# taz.de -- Banksy-Hotel in Bethlehem: Besatzung als Touristenattraktion
       
       > Der britische Streetart-Künstler Banksy hat direkt neben der Mauer in
       > Bethlehem ein Hotel eröffnet. Nicht alle dort sind davon begeistert.
       
 (IMG) Bild: Banksy meinte sein Kissenschlachtbild als Anstoß zum Nachdenken, viele Palästinenser aber fühlen sich provoziert
       
       BETHLEHEM taz | Direkt neben Israels gut acht Meter hoher und mit
       Stacheldraht gekrönter Trennmauer steht die neue [1][Touristenattraktion]
       von Bethlehem: „The Walled Off Hotel“ – das jüngste Projekt des britischen
       [2][Graffiti-Künstlers Banksy]. Wer von Jerusalem aus nach Bethlehem fährt,
       kommt daran vorbei, sobald er den militärischen Straßenkontrollpunkt
       passiert hat.
       
       „Es waren sicher zehn Leute“, die über Monate an dem Hotel gearbeitet
       hätten, sagt Nachbar Yamen al-Abed. Welcher von ihnen der Banksy gewesen
       ist, könne er nicht sagen. Der britische Straßenkünstler ist sehr darauf
       bedacht, seine Identität geheim zu halten. Banksy arbeitet im Schatten der
       Öffentlichkeit: Auf die Mauer, die Israelis und Palästinenser trennt, hat
       er immer wieder seine politischen Graffitis gesprüht.
       
       Zum Empfang des von ihm gestalteten Walled Off Hotel geht es vorbei an
       einem lebensgroßen Plastikaffen im roten Pagenanzug, der mit dem Inhalt
       eines geplatzten Koffers kämpft. Freundlich hält ein Palästinenser mit
       Zylinder die Tür auf – zu einem Ort, der so eindeutig mit der Erinnerung an
       das Reich längst vergangener britischer Kolonialzeiten spielt. Genau 100
       Jahre nach der Balfour-Deklaration, mit der Großbritannien 1917 den
       Zionisten das Einverständnis gab, eine jüdische Heimstätte in Palästina zu
       errichten, feierte das Hotel Eröffnung. Allein das Datum und die gewollte
       Verbindung zu dem so folgenschweren historischen Ereignis sollte
       ausreichen, um die lokale palästinensische Bevölkerung zu provozieren. Seit
       drei Wochen sind Touristen aus dem In- und Ausland, auch aus Israel,
       eingeladen, eins der zehn Zimmer zu reservieren.
       
       Keineswegs Provokation, sondern „Erinnerung“ soll das Hotel sein – daran,
       „dass ein einziger Mann (Großbritanniens früherer Premierminister Arthur
       James Balfour) in der Lage war, die Politik des Nahen Ostens zu
       beeinflussen“, sagt Wisam Salaam, Geschäftsführer des Hotels. „Fast alles
       in diesem Hotel ist ironisch. Das ist Banksys Stil.“ Die Besucher sollen
       „sich wundern und Fragen stellen“. Eine Pressemitteilung preist das Hotel
       an als „dreistöckiges Heilmittel gegen den Fanatismus – beschränkte
       Parkmöglichkeiten“.
       
       Viele Besucher kommen, um zu übernachten, einen Kaffee zu trinken oder nur
       um mal zu gucken. Das Walled Off Hotel ist schon jetzt Touristenattraktion.
       „Wir sind auf Wochen ausgebucht.“
       
       Lokale Tourguides machen mit ihren Gruppen am Hotel Zwischenstopps. Die
       Leute zücken ihre Handys und drücken auf die Auslöser. „Wir haben wieder
       Leben in diese Region gebracht“, sagt der frühere Touristenführer und
       Reiseagent Salaam zufrieden, als wieder ein Bus vor der Tür hält. „Ich
       wollte schon immer etwas Eigenes in Bethlehem aufbauen.“ Das Walled Off
       Hotel ist nun sein Unternehmen. Banksy steckt finanziell nicht mehr in dem
       Projekt.
       
       Nachbar al-Abed profitiert schon jetzt von der neuen Attraktion in seiner
       Straße. Vor sieben Jahren räumte er die Regale seines Lebensmittelgeschäfts
       leer und handelte fortan mit Graffiti-Kunst auf T-Shirts, Postern und
       Postkarten statt mit Milch, Mehl und Zucker. „Es sind immer wieder Leute in
       meinen Laden gekommen, die wissen wollten, wo die Bilder von Banksy sind“,
       sagt der 65-Jährige. Denn der britische Graffiti-Künstler hatte sich immer
       wieder nach Bethlehem geschlichen und an die Mauer gesprüht, die Israel
       baute, um sich vor Terror zu schützen. Bilder, die weltberühmt wurden: ein
       Palästinenser, der statt Steine einen Blumenstrauß wirft; eine Taube mit
       Olivenzweig und kugelsicherer Weste und ein Mädchen, das einen Soldaten
       nach Waffen abtastet – an die Mauer, die Israel baute.
       
