# taz.de -- Ausgangspunkt von Corona: Drostens Verdacht
       
       > Der Charité-Virologe vermutet den Ursprung der Pandemie in Chinas
       > Pelzindustrie. Dort werden Marderhunde für Kragen gezüchtet – nahezu
       > unreguliert.
       
 (IMG) Bild: Flauschig, aber auch nicht ungefährlich: Felle von Marderhunden
       
       PEKING taz | Sie werden durch gezielte Elektroschläge gelähmt, ehe sie
       einen langsamen Tod sterben. Unzählige der Tiere sind in Reihen mit kleinen
       Gitterkäfigen eingesperrt. Und trotz der weltweiten Covid-19-Pandemie
       konnten die Tierschutzaktivisten, die die bedrückenden Zustände in den
       Marderhund-Farmen dokumentieren wollten, die Betriebe ganz ohne
       Gesundheitstests und sonstige Hygienevorschriften betreten.
       
       „Solche Pelzbetriebe haben keinen Platz in einer modernen Gesellschaft. Der
       Pelzhandel muss ein für alle Mal beendet werden“, sagt Kitty Block vom
       Vorstand von „Humane Society International“ (HSI). Die NGO hatte im
       November und Dezember vergangenen Jahres 13 Pelzfarmen in China besucht, um
       ein Schlaglicht auf die leidvollen Zuchtbedingungen der Tiere zu werfen.
       
       Den Aktivisten ging es zwar nicht darum, Beweise für den Ursprung der
       Pandemie zu liefern. Doch nun kann man die Untersuchung von HSI unter einem
       ganz anderen Licht betrachten: Der Berliner Virologe Christian Drosten
       vermutet ausgerechnet diese chinesischen Pelzfarmen als [1][Ausgangspunkt
       für eine erste Übertragung von Sars-CoV-2 auf den Menschen].
       
       [2][In einem Interview] kam der Virologe einerseits zu dem Schluss, dass
       ein Laborunfall aus technischen Gründen fast unmöglich sei. Drosten hält
       ein anderes Szenario für sehr wahrscheinlich: „Wenn Sie irgendwo eine Jacke
       kaufen mit Pelzkragen, ist das chinesischer Marderhund, fast ohne
       Ausnahme“, sagt der Institutsleiter von der Berliner Charité.
       
       ## Das fehlende Puzzleteil
       
       Jene Felltiere seien ein potenzieller Zwischenwirt – das fehlende
       Puzzleteil, das erklären würde, wie das Virus von der wild lebenden
       Fledermaus auf den Menschen übertragen werden konnte. „Marderhunden und
       Schleichkatzen wird lebendig das Fell über die Ohren gezogen. Die stoßen
       Todesschreie aus und brüllen, und dabei kommen Aerosole zustande. Dabei
       kann sich dann der Mensch mit dem Virus anstecken“, so Drosten.
       
       Seine Aussagen bergen weitreichende Vorwürfe. Die aktuelle Pandemie wäre
       nämlich wohl zu verhindern gewesen, wenn Peking Lehren aus der
       Sars-1-Epidemie vor knapp 20 Jahren gezogen hätte. Deswegen, sagt
       Christian Drosten, sei er auch überrascht von der jetzigen
       Sars-CoV-2-Pandemie: Er habe nämlich „in der naiven Vorstellung gelebt“,
       dass „diese Art von Tierhandel unterbunden worden sei und dass das nie
       wieder kommen würde“.
       
       Doch jener Tierhandel wurde keineswegs unterbunden, wie nicht zuletzt ein
       Blick auf den Huanan-Markt in Wuhan beweist. Auf jenem Markt, der lange als
       Ursprungsort der Pandemie galt, haben Händler ebenfalls besagte Marderhunde
       für umgerechnet rund 15 Euro pro Kilogramm verkauft, schreibt das
       Fachmagazin Nature.
       
