# taz.de -- Box-Weltmeistertitel als Ziel: Harte Arbeit, harte Schläge
       
       > Die Hamburgerin Natalie Zimmermann hat vom Kickboxen zum Boxen
       > gewechselt. Nun ist sie fast 40 und hat das Ziel, Weltmeisterin zu
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Hat den härtesten Schlag, den ihr Trainer je bei einer Frau erlebt hat: Natalie Zimmermann
       
       HAMBURG taz | Es ist neun Uhr morgens im EC Boxgym am Berliner Tor in
       Hamburg. Ein Geruch von Schweiß und Gummi liegt in der Luft. Natalie
       Zimmermann macht sich warm. Sie springt Seil. Mal auf dem einen, dann auf
       dem anderen, und schließlich mit beiden Beinen. „Früher bin ich direkt vom
       Auto in den Ring gestiegen. Aber jetzt, wo ich älter bin, muss ich mich
       schon länger warm machen“, sagt sie, ehe sie zu der am Boden liegenden
       Athletikleiter wechselt.
       
       Mit fast 40 Jahren will Zimmermann Boxweltmeisterin werden – obwohl sie den
       Sport seit gerade einmal drei Jahren betreibt. Lange war sie Kickboxerin,
       sogar Vizeweltmeisterin, davor im Taekwondo recht erfolgreich. Nun möchte
       sie den ganz großen Wurf im Boxen schaffen: „Nach 20 Jahren Kampfsport
       möchte ich mit einem WM-Titel abtreten. Das habe ich mir verdient“, sagt
       Zimmermann.
       
       Die Schlagkraft dafür hat sie. „Was für einen Wumms die hat, unglaublich!“,
       sagt Trainer Andre Walther, während sein Schützling mit solch einer Gewalt
       in die Pratzen schlägt, dass der Knall den ganzen Raum füllt. Eine Frau,
       die so hart zuschlägt, habe er noch nie trainiert.
       
       Das könnte allerdings auch am schlechten [1][Zustand des Frauenboxens in
       Deutschland] liegen. In Amerika lieferten sich kürzlich [2][Katie Taylor
       und Amanda Serrano] als erste Frauen einen Main-Event-Kampf im New Yorker
       Madison Square Garden. Zimmermann liegt in der weltweiten Rangliste nur 20
       Plätze hinter Taylor, ist von Profibedingungen aber weit entfernt. Sie muss
       neben dem Boxen noch als Physiotherapeutin arbeiten.
       
       ## Neun Kämpfe, neun Siege
       
       „Es gibt zu wenige Talente im deutschen [3][Frauenboxen]. Und die, die es
       gibt, werden zu früh verheizt“, sagt Walther. Oftmals würden die
       Kämpferinnen von ihren Vätern vermarktet. „Da sind die Eltern vielleicht
       manchmal zu ehrgeizig, für das Wohl ihrer Töchter.“
       
       Deswegen will er Zimmermann behutsam an einen WM-Kampf heranführen. Die
       beiden arbeiten seit einem halben Jahr zusammen. Davor stand sie beim
       Universum Gym unter Vertrag, wo schon die Klitschko-Brüder trainierten. Die
       fünf bis sechs Kämpfe pro Jahr, die der Promoter gefordert habe, habe sie
       nicht abliefern wollen, sagt Zimmermann. In dem viel kleineren EC Boxgym
       fühle sie sich deutlich wohler. „Wenn ich bei Universum am Boxsack stand,
       dann waren da immer drei Trainer um mich herum, die mir gesagt haben, was
       ich falsch mache.“ Im neuen Gym gehe alles etwas ruhiger zu.
       
       Noch sieht man, dass Zimmermann eigentlich Kickboxerin ist. Ihre Beinarbeit
       ist mehr auf Tritte ausgelegt. Trainer Walther fordert sie immer wieder
       dazu auf, ihre Schläge gerade zu setzen. Trotzdem hat sie es geschafft, mit
       neun Siegen aus neun Kämpfen an die Spitze der Rangliste im deutschen
       Leichtgewicht zu klettern. Bis zum kommenden Sommer sollen nochmal drei
       Siege her, dann könnte sich die Chance auf einen Titelkampf ergeben. Andre
       Walther glaubt fest daran, dass sie das schaffen kann. „Ich würde sie nicht
       auf diesem Weg begleiten, wenn ich kein Vertrauen in sie hätte.“
       
       Zimmermann selbst hat nicht weniger Vertrauen in sich. Ein Titelkampf in
       den USA gegen Katie Taylor wäre der absolute Höhepunkt ihrer Karriere, sagt
       sie. „Dann müsste ich sie aber auch ausknocken, damit die Richter mir den
       Sieg geben müssen“, sagt sie selbstbewusst. Die Ringrichter in den USA
       würden einheimische Kämpfer*innen nämlich gerne bevorzugen.
       
       ## Arbeit an der Defensive
       
       Nach einer Runde im Ring mit Walther ist die Späteinsteigerin ganz schön
       geschafft. „Ich spüre meine Lunge“, prustet sie. Weil sie nach einer
       Coronaerkrankung fast durchgehend trainiert und gekämpft hatte, rieten ihre
       Ärzte dazu, sich die letzten vier Wochen freizunehmen und einen Kampf im
       Oktober abzusagen.
       
       Ihre Gesundheit ist Zimmermann wichtig: „Im ersten Kampf wollte ich noch
       unbedingt auf den Knockout gehen und habe wie eine Berserkerin gekämpft.
       Jetzt versuche ich, defensiver zu kämpfen und möglichst wenig getroffen zu
       werden.“ Schließlich wolle sie auch noch die Zeit nach ihrer Karriere
       genießen. Sie würde gerne noch Mutter werden, wenn es mit dem Boxen vorbei
       ist, sagt Zimmermann. „Aber erst mal wird gechillt. Als Kampfsportlerin hat
       man keine Freizeit und ich arbeite ja auch noch.“
       
       ## Disziplin von Kindheit an
       
       Ihre Arbeit als Physiotherapeutin hilft ihr, zu erkennen, was sie ihrem
       Körper zumuten kann und was nicht. Auch aus ihrer Kindheit auf dem
       Bauernhof ihrer Eltern nahm sie viele wichtige Lehren mit. „Wir mussten uns
       immer vor und nach der Schule um die Schafe kümmern, jeden Tag.“
       
       So habe sie früh Disziplin gelernt – und hart zu arbeiten. Eine
       Eigenschaft, die man ihr auch beim Boxen anmerkt. Ihrem großen Ziel ordnet
       sie alles unter: „Wenn man mich vor die Wahl stellen würde, entweder eine
       Million Euro oder einen WM-Titel zu bekommen, dann würde ich immer den
       WM-Titel nehmen.“ Beides gemeinsam ist im deutschen Frauenboxen bisher
       ohnehin unwahrscheinlich.
       
       17 Sep 2022
       
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