# taz.de -- Aktionen der Identitären Bewegung: Keine Bewegung der Massen
       
       > Die Identitäre Bewegung ist klein, erzielt aber durch spektakuläre
       > Aktionen Aufmerksamkeit. Und sie stützt sich teilweise auf linke
       > Intellektuelle.
       
 (IMG) Bild: Die IB will den „demographischen Krieg“ auch mit medienwirksamen Aktionen gewinnen
       
       Die Identitäre Bewegung, die „Jugend ohne Migrationshintergrund“, so die
       Selbstbezeichnung, will keine Massenbewegung werden, sie will aber Masse
       bewegen. Im Rückgriff auf den linken Theoretiker Guy Debord erklärt der
       österreichische Identitären-Chef Martin Sellner in seinem Buch
       „Identitär!“, dass in einer „Gesellschaft des Spektakels“ das real Erlebte
       immer mehr durch die mediale Spiegelung ersetzt werde. Bilder, Bilder,
       Bilder ist so auch seine Botschaft. Aus dem Grund versuchen sie ihre
       Aktionen nicht nur genau zu choreografieren, sondern virtuell schnell zu
       präsentieren. So etwa vor knapp drei Jahren, als rund ein [1][Dutzend
       Identitäre das Brandenburger Tor bestiegen] und die Fahne mit dem
       griechischen Lambda-Buchstaben in den Wind hielten.
       
       „Denn daran muß sich der Provokateur messen lassen: Was nicht in den Medien
       war, ist aus der Welt“, schreibt Sellner, und zitiert den bekanntesten
       neu-rechten Verleger und Publizist Götz Kubitschek ohne Nennung. Offen
       räumt Sellner aber ein, dass ohne Kubitscheks Hilfe die IB, die die
       Strategie verfolgt, im vorpolitischen Raum Begriffe zu setzen und
       Diskussionen zu befeuern, gescheitert wäre. Das der „gezielte Regelverstoß“
       auch durch Rede-Clips funktioniert, belegt Sellner: sein YouTube-Kanal hat
       106.660 Abonnenten, sein Twitter-Account 32.500 Follower.
       
       Die IB hat nicht nur die Strategie von der Neuen Rechten übernommen. Sie
       haben auch das neu-rechte Konzept des Ethnopluralismus verinnerlicht. Das
       Konzept entwarf Henning Eichberg schon in den 70er Jahren. Die Grundannahme
       ist so einfach wie falsch. Im Ethnopluralismus wird von grundsätzlichen und
       unveränderlichen Eigenschaften von Menschengruppen ausgegangen; jede Gruppe
       sei umso besser und stärker, je ähnlicher sich ihre jeweiligen Angehörigen
       seien. Eine biologische Begründung der Eigenschaften wird vermieden. Dem
       Konzept nach hätten aber die Völker unveränderliche kulturelle Identitäten,
       die vor fremden Einflüssen zu schützen seien. Bei dem führenden Kader der
       IB Mario Müller, klingt das so: „Ethnopluralismus ist die Überzeugung, dass
       die Vielfalt der Völker, Kulturen und Religionen dieser Erde ihren Reichtum
       ausmacht und daher als Wert an sich erhaltenswert ist“, schreibt er im Buch
       „Kontrakultur“. 2017 ist es im Antaois-Verlag von Kubitschek erschienen, wo
       auch Sellners Buch verlegt ist. Der Ethnopluralismus, so Müller, würde
       „jeder Kultur ihren angestammten Ort zugestehen“. Klingt moderat, ist
       jedoch radikal. Diese Argumentation blendet aus, dass sämtliche menschliche
       Kulturen das Ergebnis gegenseitiger Beeinflussung sind.
       
       ## Vernetzung mit AfD und dem Magazin Compact
       
       Die zentrale Forderung der IB ist „Remigration“. Die „Umkehr der
       Migrationsströme“ sei schon nach dem vermeintlichen Scheitern der
       Integration der „Nachfahren der ‚Gastarbeiter‘“ sichtbar gewesen, schreibt
       Müller. Die „‚konservative‘ Politik der Grenzschließung“ würde allerdings
       nicht mehr genügen, um „den demografischen Krieg zu gewinnen“. Aller
       ausschweifende Rhetorik und poppigen Inszenierungen zum Trotz offenbart
       sich eine völkische Blut- und Boden-Ideologie. So meint Müller, dass ein
       hier geborener Mensch mit nichtdeutschen Eltern kein Deutscher sein könne.
       
       In dem weit rechten Geflecht zwischen AfD über das „Institut für
       Staatspolitik“ bis zum Magazin Compact ist die IB die Pressure-Group, die
       Aktionen moderner Protestkulturen adaptiert. Unterstützt werden sie von dem
       Kampagnenprojekt Ein Prozent für unser Land. Von hier kommt Geld für die
       Konfrontation: Beim Hamburger Frühjahrsmarathon im April entrollten sie
       große Transparente: „Ihr sprecht von Europa doch vergesst seine Völker“.
       Die PR-Effekt gelang nur über die eigenen Onlinekanäle. Die Medien wurden
       nicht zu ihrem PR-Motor.
       
       11 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Andreas Speit
       
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