# taz.de -- Staatssekretärin über Lithium: „Es gibt keinen Rabatt“
       
       > Die Ampel setzt große Hoffnung auf Serbiens Lithium. Staatssekretärin
       > Brantner über Umweltrisiken und den Umgang mit Vučićs autokratischer
       > Regierung.
       
 (IMG) Bild: Umsturzgefahr: Vom Lithiumabbau betroffene Häuser im Jadar-Tal
       
       taz: Frau Brantner, Sie sind im Wirtschaftsministerium mit der Beschaffung
       von Rohstoffen befasst. Lithium steht auf der Liste ganz oben. Warum? 
       
       Franziska Brantner: Klimaschutz gibt es nicht ohne Rohstoffe. Wir ersetzen
       fossile durch metallische und mineralische. Innerhalb der EU haben wir uns
       auf eine Liste von besonders wichtigen Stoffen geeinigt. Dazu zählt
       Lithium, das heute unter anderem für [1][Batterien] wichtig ist. Es wird
       hauptsächlich in Chile und Australien abgebaut und komplett in China
       weiterverarbeitet. Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg gegen die
       Ukraine sollte allen klar sein, wie gefährlich derartig große
       Abhängigkeiten sind. Das erklärte Ziel der Bundesregierung ist es daher,
       solche Abhängigkeiten zu verringern, um Risiken zu mindern. Das Projekt in
       Serbien kann ein Baustein ebendieser Strategie sein.
       
       taz: [2][In Serbien scheint Deutschland alles dafür zu tun, um an Lithium
       zu gelangen.] Ist der Umweltschutz nicht mehr so wichtig? 
       
       Brantner: Der Abbau von Rohstoffen wirkt sich immer auf die Natur aus. Das
       kennen wir in Deutschland von der Kohle bis zum Kies. Es geht also darum,
       die Schäden auf das absolute Minimum zu reduzieren und eine anschließende
       Renaturierung zu garantieren. Die ursprünglichen Planungen Rio Tintos in
       Serbien wurden unserem Anspruch an Umweltschutz nicht gerecht. Deswegen war
       es auch richtig, dagegen zu demonstrieren, und es war gut, dass das Projekt
       gestoppt wurde. Die Bundesregierung wie die EU-Kommission haben ein neues
       Konzept gefordert.
       
       Lithium in Serbien soll nur mit umweltverträglichen Verfahren, dem
       entsprechenden hohen Schutz von Wasser und Böden sowie einem sehr guten
       Abfallvermeidungsplan gewonnen werden können. Zusammen mit dem Druck aus
       Serbien hat dies dazu geführt, dass das Projekt in diesen Bereichen neu
       geplant wurde. So gibt es jetzt ein neues Haldenkonzept, unter anderem
       werden mehr Bergbaureststoffe wiederverwendet, und es soll nicht mehr in
       der Mitte des Flusstals liegen. Es liegt ein neues Wasserkonzept vor, und
       das Projekt setzt auf erneuerbare Energien. Außerdem brauchen wir endlich
       Recycling. Wir haben deswegen die Ökodesign-Verordnung um Rohstoffeffizienz
       und Recycling erweitert.
       
       taz: Die [3][Erfahrungen aus Chile] und anderen Weltregionen zeigen, dass
       nach dem Abbau von Lithium nur noch verwüstete Landschaften übrigbleiben.
       Die serbische Bevölkerung wehrt sich dagegen. Fallen Deutschland und Europa
       ihr in den Rücken? 
       
       Brantner: Wir nehmen die Sorgen der lokalen serbischen Bevölkerung sehr
       ernst und haben uns daher dafür eingesetzt, das Bergbauprojekt neu zu
       planen. Die EU wird die nun folgenden, neuen
       Umweltverträglichkeitsprüfungen begleiten, damit Umweltstandards auch
       eingehalten werden. Die EU verbindet das Projekt damit, bezüglich der
       Batterieherstellung und der E-Mobilität eine Wertschöpfungskette
       aufzubauen. Anders als bei vielen anderen Rohstoffprojekten auf der Welt,
       bei denen der Rohstoff nur exportiert wird, soll hier die Bevölkerung an
       der Wertschöpfungskette beteiligt werden.
       
       taz: Was kam bei den Verhandlungen zwischen dem internationalen Großkonzern
       Rio Tinto und der serbischen Regierung unter Vučić heraus? Kann man einem
       autokratisch geführten Regime, das mit Putin sympathisiert, überhaupt
       trauen? 
       
       Brantner: Rio Tinto hat sich verpflichtet, EU-Umweltschutzrecht
       einzuhalten, obwohl es in Serbien erst teilweise gilt. Die staatliche
       Kontrolle liegt in Serbien. Die EU und auch wir werden mit Expertise
       beraten können. Auch unsere Unternehmen sind daran interessiert, dass die
       Umweltstandards eingehalten werden.
       
       taz: Welche Zusagen wurden Serbien im Gegenzug gemacht? Kann Vučić hoffen,
       seine serbisch-nationalistischen Ziele in [4][Bosnien und Herzegowina] und
       im Kosovo zu erreichen, oder wurde ihm der EU-Beitritt in Aussicht
       gestellt? 
       
       Brantner: Serbien ist Beitrittskandidat der EU. Dieser Prozess, bei dem
       Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zentral sind, wird durch dieses Projekt
       nicht beeinflusst. Es gibt keinen Lithium-Rabatt bei der
       Rechtsstaatlichkeit, und auch keinen mit Blick auf den Kosovo oder Bosnien
       und Herzegowina. Wir Grüne haben uns immer für die Zivilgesellschaft in
       Serbien eingesetzt. Um sie zu stärken, haben wir etwa erreicht, dass Rio
       Tinto einen permanenten zivilgesellschaftlichen Beirat einrichten wird. Die
       lokale Bevölkerung und die Opposition fordern zu Recht, dass staatliche
       Institutionen die Standards im Umweltbereich durchsetzen. Gleichzeitig ist
       es gut, wenn wir europäische Vorkommen europäisch abbauen und
       weiterverarbeiten.
       
       Wir verhindern dadurch eine verstärkte Einflussnahme Chinas auf wichtige
       europäische Rohstoffquellen. Denn die Frage ist ja nicht: „Kommt das
       Projekt oder kommt es nicht?“ Sondern: „Wird das Projekt von Rio Tinto mit
       europäischen Partnern umgesetzt, oder machen es die Chinesen?“ Ich
       bezweifele, dass Demokratie, Umwelt und die lokale Bevölkerung in Serbien
       mit einer chinesisch-serbischen Partnerschaft besser dran wären. Dieses
       neue Projekt ist auch eine Chance, der Welt zu zeigen, dass deutsche und
       europäische Unternehmen einen Unterschied machen und Rohstoffgewinnung und
       -weiterverarbeitung deutlich umweltfreundlicher sein kann, als das bisher
       der Fall ist.
       
       12 Aug 2024
       
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