# taz.de -- Batterierohstoff aus Thermalwasser: Erdwärmekraftwerk zu Lithiumquelle
       
       > Das begehrte Lithium wird in Deutschland bislang nur importiert. Die
       > Geothermieanlage im badischen Bruchsal soll den Rohstoff künftig liefern.
       
 (IMG) Bild: Innenaufnahme des Geothermiekraftwerks Bruchsal – hier soll künftig auch Lithium gewonnen werden
       
       FREIBURG taz | Die Idee ist, den knappen Batterierohstoff Lithium aus einem
       Geothermiekraftwerk zu gewinnen. In Bruchsal im Oberrheingraben fördert
       seit 2009 ein solches Erdwärmekraftwerk aus gut 2.500 Metern Tiefe
       Thermalwasser, das pro Liter 150 Milligramm Lithium enthält. Bislang wird
       dieses Tiefenwasser nach Nutzung der Wärme über eine zweite Bohrung mitsamt
       seiner gelösten Salze wieder in den Untergrund zurückgeführt. Künftig aber
       soll aus der Sole zuvor der begehrte Stoff extrahiert werden.
       
       Unter anderem die EnBW und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
       wollen die entsprechende Anlage in den kommenden Monaten entwickeln und im
       Laufe des Jahres aufbauen. Die Technik basiert auf einem vom KIT mit
       Partnern entwickelten mehrstufigen Verfahren, an dessen Ende ein
       Lithiumsalz ausgefällt wird.
       
       3,4 Millionen Euro sind für das Projekt veranschlagt, das Bundesministerium
       für Wirtschaft und Energie finanziert davon 80 Prozent. Selbstbewusst hat
       man das Vorhaben „UnLimited“ genannt. Das steht für: „Untersuchungen zur
       Lithiumproduktion aus heißen Tiefenwässern in Deutschland“.
       
       Es gebe bereits „vielversprechende Ergebnisse im Labormaßstab“, sagt eine
       Sprecherin der EnBW. Nun solle das Verfahren in der Pilotanlage „auf Herz
       und Nieren geprüft“ und weiter optimiert werden. In der Theorie ist das
       Konzept zweifellos attraktiv. Basierend auf der Fördermenge von 24 Litern
       Tiefenwasser pro Sekunde ergibt sich rechnerisch – je nach Laufzeit der
       Anlage – eine jährliche Ausbeute von bis zu 100 Tonnen Lithium. Bei einem
       Lithiumbedarf von bis zu 10 Kilogramm pro Pkw-Akku würde das für einige
       Tausend Fahrzeuge reichen.
       
       ## Wirtschaftlichkeit fragwürdig
       
       Bislang [1][deckt Deutschland seinen Bedarf an Lithium] vollständig über
       Importe. Die größten Förderländer sind Australien, Chile, Argentinien und
       China. Pläne für die Gewinnung von Lithium in Deutschland gab es schon vor
       Jahren; die Firma Solarworld hatte bereits 2010 das Ziel verkündet, im
       östlichen Erzgebirge Lithium bergmännisch abzubauen. Doch 2017 musste das
       Unternehmen Insolvenz anmelden. Inzwischen verfolgt die Deutsche Lithium
       GmbH, eine Ausgründung aus dem in Liquidation befindlichen Solarkonzern,
       das Thema weiter.
       
       Die Gewinnung von Lithium aus Tiefenwasser hat gegenüber dem klassischen
       Bergbau, der viel Fläche verbraucht und Abraum produziert, unstrittig
       Vorteile. Nicht überall jedoch enthält das Thermalwasser das begehrte
       Element. Nach Erkenntnissen des KIT sind erhöhte Lithiumgehalte in
       Deutschland im Norddeutschen Becken und im Oberrheingraben zu erwarten. Und
       so gibt es neben dem Projekt Bruchsal auch schon ein zweites am Oberrhein,
       nämlich am Geothermiekraftwerk Insheim in der Pfalz.
       
       Ob das Verfahren als wirtschaftlich tragfähig gelten kann, ist unterdessen
       noch unklar. Die EnBW, die das Kraftwerk in Bruchsal heute betreibt, will
       sich dazu nicht äußern; dafür sei es noch zu früh. Am KIT versichert
       Geochemiker Jochen Kolb, man werde „zum jetzigen Weltmarktpreis fördern“
       können, schränkt aber zugleich ein: „Wenn wir das Upscaling erfolgreich
       bestreiten“ – wenn also der Schritt aus dem Labor in die Praxis gelingt.
       
       Fragezeichen sind bei der Wirtschaftlichkeit angebracht, zumal wenn es um
       mögliche Nachfolgeprojekte geht. Denn schon das Kraftwerk in Bruchsal wurde
       erst durch massive Fördergelder von Bund und EU möglich. Die 17 Millionen
       Euro teure Anlage blieb deshalb bis heute das einzige Erdwärmekraftwerk
       Baden-Württembergs, trotz einst zahlreicher Pläne.
       
       Schließlich kann die geringe Stromausbeute kaum motivieren. Zahlen nennt
       die EnBW zwar auch nach nunmehr zehn Betriebsjahren nicht, doch allzu hoch
       können diese schon rechnerisch nicht sein bei einer elektrischen Leistung
       der Anlage von gerade 440 Kilowatt. So vermag die jährliche Stromproduktion
       selbst unter optimalen Annahmen [2][nicht einmal die Ausbeute einer
       einzigen mittelgroßen Windkraftanlage zu erreichen].
       
       Die Frage aus Sicht der Geothermie wird also vor allem diese sein: ob die
       Lithiumgewinnung die Wirtschaftlichkeit der Kraftwerke verbessern kann –
       oder aber sogar weiter verschlechtert.
       
       17 Feb 2021
       
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