# taz.de -- Protest gegen digitale Bahncard: Servicelücke Schiene
       
       > Entgegen dem Slogan „Mehr Bahn für Alle“ verwehrt die digitale Bahncard
       > Randgruppen den Zugang. Verbände fordern gerechte Teilhabe.
       
 (IMG) Bild: Nicht alle werden mitgenommen
       
       BERLIN taz | Günstiges Reisen bleibt für Kund*innen der Deutschen Bahn
       ohne digitales Kundenkonto eine schwierige Sache. Seit Juni ist die
       Bahncard nicht mehr als Plastikkarte erhältlich – der Konzern setzt auf die
       digitale Variante im „DB Navigator“, der Bahn-App fürs Smartphone. Jetzt
       kritisieren Sozialverbände, dass es für Reisende immer noch keine
       Möglichkeit gibt, die Rabattkarte rein analog zu erwerben.
       
       „Die Deutsche Bahn hält an ihrer Digitalisierung ohne echte Alternative
       fest“, sagt Joachim Hagelskamp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des
       Paritätischen Gesamtverbandes. Zwar betont die Bahn: Kund*innen könnten
       sich ihre Bahncard selbst auf Papier ausdrucken oder in den DB-Reisezentren
       ein ausgedrucktes Ersatzpapier holen, wenn sie keinen Zugang zu einem
       Computer oder Drucker haben.
       
       Damit bleibe die Möglichkeit, günstige Tickets ohne mobiles Endgerät zu
       kaufen, bestehen. „Ein Papierausdruck wäre eine gute Alternative“, findet
       Hagelskamp. Allerdings ist auch für einen solchen Ausdruck ein digitales
       Kundenkonto bei der Bahn mit Mailadresse nötig. „Das ist keine Lösung für
       Offliner“, sagt der Verbandsvertreter – also für Menschen, die nicht im
       Internet unterwegs sind.
       
       Die Bahn hatte im März angekündigt, dass sie die BahnCard 25 und 50 ab dem
       9. Juni dieses Jahres nur noch digital anbieten würde.
       Zivilgesellschaftliche Interessenvertreter schlugen daraufhin Alarm – und
       forderten eine analoge Alternative. Nicht um sich gegen Digitalisierung
       auszusprechen, sondern um allen Menschen in Deutschland Teilhabe und Zugang
       zu preiswerteren Bahntickets zu sichern.
       
       In einem offenen Brief, mitinitiiert von der Bundesarbeitsgemeinschaft der
       Seniorenorganisationen (Bagso), wandten sich die Verbände an Bahnchef
       Richard Lutz und forderten, dass es weiterhin analoge Angebote für die
       Bahncard gibt. Die Initiative Digitalcourage plädierte in einer Petition
       [1][für die Aufnahme eines Rechts auf analoges Leben ins Grundgesetz].
       
       ## Gespart wird beim Service
       
       Die Frage, ob man die Bahncard vollständig analog erwerben könne, verneint
       die Bahn nun eben nach wie vor: Ohne Kundenkonto geht es nicht. Dem
       Sozialverband VdK sagte die DB außerdem, sie wolle die Möglichkeit, sich
       die Bahncard zumindest in den Servicezentren auf Papier ausdrucken zu
       lassen, nicht bewerben – aus Angst vor Überlastung.
       
       Nach Angaben des statistischen Bundesamts waren 2023 gut 5 Prozent der
       Gesamtbevölkerung zwischen 16 und 74 Jahren noch nie im Internet – das
       ergibt rund 3,1 Millionen Offliner, die vom Mobilitätsrabatt der Bahn
       ausgeschlossen bleiben. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagt, die Bahn müsse
       Wege anbieten, [2][auch diesen Menschen günstigeres Reisen mit Bahncard zu
       ermöglichen].
       
       Die Bahn argumentiert damit, dass heute 90 Prozent aller Bahntickets online
       gebucht werden. Allerdings fehlt in dieser Rechnung: Menschen, die keinen
       Internetzugang oder keine Mailadresse haben, bekommen auch [3][keinen
       Zugang zu den Rabatten der Bahncard]. Und nutzen vermutlich alternative
       Transportmittel. Die Zahl potentieller Kund*innen, die der Bahn so flöten
       geht, bleibt eine Dunkelziffer.
       
       Ein weiteres Argument der DB ist, dass die Abkehr von der Plastikkarte
       jährlich 30 Tonnen Plastikmüll spare. „Dagegen ist nichts zu sagen“, meint
       Barbara Stupp, Sprecherin der Bagso. Plastiksparen sei ein gutes Anliegen,
       dürfe aber nicht dazu führen, dass Teile der Bevölkerung ausgeschlossen
       werden. Stupp bemängelt vor allem, dass die Bahn kaum Transparenz über neue
       Regelungen schaffe und offenbar bewusst auf Werbung für Serviceangebote
       verzichte. Auch Informationen über die neue Bahncard seien oft nur online
       zu finden.
       
       26 Jun 2024
       
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