# taz.de -- Die Wahrheit: Kaiserliche Teckel-Trauer
       
       > Kassel, Heimat unseres Kolumnisten, beherbergt den überaus schönen Park
       > Wilhelmshöhe, in dem sich das Grab eines berühmten Dackels befinden soll.
       
 (IMG) Bild: Himmelsstürmer: Die Skulptur von Jonathan Borofsky findet bei den Kasseler Bürgern nach wie vor sehr viel Anklang
       
       Kürzlich fuhr ich mal wieder in meine Heimatstadt Kassel. Diese Ausflüge
       sind für mich eine Art privat-anekdotische Forschungsreise. Am liebsten
       unternehme ich sie mit meiner Tochter. Wir latschen dann so herum und
       labern uns Blutergüsse ans Ohr. Meine Ausführungen spannen den Bogen vom
       Persönlichen zum Allgemeinen, quasi vom Mikro- zum Makrokosmos; meine
       Tochter ist unbelasteter, deswegen ordnet sie die nordhessischen Phänomene
       ohne private Umwege und Befangenheiten direkt in den aktuellen
       kulturwissenschaftlichen Diskurs ein.
       
       So besuchten wir am letzten Wochenende Wilhelmshöhe, den „größten und
       schönsten Bergpark Europas“. Das mit dem „größten und schönsten“ war früher
       Teil der Eigenwerbung Kassels, was nicht unbedingt für die
       Marketingabteilung der Stadt spricht. „Groß“ kann man ja immerhin noch
       irgendwie messen, aber wenn man behauptet, man hätte irgendwas „Schönstes“,
       klingt das immer nach provinziellem Minderwertigkeitskomplex.
       
       Dabei ist der Park tatsächlich so hübsch, dass man gar keinen Superlativ
       braucht. Noch nicht mal einen Komparativ. Einfach spazieren gehen und
       genießen reicht. Diesmal waren wir allerdings auf der Suche nach etwas
       Besonderem, nach dem Grab des einzigen Dackels der Welt, der einen eigenen
       Wikipedia-Eintrag hat: Erdmann, der Lieblingsdackel von Kaiser Wilhelm II.
       
       Der Kaiser verbrachte nämlich gerne einen Teil seiner Sommerfrische auf
       Schloss Wilhelmshöhe und ließ sich dabei von diversen Dackeln begleiten.
       Erdmann aber war ihm wohl der Liebste von allen. Es gibt ein Foto, auf dem
       Wilhelmzwo mit Erdmann auf einer Bank sitzt und beide nachdenklich in die
       Ferne schauen. Man spürt sofort, dass es sich hier um zwei Seelenverwandte
       handelt, weswegen Erdmanns Tod den Kaiser wohl auch tief getroffen hat. So
       tief, dass er einen Grabstein für ihn anfertigen ließ, mit den
       preußisch-knappen, aber in ihrer Kürze umso wuchtigeren Trauer-Worten:
       „Andenken an meinen treuen Dachshund / Erdmann 1890 – 1901 / W. II.“
       
       ## Hessen Kassel Heritage
       
       Die Inschrift kenne ich allerdings nur aus der Literatur. Denn obwohl ich
       gefühlt die Hälfte meiner Kindheit in diesem Park verbrachte, konnten meine
       Tochter und ich Erdmanns Grab auch nach intensiver Suche nicht finden. Beim
       Blitzgoogeln stießen wir aber auf die Info, dass die HKH, die „Hessen
       Kassel Heritage“, regelmäßig einen „Großen Dackelspaziergang“ anbietet, „in
       Erinnerung an Erdmann“. Eine Parkrallye mit zehn Stationen inklusive
       Grabbesuch und in Zusammenarbeit mit dem „Deutschen Teckelklub 1888 e. V.,
       Sektion Kassel“.
       
       Die nächste dieser Veranstaltungen findet am 21. September statt. Ich werde
       dabei sein. Mit irgendeinem Leihhund. Denn erfreulicherweise dürfen nicht
       nur Dackelbesitzer mit ihren Gefährten am Spaziergang teilnehmen. In der
       Ankündigung heißt es vorbildhaft diskriminierungsfrei: „ALLE Hunde sind
       willkommen“.
       
       26 Jun 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hartmut El Kurdi
       
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