# taz.de -- Arbeitskampf bei Lieferdiensten: Ausbeutung wird mitgeliefert
       
       > Der Bringdienst Getir steht wegen Union Busting und schlechten
       > Arbeitsbedingungen in der Kritik. Bei anderen Lieferdiensten sieht es
       > nicht besser aus.
       
 (IMG) Bild: Harter Job für wenig Geld: Ein Rider unterwegs in Berlin
       
       BERLIN taz | Ronnie Thomas kennt sich aus mit schlechten
       Arbeitsbedingungen. Der Berliner Kurierfahrer hat für den umstrittenen
       Essenslieferdienst Gorillas gearbeitet und war in der Interessenvertretung
       der Beschäftigten, dem Gorillas Workers Collective, aktiv – bis er
       entlassen wurde. [1][„Wir wollten einen Betriebsrat gründen, danach wurde
       ich gefeuert“], sagt Thomas der taz.
       
       Unterkriegen lässt sich der Rider, wie sich die Fahrradkuriere nennen,
       davon jedoch nicht. Vor dem Arbeitsgericht klagt er gegen seine Entlassung,
       mittlerweile arbeitet er beim türkischen Lieferservice Getir. Auch hier
       prangert er schlechte Arbeitsbedingungen und die Beschneidung von
       Arbeiter*innenrechten an.
       
       „Erst nach vielen Wochen und Beschwerde-Mails bekommt man den ausstehenden
       Lohn – wenn überhaupt“, so der Rider. „Wie sollen wir da unsere Miete und
       unser Essen zahlen?“, fragt Thomas mit Blick auf die Stundenlöhne, die bei
       Getir nur knapp über dem Mindestlohn liegen. Inzwischen hat er nach dem
       Vorbild von Gorillas das Getir Workers Collective mitgegründet.
       
       ## Lieferdienste sind Spekulationsblasen
       
       Der Lieferant Getir (zu deutsch: „Bring!“) wurde 2015 in Istanbul gegründet
       und ist Mitte vergangenen Jahres in Berlin gestartet. Mittlerweile gehören
       die lilafarbenen Kurierfahrer*innen ebenso zum Straßenbild, wie die
       orangefarbenen Lieferando- oder die schwarzgekleideten Gorillas Rider.
       Branchenkenner gehen davon aus, dass nicht alle Lieferdienste den
       knallharten Verdrängungswettbewerb überleben, zumal nur die wenigsten
       schwarze Zahlen schreiben.
       
       [2][„Da werden Millionen verbrannt, weil diese Unternehmen überhaupt nicht
       wirtschaftlich arbeiten – trotz der schlechten Arbeitsbedingungen“], sagt
       Sebastian Riesner, Geschäftsführer der Gewerkschaft
       Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für Berlin und Brandenburg, der taz.
       Lieferando, Getir und Gorillas würden nach dem gleichen Geschäftsmodell
       arbeiten: „Den überwiegend migrantischen Angestellten wird meist nur
       Mindestlohn gezahlt, die Arbeitsmittel müssen selbst bereitgestellt und der
       Verschleiß selbst bezahlt werden“, so Riesner. Wie in der gesamten
       Start-up-Branche [3][seien die Unternehmen Betriebsrats- und
       Gewerkschaftsfeindlich eingestellt.]
       
       Das prangert auch die Initiative Aktion Arbeitsunrecht an, die am
       vergangenen Freitag vor einem Getir-Lager in der Warschauer Straße in
       Friedrichshain gegen Union Busting protestierte und dazu aufrief, nicht
       mehr bei dem Lieferdienst zu bestellen. Die Initiative wirft dem
       Unternehmen vor, die Gründung eines Betriebsrates zu torpedieren.
       
       ## Rot-Grün-Rot will gegen Union Busting vorgehen
       
       Die Geschäftsführung von Getir hingegen weist alle Vorwürfe von sich. Die
       Initiative zur Gründung eines Betriebsrates sei von Beschäftigten
       ausgegangen, sagte ein Sprecher am Dienstag zur taz.
       
       Die Gewerkschaft NGG kritisiert, dass Union Busting strafrechtlich meist
       nicht verfolgt wird. Sie fordert daher eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft,
       die im Fall von Betriebsratsverhinderung ermittelt. Der Koalitionsvertrag
       der rot-grün-roten Landesregierung sieht das auch vor. „Die Einrichtung
       einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft gegen Union-Busting ist derzeit in
       Arbeit“, sagt der arbeitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Damiano
       Valgolio, der taz.
       
       Damit sei es jedoch nicht getan: „Zurzeit ist der Aufenthaltsstatus an das
       Arbeitsverhältnis gekoppelt, was migrantische Arbeiter*innen erpressbar
       macht“, so Valgolio. Das zu ändern, sei ebenso wichtig, wie die Schaffung
       von Räumen, in denen sich die Arbeiter*innen organisieren können.
       
       Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde nachträglich geändert. Einige darin
       aufgestellten Behauptungen konnten nicht aufrechterhalten werden.
       
       18 May 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marie Frank
       
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