# taz.de -- Antifeministin Birigt Kelle in Dresden: Gleichstellung ein Luxusproblem?
       
       > Birgit Kelle hat bei einer CDU-Diskussion in Dresden über „GenderGaga“
       > gesprochen. Das sorgte nicht nur im Saal für Tumulte.
       
 (IMG) Bild: Findet, Gleichstellung hat sich schon vollzogen: Birgit Kelle
       
       DRESDEN taz | Die streitbare Antifeministin Birgit Kelle hatte ihren
       Vortrag noch nicht begonnen, da erhob sich im Haus an der Dresdner
       Kreuzkirche ironischer Beifall. Fünf junge Frauen knöpften unter Anspielung
       auf einen Buchtitel der Publizistin ein wenig ihre Blusen auf und zeigten
       aufgemalte Slogans wie „GenderGaga“ und „Bluse zu“. Die Tumulte im Saal
       nahmen kein Ende. Konservative Anhänger von Kelle antworteten mit
       „Meinungsfreiheit“-Rufen. Nach einer halben Stunde stand die Veranstaltung
       kurz vor dem Abbruch, ehe Polizei die protestierenden Frauen aus dem Saal
       drängte.
       
       Auch danach blieben die etwa 300 Gäste im überfüllten Saal in zwei etwa
       gleich große Lager gespalten. Jung und lautstark zeigten sich die Gegner
       Kelles auf der einen Seite. Deutlich älter und mit eher hausbackenen
       Zwischenrufen hingegen präsentierten sich ihre Anhänger bei der Dresdner
       CDU. Deren Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz und Andreas Lämmel hatten zu
       der Veranstaltung geladen.
       
       Der Vortrag der 41-jährigen Journalistin veranschaulichte, warum sie nicht
       nur in Dresden polarisiert. Alles dreht sich bei Kelle um das Reizwort
       Gender-Mainstreaming. Für Birgit Kelle ist das ein „Luxusproblem“, weil
       Gleichberechtigung längst praktisch verwirklicht sei und sich angeblich
       niemand mehr an homosexuell orientierten Menschen störe.
       
       Zu gern polemisiert die Mutter von vier Kindern gegen Unterscheidungen des
       biologischen und des sozialen Geschlechts, gegen besondere Rücksichtnahmen
       gegenüber intersexuellen und transsexuellen Menschen. „Was geht mich das
       an?“, fragte sie als selbstproklamierte Vertreterin der heterosexuellen
       Mehrheit und behauptete, der Schutz anders orientierter Minderheiten sei
       nicht Aufgabe des Staates.
       
       Trotzdem fordert Kelle, zumindest verbal, gesellschaftlichen „Respekt“ für
       alle Lebensformen ein: sowohl für Transsexuelle als auch für die freiwillig
       zu Hause Kinder erziehenden Mutter. Gleichzeitig ist Frau Kelle aber
       strickt dagegen, den von ihr eingeforderten „Respekt“ auch durch
       Sexualerziehung in Kindergarten und Schule zu vermitteln. Die anhaltende
       Geringschätzung von Familien- und Erziehungsarbeit, etwa bei der
       Rentenberechnung, lastet sie nicht traditionellen Rollenklischees, sondern
       dem Feminismus an. Denn fährige Frauen würden sich, wie Männer auch, schon
       von selbst „nach oben durchkämpfen“.
       
       ## „Hirn statt Hetze“
       
       Für besondere Empörung sorgte ihre Verknüpfung der Geschlechter- mit der
       Flüchtlingsfrage. Mit der Kölner Silvesternacht im Gepäck präsentierte
       Kelle ähnlich islamfeindliches Bild, wie es auch bei Pegida auftaucht.
       Männer aus dem arabischen Raum würden sich „konsequent daneben benehmen“
       und gefährdeten mit ihrem vom Islam geprägten Frauenbild unsere
       Gleichberechtigungserrungenschaften. „Frauen trauen sich nicht mehr über
       öffentliche Plätze zu laufen – das ist unwürdig für unser Land“, meinte
       sie.
       
       „Hirn statt Hetze“, trug denn auch eine ältere Besucherin ein Plakat vor
       der Brust. Gegen die Vermischung von Frauen- und Flüchtlingsproblemen, aber
       auch gegen die Suggestion einer angeblich erfolgreichen Gleichstellung von
       Mann und Frau und verschiedener Partnerschaftsformen wandte sich
       insbesondere Susanne Köhler, Vorsitzende des Landesfrauenrates Sachsen.
       Auch die einzige, an ihrem Kopftuch erkennbare Muslima im Raum, eine
       Studentin, argumentierte ähnlich und bedauerte die einseitige Sichtweise
       der Referentin.
       
       In der Diskussion musste Kelle heftige Kritik einstecken, mit einer
       Ausnahme, sämtlich von Frauen geäußert. Mangelhafte Kenntnis
       fachwissenschaftlicher Begriffe wurde ihr vorgeworfen. Eine bi-orientierte
       und zugleich behinderte Frau fühlte sich diffamiert.
       
       Der Hinweis, dass sexuelle Übergriffe ungleich häufiger mitten in deutschen
       Familien stattfinden, wurde wiederum von den CDU-Anhängern mit Empörung
       aufgenommen. Kathrin Wallrabe, Gleichstellungsbeauftragte der
       Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen, kritisierte die aufgebauten
       Feindbilder und plädierte für den Gender-Ansatz, der auch Familien nütze.
       
       Vor der Veranstaltung gab es eine Demonstration. Danach wurde weiter auf
       dem Platz neben der Kreuzkirche diskutiert. Da waren die CDU-Anhänger
       längst auf dem Heimweg.
       
       23 Mar 2016
       
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