# taz.de -- Parlamentswahlen in Frankreich: Alles andere als salonfähig
       
       > Bei den Parlamentswahlen sind unter den Kandidaten von Rassemblement
       > National Rassisten, Antisemiten – und eine frühere Geiselnehmerin.
       
 (IMG) Bild: Jubel bei den Anhängern des Rassemblement National nach dem ersten Wahlgang, egal, wer die KandidatInnen sind
       
       PARIS taz | Seit Jahren versucht Marine Le Pen zu vermeiden, dass
       Mitglieder des Rassemblement National (RN) in der Öffentlichkeit als
       Neonazis, Rassisten, Antisemiten, Sexisten und Homophobe auffallen. Ihre
       Partei, die unter der Führung ihres Vaters Jean-Marie keine solchen
       Berührungsängste hatte, [1][soll „salonfähig“ werden.] Aber längst nicht
       alle RN-Leute, die für einen Abgeordnetensitz kandidieren, passen in dieses
       Bild.
       
       Annie Bell ist dank mehr als 30 Prozent der Stimmen in ihrem Wahlkreis für
       die Stichwahl qualifiziert, obwohl sie in ihrem westfranzösischen Wohnort
       Ernée so gut wie nie als Kandidatin aufgetreten ist. Vielleicht hat sie
       sich mit gutem Grund nicht allzu sehr in den Vordergrund gestellt: Denn die
       Bürgermeisterin erinnert sich, dass diese Frau wegen einer Geiselnahme, bei
       der sie 1995 im Rathaus einen Schuss in die Decke gefeuert hatte, zu einer
       Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. RN-Vizepräsident Louis
       Aliot meinte dazu ziemlich genervt, die Partei könne ja nicht das
       Vorstrafenregister aller Kandidaten überprüfen.
       
       Auch [2][Paule Veyre de Soras] tritt, in einem anderen Wahlkreis desselben
       Departements, zur zweiten Wahlrunde an. Auf die Frage eines Reporters eines
       Lokalblatts zur Fremdenfeindlichkeit des RN meinte sie nach einigem
       Überlegen, das sei „total falsch“. Ihr Beweis: „Ich habe einen Juden als
       Augenarzt, einen Muslim als Zahnarzt!“ Zu diesem fast klassischen
       Gegenargument der Rassisten meinte RN-Sprecherin Laure Lavalette, das sei
       gewiss „sehr ungeschickt“ gewesen, aber die Kandidatin habe halt keinerlei
       Erfahrung im Umgang mit Journalisten.
       
       Etwas zu schnell nominiert wurde wohl auch Thierry Mosca, ein RN-Kandidat
       im Département Jura, der ebenfalls mit mehr als 32 Prozent zur zweiten
       Runde zugelassen ist. Er ist aber aus administrativen Gründen gar nicht
       wählbar, weil er unter Kuratel steht. Und noch vor wenigen Wochen musste
       die Justiz ein Strafverfahren gegen ihn wegen einer verminderten
       Zurechnungsfähigkeit einstellen. Falls er gewählt werden sollte, kann er
       sein Amt nicht antreten.
       
       Ludivine Daoudi musste ihre Kandidatur für die Stichwahl wegen eines online
       publizierten Fotos zurückziehen, auf dem sie stolz eine [3][Uniformmütze
       mit Hakenkreuz] trägt. Als bloß „geschmacklosen“ Scherz wollte das der
       lokale RN-Delegierte abtun. Doch für Marine Le Pen hatte diese
       Ex-Kandidatin in der Normandie eine „rote Linie“ der Verhaltensregeln
       überschritten. Louis-Joseph Pécher ist als Mitglied der konservativen
       [4][Partei Les Républicains] vom RN nominiert worden. Diese Unterstützung
       wurde ihm entzogen, weil er unter einem Pseudonym auf X seinem Judenhass
       und antiarabischen Rassismus freien Lauf gelassen hatte. Für die Stichwahl
       will er trotzdem antreten.
       
       5 Jul 2024
       
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