# taz.de -- Unterstützung von Hamburgs Popszene: Hof-Gemeinschaft braucht Bass
       
       > Die Hamburger Werkhof-Gemeinschaft Viva La Bernie kämpft um ihr Areal.
       > Subkulturell grundierte Stars und virtuose Hochschulmusiker*innen
       > helfen.
       
 (IMG) Bild: Viva La Bernie: König Boris bei einem Pressetermin
       
       Es ist ein bewölkter Sommerabend auf St. Pauli, es sieht nach Regen aus.
       König Boris steht in einem historischen Innenhof und trägt Sonnenbrille mit
       Goldrand, so wie auf dem Foto, das die Bild kürzlich zu ihrem Artikel über
       seinen 50. Geburtstag veröffentlicht hat. Bild? König Boris ist einer der
       drei Rapper von Fettes Brot und hat als solcher diverse Hits gelandet.
       
       So ganz passt er nicht zu den Leuten, die mit ihm in diesem Hof rumstehen.
       Die anderen hier wirken geerdet mit ihren dunkel gehaltenen Klamotten,
       sanft künstlerisch individualisiert, aber alles andere als herausgeputzt.
       [1][Auch Schorsch Kamerun fällt nicht weiter auf]. Seinen Promistatus hat
       der Goldene-Zitronen-Sänger reduziert auf eine Tasche mit der Aufschrift
       „Ist mein Mikro an?“
       
       Der Innenhof ist umstellt von halbhohen Gebäuden. Vor 150 Jahren war hier
       ein Depot der Straßenbahn, als die Wagen noch von Pferden gezogen wurden.
       Mittlerweile werden die Gebäude von Künstler*innen und
       Handwerker*innen als Werkstätten, Ateliers und Wohnungen genutzt. Auch
       König Boris hat ein Studio hier.
       
       Seitdem ein Investor das Areal gekauft hat, fühlt sich die Gemeinschaft
       bedroht von Mietenwahnsinn. Nun versucht sie, das Gelände zurückzukaufen
       und hat dafür die Kampagne [2][Viva La Bernie] gestartet. Der Investor ist
       verkaufsbereit und eine Stiftung konnte als Geldgeberin gefunden werden.
       Aber es fehlen aktuell noch rund 2,3 Millionen Euro.
       
       Nun ist es nicht so, dass die Hofgemeinschaft dank ihrer zum Teil sicher
       nicht unvermögenden Beteiligten die Sache per privatpersönlichem Scheckbuch
       löst. Ihr Projekt ist ein Politikum geworden, ein Versuch, sich dem
       Investorentreiben und der Marktlogik zu widersetzen. So, wie es in Hamburg
       dem Gängeviertel gelang.
       
       ## Lange Liste mit Kulturgrößen
       
       Allerdings läuft die Öffentlichkeitsarbeit anders: Viva La Bernie bedient
       sich eines Netzwerks Hamburger Kulturgrößen, die eine linke
       Subkulturvergangenheit teilen und nun für das Projekt werben. Mit dabei
       sind [3][Fatih Akin], [4][Jan Delay], [5][Heinz Strunk], [6][Rocko
       Schamoni]. Die Liste ist lang und besteht größtenteils aus Männern im Alter
       50 plus.
       
       Eingewoben in das Netzwerk haben sich an diesem Abend die Musiker*innen
       des Ensemble Resonanz – ein erfolgreiches Hamburger Kammerorchester, das
       klassisches Repertoire mit zeitgenössischer Musik verbindet. Im Innenhof
       von Viva La Bernie nehmen also vier Streicherinnen Platz und spielen Philip
       Glass als Einstimmung auf das, was danach im Hochbunker Feldstraße
       passiert.
       
       Dort nämlich unterhält das Ensemble Resonanz einen Raum, der zugleich Club
       und Konzertsaal ist, mit Wänden aus Beton, einer mächtigen Bar, einer
       niedrige Bühne und eng gestellten Stühlen. An diesem Freitag ist der Laden
       ausverkauft, zum Teil stehen die Leute. Violinistin Swantje Tessmann
       betritt die Bühne und begrüßt das Publikum mit: „Hallo Freunde!“ Gemeinsam
       wolle man Wirbel machen für Viva La Bernie. Mit Hilfe von König Boris, Das
       Bo, Schorsch Kamerun und Diggen. Letzterer war Sänger der [7][Punk-Band
       Slime] und sieht mit seinen blondierten Stachelhaaren so aus, als wäre er
       den alten Zeiten noch vergleichsweise nahe.
       
       Also Rap, Punk und Kameruns dadaistische Songminiaturen zusammen mit
       virtuos examinierten Hochschulabsolvent*innen, die dem HipHop
       Streicherteppiche geben und dem Punk Rhythmus. Das kann natürlich nur gut
       gehen, zumal die Freunde im Publikum beides drauf haben: klassischer Musik
       lauschen und mitsingen, etwa bei „Bass, Bass, wir brauchen Bass“, wie das
       in einem Hit von Das Bo gefordert wird. Das Publikum entspricht der
       Alterskohorte der Musiker*innen, auch die linksalternative Grundierung
       stimmt. Es ist ein Heimspiel in Sichtweite des Stadions des FC St. Pauli –
       dessen Präsident übrigens auch zum Bernie-Netzwerk gehört.
       
       Geteilte Werte beim Spiel mit der Kulturprominenz. Das auch eine Gefahr
       birgt: Stars brauchen schließlich keine Spende, damit ihr Übungsraum
       günstig bleibt. Und alle anderen aus dem Werkhof stehen an diesem Abend
       nicht auf der Bühne.
       
       19 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neues-Stueck-von-Schorsch-Kamerun/!5988875
 (DIR) [2] https://www.vivalabernie.de/
 (DIR) [3] /Fatih-Akin-ueber-seinen-taz-Spot/!5734585
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 (DIR) [5] /Heinz-Strunks-Band-Der-gelbe-Elefant/!5942476
 (DIR) [6] /Neuer-Roman-von-Rocko-Schamoni/!6008531
 (DIR) [7] /Rockband-Slime/!5669664
       
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