# taz.de -- Berichte über den Nahost-Konflikt: Ihre Heiligkeit, die UNO
       
       > UNO-Berichte und die Aussagen von UNO-Experten werden fast nie
       > hinterfragt. Das Beispiel Israel zeigt, warum sich das dringend ändern
       > muss.
       
 (IMG) Bild: Hauptquartier des palästinensischen Hilfswerks UNRWA in Gaza
       
       Die IPC (Integrated Food Security Phase Classification) wurde vergangene
       Woche veröffentlicht, ein [1][Bericht], nach dem es doch keine Hungersnot
       in Gaza gibt. Er korrigierte damit einen früheren [2][Bericht] vom 18. März
       2024. Der hatte eine drohende Hungersnot in Gaza vorausgesagt und mündete
       weltweit in die Nachricht, dass Kinder in Gaza verhungern. Auch die UN
       deklarierten das. Die Nachricht drehte sich weiter: Israel nutze das
       „Aushungern“ als Kriegsstrategie – eine Anschuldigung, die auch die UN
       gegen Israel richteten.
       
       Die Anschuldigung bezog sich vorrangig auf den IPC-Report von März, der nun
       korrigiert wurde. Der erste Bericht erhielt globale Aufmerksamkeit, die
       Korrektur aber nicht. Die UN veröffentlichten am 4. Juni einen
       [3][Kurzbericht], in dem steht: „Im Gegensatz zu den Annahmen, die für den
       Zeitraum März bis Juli 2024 gemacht wurden, wuchs die Menge an Nahrung […]
       stetig, welche die nördlichen Gebiete des Gazastreifens erreichte.“
       
       Wie glaubwürdig sind die UN-Berichte, auf die sich so viele Medien,
       Menschenrechtsorganisationen und Politiker stützen? Diese Frage bewegt
       scheinbar kaum jemanden. Die Zahlen der Toten in Gaza, die in UN-Berichten
       genannt werden, beinhalten auch Hamas-Kämpfer – doch selten wird das
       differenziert dargestellt. Bei der Nennung israelischer Opferzahlen werden
       tote Soldaten hingegen nicht dazugezählt. Vielerorts werden UN-Berichte als
       unbestreitbar zuverlässige Quelle ohne Überprüfung aufgeführt und
       UN-Experten bedenkenlos zitiert.
       
       ## „Jüdische Lobby“ ist schuld
       
       Eklatantes Beispiel: die UN-Sonderbeauftragte für die palästinensischen
       Gebiete, Francesca Albanese. 2014 sprach sie auf einer Veranstaltung von
       einer „jüdischen Lobby, welche die USA in Schach hält“. Auch das Massaker
       vom 7. Oktober rechtfertigte sie – wofür sie scharfe Kritik erntete.
       
       Es handelt sich dabei keineswegs um Einzelfälle, sondern um ein besonders
       schwerwiegendes Beispiel dafür, dass die UN, ihre Beobachter, Mitarbeiter
       und Berichte eben nicht den Heiligen Gral der absoluten Unabhängigkeit
       repräsentieren. Und oft sind sie von den nationalen Interessen ihrer 193
       Mitglieder geprägt, von denen im Jahr 2023 laut dem jährlichen
       [4][Demokratieindex des Economist] lediglich 24 als „vollständige
       Demokratien“ eingestuft wurden. Israel war 2023 übrigens auf der Liste an
       30. Stelle, gleich nach den USA und vor Portugal.
       
       Im Jahr 2023 gab es bei den UN 15 Resolutionen gegen Israel und lediglich
       sieben auf alle anderen Länder verteilt. Es gab keine einzige Resolution
       gegen China, Venezuela, Saudi-Arabien. Das ist ein Muster, das sich durch
       die Jahre zieht: Seit 2015 haben die UN 140 Resolutionen gegen Israel
       verabschiedet, im Gegensatz zu insgesamt 68 Resolutionen gegen alle anderen
       Länder der Welt.
       
       Diese Zahlen spiegeln globale Machtverhältnisse wider: Neben einer Mehrheit
       nicht demokratischer Staaten steht auch eine Mehrheit von rund 50
       muslimischen Staaten, von denen die meisten israelfeindlich sind, einem
       einzigen jüdischen Staat gegenüber.
       
