch selten gibt: Den
       Industriestaaten redete er ins Gewissen und erinnerte sie an ihre eigenen
       Interessen an sauberer Umwelt, Frieden, nachhaltiger Entwicklung.
       
       In Entwicklungsländern versuchte er, angepasste Technik für die
       Armutsbekämpfung und Umweltschutz zu etablieren, international bemühte er
       sich um Ausgleich. Töpfer hatte entscheidenden Anteil daran, dass Ideen von
       Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit bis weit in CDU-Kreise hoffähig
       wurden.
       
       In Deutschland war Töpfer, der zweimal für das Amt des Bundespräsidenten
       gehandelt wurde, damit der Missing Link zwischen werteorientierten
       Konservativen, die die Klima-Enzyklika von Papst Franziskus lasen, und der
       Ökobewegung, die jünger und radikaler wurde.
       
       ## Optimistisch, trotz aller Widerstände
       
       Er ließ sich in Gremien berufen und suchte auch hier den Ausgleich:
       [3][Ethik-Kommission zum Atomausstieg 2011], Nachhaltigkeitsrat,
       Welthungerhilfe, Thinktanks IASS. Häufig war der charmante Entertainer
       unterwegs, hier ein Händedruck, da ein Witz, dort die Verbindung mit
       anderen Bekannten und ein kurzes Hintergrundgespräch.
       
       Klaus Töpfer, dessen Name von seinen internationalen Gesprächspartnern oft
       wie „Tapfer“ klang, war immer der Meinung: Aufgeben im Kampf um die Zukunft
       sei ein Luxus, den man sich nicht leisten kann. Er blieb optimistisch,
       trotz aller Widerstände, dass die Menschen die schlimmsten Umweltprobleme
       durch Vernunft und Technik lösen könnten.
       
       Er zitierte den Spruch: „Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor 30
       Jahren. Die zweitbeste ist jetzt“. Die Anlehnung an Martin Luthers Wort vom
       Apfelbaum, dem man noch am Tag vor dem Weltuntergang pflanzen sollte, war
       beim gläubigen und praktizierenden Katholiken Klaus Töpfer kein Zufall. Am
       8. Juni ist er nach einem Sturz und kurzer schwerer Krankheit gestorben.
       
       11 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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