       Für die Palästinenser waren die Trennanlagen eine Katastrophe: Immer mehr
       Leute zogen weg. „Als wir das Haus mieteten, stand es praktisch leer“, sagt
       Salaam über das Hotel. Auch der Fleischer im Erdgeschoss „hatte schon vor
       Jahren seinen Laden zugemacht, weil die Kundschaft wegblieb“.
       
       ## Das Bild einer Kissenschlacht erbost viele Palästinenser
       
       Dicke Teppiche liegen im Foyer des Hotels, Palmen, Kronleuchter, eine
       Ledercouch und ein blitzblankpolierter schwarzer Flügel. Das Personal trägt
       schwarze Uniformen mit roten Westen, die Männer zusätzlich eine Fliege. Auf
       den Tischchen stehen Zuckerdosen aus Porzellan und Kerzenständer.
       
       Nur die Werke des britischen Künstlers brechen mit dem Ambiente: Banksy
       drückt mit einem Arrangement von Überwachungskameras und Steinschleudern
       dem kolonialistischen Flair einen schelmischen Stempel auf. Über den Flügel
       hat er einen Engel mit einer Sauerstoffmaske platziert. Wie im Krimi bewegt
       sich die Bücherwand und entpuppt sich als Tür zu den Gästezimmern. Und der
       elektrische Flügel spielt jeden Abend Konzerte, ohne dass jemand die Tasten
       bedient.
       
       Banksys Humor kommt nicht bei allen Palästinensern gut an. Ein älteres Bild
       von einem israelischen Soldaten, der einen Esel auffordert, sich
       auszuweisen, erboste viele. Dem Kunstdozenten Naser Jawabra von der
       Polytechnischen Hochschule in Hebron stößt auf, dass Banksy Besatzer und
       Palästinenser auf eine Stufe stellt – so jedenfalls empfindet er es bei dem
       im Hotel hängenden Bild, das einen Soldaten und einen Palästinenser in
       einer Kissenschlacht miteinander zeigt. „Wir dürfen dieses alltägliche Leid
       nicht als einen Konflikt unter Gleichgestellten betrachten“, sagt Jawabra.
       Die Vorstellung, im Walled Off Hotel israelische Künstler zu treffen, wie
       es Banksy offenbar vorschwebt, findet er absurd. „Ich bin palästinensischer
       Künstler und lehne jede Normalisierung mit Israelis ab.“
       
       Zwischen 60 Dollar für eine Pritsche im Mehrbettzimmer und knapp 1.000
       Dollar für die „Präsidentensuite“ inklusive Whirlpool und Heimkino kostet
       die Übernachtung. Das Walled Off Hotel lockt internationales Publikum: Auf
       der Speisekarte stehen Latte und Cappuccino statt türkischem Kaffee mit
       Kardamom; Sandwiches und Scones anstelle von Falafel und Baklawa. Hier
       spricht man Englisch.
       
       Und hier wird Besatzung zur Touristenattraktion. „Wir sind ein
       Wirtschaftsunternehmern“, gibt Salaam zu, wobei die Profite vorläufig
       überschaubar seien. „Wir können kaum unsere Rechnungen bezahlen.“ Immerhin
       beschäftige das Hotel knapp 50 Angestellte, allesamt Palästinenser aus der
       Region. Und im oberen Stockwerk zeigt eine Dauerausstellung Werke
       palästinensischer Künstler. Der Unterschied zu anderen Hotels ist, „dass es
       hier die Möglichkeit für die Gäste gibt, sich über die politische Lage zu
       informieren“.
       
       Hotelgäste dürfen das kleine Museum im Keller umsonst sehen, alle anderen
       zahlen umgerechnet 4 Euro Eintritt für den Schnellkurs in Vertreibung und
       Flüchtlingsschicksal der Palästinenser, Besatzung und Mauerbau. Darin zu
       sehen: ein alter Koffer mit ein paar Kleidungsstücken; der Schlüssel zu
       einem Haus, das längst nicht mehr steht; Bilder vom Checkpoint, von
       Soldaten und Kontrollen, von einer Sonnenbrille, die auf den Trümmern eines
       zerstörten Hauses liegt; ein Video, das Gaza nach dem Krieg im Sommer 2014
       zeigt.
       
       Auch damals war Banksy in Gaza und malte eine weiße Katze mit rosa Halsband
       auf die Trümmer eines zerstörten Hauses. „Diese Katze ist ja ganz
       niedlich“, meint Kunstdozent Jawabra, „aber sie sagt nichts über unsere
       Situation aus, nichts über unser Leid und die Folter“. Banksy verharmlose
       die Situation, „er spricht von einer Sicherheitsmauer, aber es ist eine
       Apartheidsmauer“, sagt Jawabra. Dennoch begrüßt er, dass das Walled Off
       Hotel „bei den Touristen ein Bewusstsein“ für die Lage der Palästinenser
       schaffe. „Ein Bild von Banksy sagt mehr als tausend Zeitungsartikel.“
       Trotzdem würde Jawabra es vorziehen, wenn „Banksy die Realität malen würde
       – und nicht nur seine Traumwelt“.
       
       11 Apr 2017
       
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