# taz.de -- Neues Album von Double Deüce: Warmer Schinken und Eis am Stil
       
       > Das erste offiziell gemeinsame Album von Toby Goodshank und Angela
       > Carlucci hat Humor. Seine wärmende Botschaft: The kids are alright.
       
 (IMG) Bild: Angela Carlucci und Toby Goodshank sind Double Deüce
       
       So in etwa hätte es wohl mal im US-Musik-PR-Sprech gelautet: Double Deüce
       sind deine besten Begleiter in globalen Krisenzeiten, selbst wenn sie dich
       dabei mit gezückter Waffe und glockenhellen Stimmen auffordern könnten, all
       deinen Reichtum rauszurücken. Gerade ist „Warm Ham in a Foreign Home“ beim
       Hamburger Label BB*Island erschienen – das erste offiziell gemeinsame
       Album von Toby Goodshank und Angela Carlucci, die seit Jahrzehnten in
       eigenen Projekten und Bands, daneben aber auch als Geschwisterduo Musik
       machen.
       
       Und vielleicht ist jetzt ja die Zeit schlicht reif für dieses funky, folky,
       zuckersüße Beinahe-Dutzend Mitsinglieder in [1][Punk-Länge]. Denn die
       Krisen sind, seit die beiden Anfang der Zweitausender auf der Bühne
       standen, natürlich nur multipler geworden.
       
       Einem längst vergessenen globalen Trauma spürten Double Deüce noch in einem
       Interview zu Beginn der Coronapandemie nach, in dem sie die unfassbare Zahl
       an Menschen beklagen, die der Krankheit zum Opfer gefallen sind. Ob die
       kollektive Verdrängung jener Zeit, Konflikte und Wahnsinn vielerorts
       befeuert haben, wäre eine Betrachtung wert.
       
       Sicher schwingt manche Erschütterung in diesem Album nach. Allerdings sind
       Carlucci und Goodshank denn auch schlicht Meister im Trösten. Unter den
       Antifolkern, wie sie in der Bush-II.-Ära an der [2][New Yorker] Lower East
       Side emporkamen, stach das Duo bereits früher heraus. Niemand vermochte
       derart Hoffnung im Profanen zu finden wie Toby Goodshank und Angela
       Carlucci, notiert Dan Fishback auf der Rückseite des Albums.
       
       ## Sleeping with your mum
       
       Das Duo hat auch nie Nonsens und Gemeinheiten zugunsten einer kuscheligen
       Erzählung eingetauscht. Vor einer ernsthaften Wahlempfehlung oder sonstigen
       Haltungsanweisung – derzeit fast schon erwarteter Normalzustand in der
       [3][Kulturindustrie] – wird lieber wieder über Frischkäse,
       Relativitätstheorie oder Muskelrelaxans sinniert. Wer aus welcher
       Perspektive singt, ist ohnehin nie ganz sicher – „sleeping with your mum“,
       eine dem HipHop entlehnte Ansage an den Gegner? Oder bloß Familienalltag,
       besungen aus Sicht des Vaters?
       
       Double Deüce kanalisieren jene fiebrige Energie, die so wohl nur zwei sich
       sehr nahe stehende Menschen entwickeln können; die eben noch zusammen
       Federball gespielt und danach neuen Unsinn zu weltumspannenden Erzählungen
       verdichtet haben. Ihre Lieder sind ein UND nach dem Eigentlichen. Ein
       Zustand, in dem es immer noch weitergehen kann, wenn man meint, die
       Geschichte sei längst zu Ende (oder das Böse lauere zuverlässig hinter der
       nächsten Ecke).
       
       Der Eintritt ins fremde Zuhause, das nicht das eigene ist und in dem
       trotzdem ganz unverhofft eine Umarmung wartet – im Zweifel eben in Form des
       namengebenden Comfortfoods respektive Rollschinkens, der auch das
       Plattencover ziert. Für dessen fabelhafte Gestaltung zeichnen Carlucci und
       Goodshank, der nebenbei Zeichnungen und Comics ausstellt, selbst
       verantwortlich.
       
       Collagiert darauf abgebildet eine junge Frau, eine Karamellexplosion unterm
       Eis am Stiel, ein Archivbildschinken im Ananas-, Nelken- und
       Cocktailkirschenkleid. In der voll analogen Variante trägt das Vinyl die
       Farbe marmorierter Erdbeersahne – oder, wie es offiziell heißt, watery ham.
       
       15 Jun 2024
       
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 (DIR) Katharina J. Cichosch
       
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