# taz.de -- Illegale Praktiken des Boulevard: In die Paranoia getrieben
       
       > Die britische Doku „Tabloids on Trial“ berichtet über rechtswidrige
       > Bespitzelung durch den Boulevard. Viele Opfer kommen zu Wort.
       
 (IMG) Bild: Prinz Harry mit seinem Anwalt David Sherborne vor Gericht gegen die Mirror Group Newspapers
       
       Prinz Harry sieht [1][seine Prozesse gegen Mediengiganten] als einen Kampf
       zwischen David und Goliath. Das behauptete der Prinz in der Doku „Tabloids
       on Trial“ („Boulevardmedien vor Gericht“) des britischen Senders ITV, die
       Ende Juli ausgestrahlt wurde. Es geht um Phone Hacking und widerrechtliche
       Beschaffung von Informationen durch die britischen Medien. Das Telefon von
       Prinz Harry etwa war von 1996 bis 2010 von Journalist:innen gehackt
       worden. Ein britisches Zivilgericht sah es als erwiesen an, dass Artikel
       teils auf abgehörten und anderweitig illegal beschafften Infos basierten.
       
       Der Prinz hat im Dezember [2][seine Klage gegen die britischen Zeitungen
       The People, Mirror und Sunday Mirror gewonnen]. Im Urteil hieß es damals,
       dass Phone Hacking und die widerrechtliche Beschaffung von Informationen
       weit verbreitet gewesen seien.
       
       Harry und andere Prominente versuchen weiterhin, gegen Medien vorzugehen,
       die Artikel etwa dank gehackter Telefonnachrichten, Täuschung und in
       einigen Fällen sogar Einbrüchen publizierten (wie bei dem britischen
       Schauspieler Hugh Grant). Korrupte Polizeibeamt:innen sollen mit den
       Medien zusammengearbeitet haben. Zum Arsenal britischer Boulevardzeitungen
       gehörten auch versteckte Mikrofone, Einsicht in medizinische Akten oder
       Tracker.
       
       An sich ist all das nichts Neues. Doch die Leistung der Doku ist, dass ITV
       nicht nur mit dem Prinzen spricht, sondern viele Betroffene zu Wort kommen
       lässt. Dabei wird klar, dass die Veröffentlichungen viele Opfer sogar in
       paranoiden Wahnsinn trieben, bei dem sie niemandem mehr vertrauten. Am
       meisten scheint [3][Ex-Fußballer Paul Gascoigne] davon geschädigt zu sein.
       Er erzählt, dass er sogar seine Eltern beschuldigte, Infos an die Medien
       weitergeleitet zu haben.
       
       ## „Wir taten es die ganze Zeit“
       
       Journalist Paul McMullan, der für die nicht mehr existierende
       Boulevardzeitung News of the World schrieb, gesteht in der Doku, dass
       Hacking weitverbreitet war und dass es ihm insbesondere im Fall Gascoigne
       heute leidtue. Die Mirror-Gruppe musste an Gascoigne knapp 1,5 Millionen
       Euro Entschädigung zahlen, die Zeitung The Sun außergerichtlich eine Summe.
       McMullan gab an, dass die Abhörarbeit größtenteils von Journalist:innen
       weiter unten in der Rangordnung erledigt wurde. „Nahezu alle Telefonnummern
       wurden gehackt, das gehörte quasi zum Beruf. Wir taten es die ganze Zeit.“
       
       Auch Teenager wurden gestalkt und zerstört. In der Dokumentation beschreibt
       die walisische Sängerin Charlotte Church, einst Kinderstar, wie die Daily
       Mail sie als Teenagerin für altersübliche Dinge zur gefallenen Person
       erklärte. Die Medien seien eine Art missbräuchlicher Stalker gewesen, dem
       man nicht entkommen konnte.
       
       [4][Aufgeflogen war die Arbeitsmethode 2011], als bekannt wurde, dass
       Reporter von News of the World 2005 das Telefon des ermordeten 13-jährigen
       Schulmädchens Milly Dowler abhörten. Das führte zur Leveson-Untersuchung,
       benannt nach Sir Brian Leveson, dem Vorsitzenden der
       Untersuchungskommission. Die Kommission empfahl, eine Institution
       aufzubauen, die die Standards von Zeitungen prüft. Das wurde jedoch nie
       umgesetzt. Immerhin bedeutete es nach 168 Jahren Bestehen das Ende der News
       of the World und die Verurteilung des Chefredakteurs Andy Coulson.
       
       Die Autor:innen der Doku „Tabloids on Trial“ erhoffen sich womöglich
       eine neue Untersuchungskommission durch die frisch gewählte
       Labour-Regierung. Doch Premierminister Keir Starmer gab bereits bekannt,
       dass er keine diesbezüglichen Absichten habe. Prinz Harry gab seinerseits
       an, dass die damaligen Veröffentlichungen und [5][Harrys Entschluss, die
       Medien rechtlich zu verfolgen], für das Zerwürfnis in seiner Familie eine
       zentrale Rolle spielten. Harry leitet nächstes Jahr weitere Klagen gegen
       die Sun ein,weitere Verfahren gegen die Daily Mail und Mail on Sunday seien
       vorbereitet.
       
       Doch Ermittlungen sind schwer, weil Medienhäuser Spuren verwischen. Laut
       ITV löschte Murdochs News Group 2010 30 Millionen E-Mails. Viele
       Chefredakteure gaben bei der Leveson-Untersuchung unter Eid an, niemals
       Phone Hacking benutzt oder davon gewusst zu haben. Seit dem Urteil im
       Dezember scheint klar, dass das wahre Bild ein anderes ist.
       
       9 Aug 2024
       
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