# taz.de -- Theaterstück zu Hotels der DDR: Erinnerung und Aufruhr
       
       > Das Eisenbahntheaterprojekt „Hotel Einheit“ erzählt von Edelhotels der
       > DDR. Es befördert auch eine Wiederbelebung der oft verfallenen Objekte.
       
 (IMG) Bild: Waltraud Auer spielte eine der Hotelangestellten im Stück
       
       EISENHÜTTENSTADT taz | Der Ort ist ungewöhnlich für ein Theater. Man
       verlässt Eisenhüttenstadt über die Bundesstraße B 112 und biegt durch ein
       großes Tor ins ehemalige Stahlwek EKO ein. Durchhalteparolen der
       Stahlkocher sind noch am Eingang zu sehen. Immerhin 2.700 Beschäftigte sind
       dort vom Nachfolgeunternehmen ArcelorMittal weiterhin beschäftigt.
       
       Auf den Gleisanlagen des Stahlwerks sind unter einem gewaltigen Kran die 15
       Waggons des Theaterzugs [1][der Gruppe „Das Letzte Kleinod“] platziert.
       Seit mehr als 20 Jahren betreibt diese das seltene Genre Eisenbahntheater.
       Die Waggons sind gleichzeitig Bühne, Theaterwerkstatt, Küche und Wohnraum
       für die Künstler*innen.
       
       Nach Eisenhüttenstadt sind sie mit einem Stück Heimatgeschichte gekommen.
       „Hotel Einheit“ berichtet vom Leben und Arbeiten in den einstigen
       Vorzeigehotels der DDR, die nach der Wende meist ein trauriges Dasein
       fristeten. Das Hotel Stadt Frankfurt in Frankfurt (Oder) wurde
       beispielsweise komplett abgerissen. Das Hotel Lunik in Eisenhüttenstadt
       steht zwar noch. Es verwahrloste in den vergangenen 20 Jahren aber
       komplett.
       
       Das Schicksal des einstigen Musterhotels in der [2][sozialistischen
       Modellstadt Stalinstadt] löste auch das erste Interesse von Kleinod-Gründer
       Jens-Erwin Siemssen aus. „Es war ein taz-Artikel, der mich darauf
       aufmerksam machte“, erzählt er lachend auf dem Gleisgelände des Stahlwerks.
       
       Norddeutsche Verbindung 
       
       [3][Im Artikel ging es um den Klinikunternehmer Ulrich Marseille, der das
       Hotel Lunik 2006 im Rahmen einer Zwangsversteigerung erworben hatte].
       Marseille stammt aus Bremerhaven, „Das Letzte Kleinod“ hat seinen
       Heimatbahnhof in Geestenseth bei Bremerhaven. Das ist die norddeutsche
       Verbindung.
       
       Unter Marseilles Ägide verrottete das Haus weiter. Einwohner*innen, die
       sich an glückliche Zeiten in dem einst ersten Haus der Stadt erinnerten,
       waren empört. Ein offener Brief einer resoluten Rentnerin brachte dann die
       Dinge ins Rollen. Erst berichteten Medien darüber. Später erwarb die Stadt
       das Objekt.
       
       Und Siemssen kletterte just in der Phase des Besitzerwechsels ins ruinöse,
       aber immer noch großen Charme ausstrahlende Haus. Dass er dort etwas machen
       wollte, war ihm schnell klar. Im Frühjahr 2024 hatte „Hotel Lunik“
       Premiere, ein Recherchetheaterstück über das Hotel im Hotel selbst. Für das
       neue Projekt „Hotel Einheit“ erweiterte Siemssen die Recherche auf andere
       ehemalige Vorzeigehotels im Osten.
       
       Sechs Darsteller*innen erzählen vor allem aus der Perspektive der
       Angestellten. Margarita Wiesner berichtet vom Drill, dem sich Servierkräfte
       unterziehen mussten, um Suppenteller ungefährdet an Tischen und Stühlen
       vorbei zum Bestimmungsort zu balancieren. Richard Gonlag errichtet als
       Küchenchef noch einmal das fast militärisch anmutende Regime zwischen den
       Kesseln. Schnippeln, schweigen und sich vom Chef anschnauzen lassen waren
       die vornehmlichen Betätigungen.
       
       Schicksal einer Kellnerin 
       
       Kristina Günther führt in der anfangs intim wirkenden, später ins
       Bedrückende umschlagenden Atmosphäre eines abgeschlossenen Güterwaggons in
       das Schicksal einer Kellnerin ein, die sich in einen Mann aus dem Westen
       verliebte und von ihm ein Kind bekam.
       
       Sie verschwieg den Namen des Kindsvaters aber und zog ihren Sohn allein
       auf. Der musste sich als „West-Bastard“ beschimpfen lassen. Auch sie musste
       Repressalien erdulden. Und nach der Wende konnte sie in den Stasiunterlagen
       nachlesen, wie dicht das Spitzelnetz um sie geknüpft war.
       
       Eine komplett andere Sichtweise auf das Hotel Lunik hatten [4][Emigranten
       aus Chile]. In einem Güterwaggon, dessen Wände sich bedrohlich auf das
       Publikum zuschieben, erzählt Manuel Jadue von Folterungen chilenischer
       Kommunisten zu Zeiten des Pinochet-Regimes. Einige der Verfolgten konnten
       aus dem Land fliehen und landeten in der DDR. Erste Station: Hotel Lunik.
       Die Stasimitarbeiter, die sich um die Chilenen kümmerten, bezeichnet Jadue
       in seiner Rolle als Kümmerer, ja als „eine Art Sozialarbeiter“.
       
       Weitere Auftritte des Eisenbahnzugs sind bis Mitte September in acht
       unterschiedlichen Stationen geplant. In Eisenhüttenstadt führten die
       Zeitzeugeninterviews für das Projekt bereits zu regelmäßigen
       Gesprächsrunden im Hotel Lunik, das die Stadt Schritt für Schritt wieder
       beleben möchte. Offene Briefe, Medieninteresse und Theaterarbeit können
       also etwas bewirken.
       
       7 Aug 2024
       
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