       ## Unfassbar viele Resolutionen gegen Israel
       
       Die UN stehen oft vor einem Dilemma. Durch Rotationsprinzipien übernehmen
       Staaten mit schlimmer Menschenrechtsbilanz den Vorsitz entsprechender Foren
       und machen ihre Arbeit zu einer Farce, so zum Beispiel Iran im Jahr 2023.
       Autoritäre Staaten, die Menschenrechtsverbrechen aufweisen, bringen
       Resolutionen ein.
       
       Die UN sind eben bei Weitem keine „universale Wertegemeinschaft“, wie im
       Traum des Gründervaters Woodrow Wilson vorgesehen. Interessanterweise
       werden sie aber in der globalen Wahrnehmung bezüglich Israel als ebensolche
       gehandelt, wenn ihre Anklagen gegen Israel ungeprüft weiterverbreitet und
       zitiert werden.
       
       Tiefgreifende Probleme mit den UN gibt es auch in anderen Bereichen. Zum
       Beispiel haben sie kürzlich [5][der Forderung der Taliban nachgegeben, auf
       einer Konferenz in Doha keine afghanischen Frauen zuzulassen] und
       Frauenrechte von der Agenda zu streichen. Im Mai berichtete die Deutsche
       Welle, dass Bangladesch Soldaten einer Einheit, die gemordet und gefoltert
       hat, auf Blauhelmmission geschickt hat. Dem Bericht zufolge ist diese
       Praxis keine Ausnahme.
       
       Recherchen, die das Palästinenserhilfswerk UNRWA – die einzige
       UN-Institution, die einer bestimmten Volksgruppe zugeordnet ist – unter die
       Lupe nehmen, findet man dagegen kaum. [6][Was wird an UNRWA-finanzierten
       Schulen gelehrt?] Ein Blick in die Schulbücher zeigt, dass die Ablehnung
       des jüdischen Staats und Antisemitismus dort weit verbreitet sind.
       
       ## UNRWA-Mitarbeiter jubelten auf Telegram
       
       Letzten Montag haben mehr als hundert israelische Opfer und
       Familienangehörige von Opfern des 7. Oktober eine Klage gegen das UNRWA
       eingereicht. Die Anschuldigung, unter anderem: Es erlaube der Hamas, seine
       Einrichtungen als Waffenlager zu nutzen, habe Tunnel und Kommandozentralen
       unter seinen Schulen bauen lassen. Erwiesen ist, dass in einer
       Telegram-Gruppe mit [7][3.000 UNRWA-Mitarbeitern] der Pogrom vom 7. Oktober
       gefeiert wurde und dass einige UNRWA-Mitarbeiter sogar aktiv daran
       beteiligt waren.
       
       Während also an anderer Stelle Kritik geübt wird, Recherchen in Auftrag
       gegeben werden oder Verbrechen aufgedeckt werden, bleibt es meistens, wenn
       es um die Beziehung der UN zu Israel geht, ziemlich still.
       
       Und anstatt die Voreingenommenheit der UN gegen Israels zu hinterfragen,
       wird der Spieß umgedreht. Israel werden Voreingenommenheit und sogar
       Schmähkampagnen gegen die UN vorgeworfen. Und die fehlgeleitete Politik
       des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu befeuert leider
       diesen falschen Vorwurf.
       
       Eine kritische Auseinandersetzung mit den Vereinten Nationen, ihren
       Unterorganisationen und ihrem Personal ist lange überfällig. Es stünde der
       deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, die ihren wertebasierten
       Politikansatz so häufig betont, gut zu Gesicht, den Anfang zu machen.
       
       1 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ipcinfo.org/fileadmin/user_upload/ipcinfo/docs/IPC_Famine_Review_Committee_Report_Gaza_June2024.pdf
 (DIR) [2] https://www.ohchr.org/en/press-releases/2024/06/israeli-authorities-palestinian-armed-groups-are-responsible-war-crimes
 (DIR) [3] https://www.un.org/unispal/document/famine-review-committee-ipc-4jun24/
 (DIR) [4] https://de.statista.com/infografik/20599/economist-democracy-index/
 (DIR) [5] https://www.theguardian.com/global-development/article/2024/jun/21/shutting-afghan-women-out-of-key-un-conference-to-appease-taliban-a-betrayal
 (DIR) [6] https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2021-003199_EN.html
 (DIR) [7] https://unwatch.org/unrwa-terrorgram/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Miriam Dagan
       
       ## TAGS
       
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