# taz.de -- Prinz Harry klagt gegen Medien: Harry gegen den Boulevard
       
       > Vier Verfahren hat der Herzog von Sussex gegen britische Boulevard-Medien
       > laufen. Es geht um Privatermittlungen und Lauschangriffe.
       
 (IMG) Bild: 27. März: Harry verlässt nach der Voranhörung zur Klage gegen ANL den Hohen Gerichtshof in London
       
       LONDON taz | Wenn [1][Prinz Harry] diesen Monat wieder aus den USA nach
       London kommt, wird er das erste Mitglied der britischen Königsfamilie sein,
       das seit 130 Jahren auf der Zeugenbank in einem britischen Gericht Platz
       nimmt. Der [2][Herzog von Sussex] befindet sich derzeit auf einem
       Rachefeldzug gegen zahlreiche britische [3][Boulevardblätter] und steckt
       deswegen in gleich vier unterschiedlichen Verfahren.
       
       Am Hohen Gerichtshof in London läuft seit dem 10. Mai ein auf mindestens
       sieben Wochen prognostiziertes Verfahren. Denn der Prinz klagt gegen die
       Mirror Group Newspapers (MGN), zu der Daily Mirror, Sunday Mirror und The
       People gehören. Außerdem steckt er auch noch in anderen Fällen: in einem
       gegen die News Group Newspapers (NGN), die zu einem Tochterunternehmen von
       Rupert Murdochs News Corporation gehört und The Sun und The Sun on Sunday
       herausbringt, sowie in zwei gegen Associate Newspapers Limited (ANL), zu
       der die Daily Mail gehört.
       
       Gegen die ANL klagen auch einige andere Prominente wie Elton John und Liz
       Hurley sowie Doreen Lawrence, die Mutter des Schwarzen Teenagers Stephen
       Lawrence, der 1993 von englischen Rassisten ermordeten wurde.
       
       Den Medienhäusern werden unterschiedliche illegale Recherchemethoden
       vorgeworfen. Unter anderem geht es um den Einsatz von Privatdetektiv:innen,
       das Verstecken von Abhörgeräten in Wohnungen und Autos, sowie das Abhören
       von Handy-Sprachnachrichten und Telefonaten. In weiteren Fällen hätten die
       Blätter durch Täuschung und andere unrechtmäßige Mittel versucht, an
       medizinische Daten und Kontoauszüge zu gelangen.
       
       Es sind nicht Harrys erste Klagen. 2019 gewann er einen Fall gegen die
       Fotoagentur Splash News, nachdem Fotos seines Wohnhauses auftauchten, die
       von einem Hubschrauber aus gemacht wurden und unter anderem das
       Schlafzimmer von Harry und Meghan Markle zeigten. Auch Markle selbst bekam
       vor Gericht bereits Recht, nachdem ein Brief an ihren Vater in der Mail on
       Sunday veröffentlicht worden war.
       
       ## Wunsch nach Polizeischutz
       
       Doch nicht nur gegen Medien klagt Harry, kürzlich war auch das
       Innenministerium dran. Bei dem Streit wollte er erreichen, dass er
       weiterhin Polizeischutz bekommt, wenn er nach Großbritannien reist, wie
       etwa zur Krönung seines Vaters König Charles – sofern er dafür selbst
       aufkommt.
       
       Denn den Schutz durch die Polizei hatte Harry mit seinem Rückzug von den
       royalen Pflichten im April 2020 verloren, ein privates
       Sicherheitsunternehmen wollte er aber auch nicht beauftragen, weil dem
       Zugang zu Geheimdienstinformationen fehlen würde. Das Innenministerium fand
       das keine gute Idee: Polizeischutz, den können sich auch Reiche nicht
       kaufen. Der Hohe Gerichtshof lehnte Ende Mai eine Klage Harrys ab. Parallel
       hatte Harry aber auch Klage gegen ANLs Daily Mail eingereicht, weil sie
       behauptete, dass Harry die Rechtsklage habe geheim halten wollen.
       
