# taz.de -- Deal mit der US-Justiz: Julian Assange kommt frei
       
       > Überraschender Wendepunkt: Der Wikileaks-Gründer hat London verlassen. Er
       > will sich schuldig bekennen und in seine Heimat Australien zurückkehren.
       
 (IMG) Bild: Assange am Montag an einem Londoner Flughafen. Zunächst sollte das Ziel Nördliche Marianen lauten
       
       WASHINGTON taz | Wikileaks-Gründer Julian Assange und die US-Justizbehörde
       haben eine Abmachung im Strafverfahren erzielt, die es dem 52-Jährigen
       erlauben soll, als freier Mann in seine Heimat zurückzukehren. Dies
       berichteten am Montagabend (US-Ortszeit) übereinstimmend mehrere US-Medien.
       Mit der Einigung geht ein jahrelanger Rechtsstreit zu Ende, der für
       Polarisierung unter der Bevölkerung und unter Experten gesorgt hat.
       
       Wikileaks bestätigte Assanges Freilassung aus einem britischen Gefängnis.
       In einem Post auf X war zu sehen, wie Assange am Londoner Flughafen
       Stansted ein Flugzeug besteigt, um England zu verlassen. Laut Wikileaks
       wurde Assange am Montag aus einem Hochsicherheitsgefängnis in London
       entlassen, in dem er in den vergangenen fünf Jahren einsaß. Es wird
       erwartet, dass er vor einem US-Bundesgericht auf den Nördlichen Marianen –
       einem US-Außengebiet im Westpazifik – erscheint.
       
       Assange soll sich laut den Berichten in einem Anklagepunkt der unerlaubten
       Beschaffung und Veröffentlichung von geheimen US-Militärinformationen
       schuldig bekennen. Für dieses Vergehen soll er eine Gefängnisstrafe von 62
       Monaten bekommen, also genau der Zeit, die er bereits in einem Gefängnis in
       Großbritannien abgesessen hat. Es wird erwartet, dass es noch in dieser
       Woche zu einem Gerichtsverfahren kommt. Danach könnte der gebürtige
       Australier als freier Mann in seine Heimat zurückkehren.
       
       Erst im vergangenen Monat hatte ein Gericht in London entschieden, [1][dass
       Assange seine Auslieferung in die USA weiter rechtlich anfechten kann]. Es
       war das vorerst letzte Kapital in einem Verfahren, das mit der
       Veröffentlichung von geheimen US-Militärinformationen und einem Video,
       welches einen US-Luftangriff im Irak zeigte, vor 14 Jahren begann.
       
       Im Jahr 2019 entzog die ecuadorianische Regierung Assange den
       Flüchtlingsstatus, nachdem er mehr als sieben Jahre in der Botschaft des
       südamerikanischen Landes in London Unterschlupf gefunden hatte. Kurz darauf
       wurde er von den britischen Behörden verhaftet. Die US-Regierung unter
       Ex-Präsident Donald Trump erhob im Mai 2019 dann Anklage gegen Assange. Das
       US-Justizministerium warf ihm vor, maßgeblich an „einem der größten
       Missbrauchsfälle von Geheiminformationen in der Geschichte der Vereinigten
       Staaten“ beteiligt gewesen zu sein.
       
       Journalistenverbände befürchteten Präzedenzfall 
       
       Assange und Wikileaks sollen sich laut der amerikanischen Anklageschrift ab
       2009 aktiv auf die Suche nach geheimen Informationen der US-Regierung
       gemacht haben. Die ehemalige US-Militärgeheimdienst-Analystin Chelsea
       Manning habe daraufhin tausende ihr zur Verfügung stehende
       Geheiminformationen an Wikileaks weitergeleitet. Manning wurde 2010
       verhaftet und zu 35 Jahren Haft verurteilt. Ex-US-Präsident Barack Obama
       setzte die Strafe nach sieben Jahren Haft aus.
       
       Die US-Regierung hatte Assange vorgeworfen, die erhaltenen Informationen
       nicht sorgfältig vor der Veröffentlichung überprüft zu haben und dadurch
       Menschen in Gefahr gebracht zu haben. „Kein verantwortungsbewusster Akteur,
       sei es ein Journalist oder sonst jemand, würde absichtlich die Namen von
       Personen veröffentlichen, von denen er weiß, dass es sich um vertrauliche
       menschliche Quellen in einem Kriegsgebiet handelt, und sie damit der
       größten Gefahr aussetzen“, sagte der ehemalige stellvertretende
       Generalstaatsanwalt John Demers zum Zeitpunkt der Anklageerhebung.
       
       Die australische Regierung fordert seit Jahren von US-Präsident Joe Biden
       und dessen Regierung, den Strafprozess gegen Assange fallen zu lassen.
       Biden selbst bestätigte im April, dass seine Regierung dies durchaus in
       Erwägung ziehe.
       
       Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände beäugen den Fall
       ebenfalls seit Jahren kritischen. Vor allem Journalistenverbände haben
       immer wieder Bedenken geäußert, denn wenn Assange für seinen Verstoß gegen
       das amerikanische Spionagegesetz verurteilt werden würde, hätte dies
       möglicherweise dramatische Konsequenzen für die Arbeit von Journalisten.
       Die US-Regierung könnte den Fall Assange als Präzedenzfall ansehen, um auch
       andere Journalisten für ihre Recherchen und die Verwendung von geheimen
       Unterlagen zur Rechenschaft zu ziehen.
       
       Post zeigt Assange am Flughafen 
       
       Das Abkommen zwischen der US-Justizbehörde und Assange bedeutet nun auch,
       dass eine für Juli angesetzte Anhörung im seit Jahre andauernden
       Auslieferungsverfahren nicht mehr benötigt wird.
       
       „Wikileaks veröffentlichte bahnbrechende Geschichten über Korruption in der
       Regierung und Menschenrechtsverletzungen und zog die Mächtigen für ihre
       Taten zur Rechenschaft. Als Chefredakteur musste Julian einen hohen Preis
       für diese Prinzipien zahlen – und für das Recht der Menschen, darüber
       informiert zu werden“, hieß es in einem Post von Wikileaks auf X.
       
       25 Jun 2024
       
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