# taz.de -- Deutschland gegen Schottland: Jedem Anfang wohnt…
       
       > …viel Skepsis inne: Vor dem EM-Auftaktspiel des DFB-Teams gegen
       > Schottland gibt es mahnende Stimmen, aber auch verhaltenen Optimismus.
       
 (IMG) Bild: Hört's, Burschen, jetzt ist EM! Coach Julian Nagelsmann in Herzogenaurach
       
       Die Sprenger sind aus. Das DFB-Team trottet auf den Rasen und macht sich
       die Schuhe nass. In Wurfweite des Trainingsplatzes liegen [1][die
       Bungalows, in denen sie die EM über wohnen]. Der Platz befindet sich im
       „HomeGround“, so heißt der Adidas-Komplex in Herzogenaurach, genauer in
       „Herzo-Base“, einem eigenen Stadtteil mit dem Charme eines besseren
       Industriegebiets. Die Presse darf an diesem Mittwochvormittag 14 Minuten
       zuschauen, dann werden sie wieder mit E-Bullys von VW ins nahe gelegene
       Medienzentrum gefahren.
       
       Antonio Rüdiger joggt gemeinsam mit Jamal Musiala und Leroy Sane, und
       später beim Jonglieren will der Ball nicht so, wie Rüdiger will. Der
       Verteidiger von Real Madrid legt die Pille ab, während die anderen sie
       weiter fleißig hochhalten. Vielleicht geht ihm diese Finger-Sache durch den
       Kopf. Er hat sich diesmal nicht in muslimischer Kleidung [2][mit dem
       sogenannten Tauhid-Finger] fotografieren lassen, sondern offiziell in
       DFB-Kluft.
       
       Mancherorts wird nun darüber diskutiert, ob das ein stinknormaler
       Fingerzeig ist oder doch irgendwie ein islamistischer, aber wie dem auch
       sei: Im DFB-Team spielt dieser politische Ladedruck keine Rolle. Die
       Mannschaft trainiert eifrig in Franken, um nicht vier Auftaktspiele
       hintereinander bei großen Turnieren zu verlieren. Gegen die Schotten geht
       es am Freitag in der Münchner Arena (21 Uhr, ZDF) um die Wurst. Die
       Aussichten? Tja, schwierig, Toni Kroos jedenfalls sagt: „Es ist unser aller
       Ziel, etwas auszulösen, was dann so ähnlich aussieht wie 2006.“ Man
       erinnert sich: Heim-WM, Jubel, Trubel, Heiterkeit und Durchmarsch bis ins
       Halbfinale.
       
       ## „Wir haben Potenzial“
       
       Aber weil bei dieser zuletzt so labilen Mannschaft nichts sicherer ist als
       die Unsicherheit, warnen die erfahrenen Nationalspieler lieber ein bisschen
       vor zu viel Euphorie. Thomas Müller sagt, man könne vorher viel schwätzen,
       aber bis dato sei noch nichts erreicht. Und Toni Kroos, der am Dienstag im
       Privatjet von Madrid nach Franken geflogen ist, findet: „Es ist nicht so,
       dass man direkt anfangen muss zu fliegen, das sehe ich nicht so. Dennoch
       weiß ich, welches Potenzial wir haben.“
       
       Das hatte auch das Katar-Team. Aber wird dieses Potenzial abgerufen? Findet
       die Mannschaft zusammen? Sind die Führungsspieler endlich in der Lage, so
       formstark wie in ihren Klubs zu agieren? Kann die DFB-Elf die Effektivität
       vorm Tor steigern? „Wir müssen noch einen Tick konstanter werden“, sagt
       Kroos. „Dass wir wieder Fußball spielen können, hat man gesehen.“ Er
       bezieht sich auf die siegreichen Länderspiele im März gegen Frankreich und
       die Niederlande.
       
       Alle beteuern, gut trainiert und voller Vorfreude zu sein. Die Chemie in
       der Mannschaft stimme, und das Trainerteam um Julian Nagelsmann, Sandro
       Wagner und [3][Benjamin Glück leiste solide Arbeit]. Wie substanziell
       solche Aussagen sind, weiß der Beobachter erst nach dem ersten Härtetest
       gegen die Schotten, die ja mittlerweile auch in der Fußballmoderne mit
       klugem Forechecking und flinken Konterattacken angekommen sind.
       
       Folglich sagt Kroos: „Das ist der Typ Mannschaft, mit dem sich die DFB-Elf
       sehr schwer getan hat. Ein sehr, sehr unangenehmer Gegner.“ Aber damit es
       sofort auf dem Platz läuft, will Kroos für seine Mitspieler eine
       Wohlfühlatmosphäre schaffen, sodass jeder seine maximale Leistung abrufen
       kann. „Wir haben große Verantwortung für die Stimmung im Land.“
       
       Diesen Druck wolle er allerdings „genießen“, weil es doch ein Privileg sei,
       im DFB-Trikot aufzulaufen. In seinem Podcast „Einfach mal Luppen“ ließ er
       allerdings durchblicken, dass er einen Besuch beim Finalspiel der Dallas
       Mavericks in der Basketball-Liga NBA dem EM-Lager vorgezogen hätte.
       
       Das Städtchen Herzogenaurach ist wie das ganze Land noch reserviert. Im Ort
       hat eine Apotheke geflaggt, im nahen Haundorf ein Eigenheimbesitzer. Sonst
       ist nicht viel. Auch das Ambiente ist nicht so exklusiv wie jene Absteige
       am Atlantik bei der WM 2014: Das Medienzentrum befindet sich in der Kantine
       „Adidas Halftime“. In Blankenhain, der ersten Station des DFB-Teams, war's
       heimeliger, inspirierender, aber es ist halt so: Nichts Genaues weiß man
       nicht. Noch nicht.
       
       14 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.herzogenaurach.de/entdecken/em-2024?tx_news_pi1%5BoverwriteDemand%5D%5Bcategories%5D=&cHash=5934775d4769b78b6716b09e7821716d
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Tauh%C4%ABd
 (DIR) [3] https://www.dfb.de/maenner-nationalmannschaft/sportliche-leitung/benjamin-glueck/biografie/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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