       Im MGN-Fall, der im Mai begann, verwies Harrys Staranwalt David Sherborne
       auf mindestens 148 Berichte, die im Daily Mirror zwischen den Jahren 1996
       und 2010 veröffentlicht wurden. 33 werden von ihm als stellvertretende
       Beispiele aufgeführt. Für die Berichte soll MGN Privatdetektiv:innen
       insgesamt umgerechnet 11,4 Millionen Euro gezahlt haben.
       
       MGN bestreitet die unerlaubten Methoden in 28 der 33 Fälle, gestand jedoch
       bereits am ersten Gerichtstag mit einer zusätzlichen Entschuldigung, dass
       sie 2004 tatsächlich einen Privatdetektiv für eine Story über Harrys
       Auftreten in einem Londoner Nachtklub beauftragt hätten. Dafür stünden
       Harry Entschädigungsleistungen zu. Einige der Informationen seien jedoch
       von den Royals oder Harry selber gekommen. Anders als MGN wies ANL (Daily
       Mail) jegliche Vorwürfe gegen sie als „groteske Verzerrung“ von sich.
       
       Auch NGN bestreitet die Anschuldigungen, die in diesem Fall über 200
       Berichte betreffen. Neben Harry hat das Unternehmen noch einen weiteren
       berühmten Gegner: Hugh Grant. Der Hohe Gerichtshof ließ Mitte Mai eine
       Klage des Schauspielers zu. Er wirft der Sun vor, sein Telefon abgehört zu
       haben, was vom Gericht allerdings als verjährt eingestuft wurde. Der
       Vorwurf, Privatdetektiv:innen seien auf Grant angesetzt worden, was
       NGN bestreitet, soll aber ab Januar 2024 verhandelt werden.
       
       ## Telefon-Hacks
       
       Das Abhören von Telefongesprächen und sogenannte Telefon-Hacks, bei denen
       Sprachnachrichten abgehört werden, gehören zu den schwersten Vorwürfen,
       denen die britische Boulevard-Landschaft in den letzten Jahrzehnten teils
       zurecht ausgesetzt war.
       
       Besonders dramatisch: die Hacks im Fall der ermordeten Milly Dowler. Dieser
       Fall wurde 2011 durch Scotland Yard und den britischen Guardian aufgedeckt.
       Die Ermittler:innen fanden heraus, dass die später deswegen
       eingestellte Sonntagszeitung News of the World, die zu NGN gehörte, auf dem
       Handy hinterlassene Nachrichten des 2002 zunächst vermissten Mädchens Milly
       Dowler abgehört hatte.
       
       Teilweise hatte sie die Nachrichten danach sogar gelöscht, mutmaßlich um
       den vollen Mailbox-Speicher etwas zu leeren, damit neue Sprachnachrichten
       ankommen konnten. Dies gab den Eltern Dowlers die Hoffnung, dass ihr Kind
       noch am Leben sei. Wer sonst hätte die Nachrichten anhören und dann löschen
       sollen, wenn nicht das Mädchen selbst? In Wirklichkeit war Dowler aber
       längst das Opfer eines Sexualstraftäters und Mörders geworden.
       
       David Sherborne sagt nun, ähnliche Methoden seien von den Zeitungen auf
       „industriellem Level“ benutzt worden. Im Verfahren gegen MGN stehen 313
       Anrufe zwischen den Jahren 2003 und 2011 unter Verdacht widerrechtliche
       Versuche gewesen zu sein, sich Zugang zu Informationen zu beschaffen.
       Frances Shand Kydd, Prinzessin Dianas Mutter, sei ebenso davon betroffen
       gewesen wie Prinz Harrys ehemalige Freundin Chelsy Davy, sein
       Privatsekretär Jamie Lowther-Pinkerton, und in 270 Fällen Paddy Harverson,
       des Prinzen ehemaliger Pressesprecher.
       
       MGN streitet Versuche des Telefon-Hackings ab. Zahlreiche Zeugen wollen
       sich jedoch daran erinnern, dass Piers Morgan, von 1995 bis 2004
       Chefredakteur des Daily Mirror, diese Methoden erwähnt, erklärt und
       womöglich benutzt haben soll. Morgan bestreitet dies. Doch Sherborne ist
       der Meinung, dass sich auch die führenden Redakteure des Daily Mirror über
       die illegalen Beschaffungswege für Storys klar gewesen sein mussten.
       