       ## Tiere für Aufschwung
       
       Im Februar 2020, also wenige Monate nach Ausbruch der Pandemie, hatte die
       chinesische Zentralregierung Handel und Verzehr von Wildtieren verboten, um
       die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Doch wie flächendeckend das
       Verbot umgesetzt wird, ist fraglich. Nach der Sars-Epidemie zu Beginn der
       Jahrtausendwende bestand ein solches Verbot nur etwa ein Jahr lang, ehe die
       meisten Märkte wieder öffneten und die Nachfrage wieder anzog.
       
       Der Wildhandel entstand während der 80er Jahre, als sich das Land
       wirtschaftlich öffnete. Die Regierung wollte mit der Aufzucht exotischer
       Tiere die verarmte Landbevölkerung aus der Armut holen. „Die
       Wildtierindustrie hat effektiv zur regionalen wirtschaftlichen Entwicklung
       beigetragen und das Einkommen von Landwirten und lokale Steuereinnahmen
       massiv gesteigert“, schrieb dazu die Akademie für Ingenieurwissenschaften.
       
       Noch vor vier Jahren ging die Regierung davon aus, dass die Branche rund 14
       Millionen Personen Jobs und umgerechnet 66 Milliarden Euro Umsatz
       generierte. Fast 50 Milliarden davon entfallen auf den Pelzmarkt.
       
       Das Verbot des Wildhandels bezieht sich jedoch vornehmlich auf die
       Essgewohnheiten, nicht auf Heilprodukte. Noch 2019 vermeldeten Hongkongs
       Zollbehörden die Konfiszierung von Rekordmengen Schuppentieren und
       Nashörnern, die für die traditionelle chinesische Medizin illegal
       eingeführt wurden.
       
       Vor allem aber sind die Pelzbetriebe nach wie vor legal und weitgehend
       unreguliert. Marderhunde werden etwa als Zuchttiere offiziell anerkannt.
       Und nachdem in Dänemark Millionen Tiere gekeult wurden, profitierten die
       chinesischen Farmer von den gestiegenen Preisen.
       
       Es ist erstaunlich, welch strenge Maßnahmen die chinesische Regierung beim
       Kampf gegen das Virus unternimmt, um ihre Zero-Covid-Strategie
       aufrechtzuerhalten. Dabei kontrollieren die Behörden Tiefkühlprodukte aus
       dem Ausland, um den Import von Erregern zu verhindern – inklusive
       Schuldzuweisungen gegen norwegischen Lachs und deutsche Schweinshaxe. Doch
       die eigene Pelzindustrie – die größte der Welt – lässt die Regierung
       weitgehend unreguliert.
       
       9 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Corona-in-Nerzfarmen/!5724003
 (DIR) [2] https://www.republik.ch/2021/06/05/herr-drosten-woher-kam-dieses-virus
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Christian Drosten
 (DIR) China
 (DIR) Pelz
 (DIR) IG
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Keine generelle Reisewarnung mehr
       
       Ab 1. Juli hebt die Bundesregierung weite Teile der deutschen
       Reisewarnungen auf. Der Bundestag verlängerte derweil die Pandemie-Notlage.
       
 (DIR) Auswirkungen der Pandemie: Corona verschärft Lage für Arme
       
       Die Pandemie trifft die Schwächsten der Gesellschaft hart. In einem
       Fünf-Punkte-Papier schildern Betroffene ihre Probleme.
       
 (DIR) Corona in Nerzfarmen: „Pelzbranche gefährdet Menschen“
       
       Aktivisten verweisen auf die Infektionsgefahr durch Nerze. Damit könnte die
       Pelzbranche die Impfstoffentwicklung erschweren.
       
 (DIR) Biologe über Herkunft des Coronavirus: „Wir sind Teil des Tierreichs“
       
       Frettchen und Nerze können Wirte für das Coronavirus sein. Sie können es
       auf Menschen übertragen, sagt der Chef des Friedrich-Loeffler-Instituts
       Thomas Mettenleiter.
       
 (DIR) WHO schickt Corona-Experten nach China: Ursprung der Pandemie
       
       Woher kommt das neuartige Coronavirus? Bislang gibt es nur Hypothesen zum
       Ursprung der Pandemie. Das soll sich nun ändern – was aber dauern könnte.