# taz.de -- Die Kunst der Woche: Reisen in der Dämmerung
       
       > Die Galerie Esther Schipper öffnet ihre Räume für eine umfangreiche
       > Malereiausstellung. Bei Max Goelitz hebt Ju Young Kim ab.
       
 (IMG) Bild: Ausstellungsansicht: Twilight is a Place of Promise, Esther Schipper, Berlin, 2024
       
       Die Frau hat ihren Betrachter*innen den Rücken zugewandt. Sie ist
       nackt, sitzt breitbeinig auf einem Stuhl, aufrecht, mit der Brust an der
       Rückenlehne. Sie zeigt ihr Hinterteil, aber weder Brust, noch Geschlecht,
       während sich im Hintergrund üppige rote Tulpen in einer Bodenvase in die
       Höhe recken.
       
       Ganz bei sich wirkt die Frau, stark und schön, kein bisschen gefällig. Das
       Bild stammt aus dem Jahr 1966. Gemalt hat es Pan Yuliang, geboren 1895 in
       China, gestorben 1977 in Paris. Pan Yuliang gilt als erste chinesische
       Malerin, die im westlichen Stil arbeitete.
       
       Ihre Werke, bevorzugt weibliche Aktgemälde und -Zeichnungen, bei denen es
       sich oft um Selbstporträts handelt und mit denen sie dem male gaze ihrer
       Zeitgenossen ihren eigenen entgegensetzte, sind inzwischen in einigen
       Sammlungen vertreten, stießen zu ihrer Zeit jedoch in China auf Ablehnung.
       Wegen ihrer Sujets und wegen Pan Yuliangs Vergangenheit als Prostituierte.
       Zu sehen sind zwei davon gerade in der Gruppenausstellung „[1][Twilight is
       a Place of Promise]“ bei Esther Schipper.
       
       Versammelt sind dort Werke von 19 Malerinnen, internationaler Herkunft,
       divers auch in Bezug auf ihr Alter. Pan Yuliang ist die älteste unter
       ihnen, die nigerianisch-amerikanische mittlerweile in Berlin lebende
       Künstlerin Monilola Olayemi Ilupeju, geboren 1996, die jüngste.
       
       Ilupeju ist unter anderem mit einem sensiblen Porträt ihrer Mutter
       vertreten, abgemalt vermutlich von einer Fotografie. Es zeigt die Mutter
       als junge Frau, kurz nachdem sie in die USA ausgewandert ist. Etwas
       verkrampft sitzt sie auf einem Lehnstuhl, blickt unsicher aus dem Bild und
       in eine ungewisse Zukunft.
       
       Surrealer hingegen die Bilder von Bettina von Arnim, über die sich
       geometrische Landschaften erstrecken, oder auch jene von Huguette Caland,
       in denen sich Körper in Linien und Formen aufzulösen scheinen.
       
       Fast schon musealen Umfang hat die Schau. Lose knüpft sie an
       „[2][L’Invitation au voyag]e“ an, die ebenfalls rein weiblich besetzten
       Ausstellung der Galerie aus dem Frühling 2021, die damals, während Covid,
       als das Fernweh groß war, mehr oder weniger direkt vom Reisen erzählte.
       
       Gewissermaßen auch an die Überblicksschau zu zeitgenössischer Kunst aus
       Südkorea „Dui Jip Ki“, die bei Esther Schipper im vergangenen Sommer zu
       sehen war. Eine schöne Tradition scheint sich da zu entwickeln, mit
       kuratierten Ausstellungen das Programm zu erweitern.
       
       Auf andere Art und Weise abgestimmt auf die Jahreszeit ist die aktuelle
       Ausstellung bei Max Goelitz. Ju Young Kim, geboren 1991 in Seoul, [3][zeigt
       dort ihre erste Einzelausstellung]. Erst kürzlich hat die Künstlerin ihren
       Abschluss an der Kunsthochschule in München gemacht – und ist schon bereit
       abzuheben. „Aeroplastics“, der Titel deutet es schon an: Die Künstlerin
       arbeitet mit Flugzeugteilen.
       
       Hightechversatzstücke ausgesonderter Flieger kombiniert sie mit
       Bleiglaselementen, wie man sie aus dem Jugendstil kennt, beispielsweise
       tauscht sie die Scheiben von Flugzeugfenstern mit solchen aus.
       
       In die Mitte des großen Galerieraums hat die Künstlerin einen
       Flugzeug-Dreisitzer platziert, reduziert nur auf die Aluminiumschalen.
       Besonders bequem wäre es nicht, auf diesen den Atlantik zu überqueren, die
       Souvenirs sind dafür schon da: Auf einem Tabletttisch hat Ju Young Kim in
       Bronze gegossene Miesmuschelschalen arrangiert. Verbirgt sich in ihrer
       Anordnung womöglich eine Botschaft?
       
       An nautische und aeronautische Karten erinnern wiederum die Elemente, die
       sie in einen Bordtrolley eingesetzt hat. Was ist das Ziel der Reise? Es
       scheint eigentlich nicht darauf anzukommen. Was Ju Young Kim liefert, sind
       formschöne, präzise konstruierte Metaphern für die Übergänge, die
       Transferzustände des Lebens.
       
       20 Jul 2024
       
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