       Gleichzeitig hat Morgan ganz offensichtlich eine schwierige Einstellung zu
       Meghan Markle: 2021 verlor er seinen Job als Moderator bei der Sendung
       „Good Morning Britain“ auf ITV, nachdem er Aussagen von Markle zu ihrer
       eigenen mentalen Gesundheit infrage gestellt und gesagt hatte, er glaube
       ihr kein Wort, nicht mal wenn sie das Wetter vorlese. Dass Morgan im
       aktuellen Fall vor Gericht als Zeuge erscheint, gilt als unwahrscheinlich.
       
       ## Wichtiger Zeuge
       
       Guardian-Journalist Nick Davies, der 2011 die Aufdeckung zum
       Telefon-Hacking im Fall Dowler geleitet hatte, erklärte neulich auf einer
       Konferenz, dass nahezu 2.000 Telefon-Hacking-Fälle nie vor Gericht gekommen
       seien, weil Medien den Opfern außergerichtlich Geld gegeben hätten, damit
       sie schwiegen. Anders der Fall von Prinz Harry: Der sei dazu entschlossen,
       seine Klage durchzuziehen, koste es, was es wolle, meinte Davies.
       
       Hinzu kommt ein wichtiger Zeuge: Omid Scobie, Co-Autor der
       Harry-und-Meghan-Biografie „Finding Freedom“. Mitte Mai sagte er vor
       Gericht aus, dass er während eines Praktikums bei MGNs Sunday People
       gezeigt bekommen habe, wie man Mailboxen hackt. Dann habe er eine Liste mit
       Handynummern abarbeiten und sich deren Mailboxen anhören sollen.
       
       Um Telefon-Hacking, das Aufnehmen von Telefongesprächen und
       Privatdetektiv:innen geht es auch den Nebenkläger:innen im Fall
       um Daily Mail und Mail on Sunday. Elton John erwähnte hierbei die Suche
       nach medizinischen Daten und Anstrengungen, an Informationen über die
       Geburt seines Sohnes zu gelangen.
       
       Auch Informationen über die Lawrence-Familie seien über Privatdetektive
       gekommen, also über jene Familie, der ein Kind durch einen rassistischen
       Mord genommen wurde.
       
       2 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kroenung-von-Charles-III/!5929904
 (DIR) [2] /Verkehr-und-Klima/!5909031
 (DIR) [3] /Netflix-Dokuserie-Harry-und-Meghan/!5900393
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Prinz Harry
 (DIR) Boulevardpresse
 (DIR) Britisches Königshaus
 (DIR) England
 (DIR) Prinz Harry
 (DIR) Prinz Harry
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Gala
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Illegale Praktiken des Boulevard: In die Paranoia getrieben
       
       Die britische Doku „Tabloids on Trial“ berichtet über rechtswidrige
       Bespitzelung durch den Boulevard. Viele Opfer kommen zu Wort.
       
 (DIR) Prinz Harry gegen Boulevard: Teilsieg für den Royal
       
       Der Verlag der „Mirror“-Gruppe hat sich illegal Informationen über Prinz
       Harry beschafft. Dem steht Schadensersatz zu.
       
 (DIR) Prinz Harry gegen die Klatschpresse: Ein Adliger packt vor Gericht aus
       
       Britische Zeitungen sollen via Hacking versucht haben, an Storys über den
       Prinzen zu kommen. Der klagt nun über die psychischen Folgen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Prinz Harrys Grenze
       
       Neues aus Neuseeland: Nach dem großen Lockdown wird down under der
       Tourismus auf Turbo geschaltet – die einen kommen, die anderen gehen …
       
 (DIR) Roter Teppich für die „Bild“: Boulevard der Albträume
       
       „Hürriyet“ und „Bild“-Zeitung haben viel gemein. Hinter beiden Medien
       stehen mächtige, quasi staatstragende Konzerne. Ein wahrer Abgrund.