# taz.de -- Bündnis von Fridays for Future und Verdi: Fahren und gefahren werden
       
       > Fridays for Future unterstützt den Warnstreik im ÖPNV: Für eine
       > Verkehrswende braucht es mehr Personal – und das bessere
       > Arbeitsbedingungen.
       
 (IMG) Bild: Am Streiktag bleiben die BVG-Busse im Depot
       
       Noch steht Darya Sotoodeh am Rand des Streikpostens, der sich vor dem hohen
       Tor des Busdepots im Berliner Stadtteil Wedding aufgestellt hat. Um die 70
       Personen sind da. Die 26-jährige Klimaaktivistin ist um 3 Uhr aufgestanden,
       um sich an die Seite der Verkehrsbeschäftigten zu stellen. Es ist halb
       sechs, der 2. Februar, noch ist es dunkel. Was für die einen mitten in der
       Nacht ist, ist für Busfahrer*innen ganz normaler Betriebsbeginn. Nur
       nicht an diesem Morgen. Flutlicht erhellt den Betriebshof, auf dem die
       gelben Busse der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) parken. Gefahren werden
       sollen sie nicht. Zumindest bis 10 Uhr, denn bis dahin bestreiken die
       Beschäftigten die BVG, im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen.
       
       Für Darya Sotoodeh ist es der erste Warnstreik. Sie ist keine
       Gewerkschafterin. Aber die Probleme im Verkehrssektor und der Austausch mit
       den Beschäftigten sind ihr vertraut. Lange war die Klimaaktivistin
       Sprecherin für Fridays for Future Deutschland. Seit über einem halben Jahr
       engagiert sie sich aber vermehrt in der Öffentlichkeitsarbeit eines neuen
       Bündnisses. „Wir fahren zusammen“ heißt die Kampagne, die die Klimabewegung
       gemeinsam mit Verdi und Beschäftigten gegründet hat. Sie ist Teil einer
       neuen Strategie der Klimabewegung, um das Dilemma zu lösen, dass das eine –
       die Verkehrswende – nicht ohne das andere – die Beschäftigten – gelingen
       kann.
       
       Am Streikposten wollen die Verbündeten ihre Solidarität in der Praxis
       ausdrücken. „Wir zeigen heute: Wir sind laut. Wir sind ein breites Bündnis
       mit gemeinsamen Interessen“, sagt Sotoodeh. Es gehe darum, dass die
       Beschäftigten „bessere Arbeitsbedingungen bekommen und unser Nahverkehr
       eine Zukunft“. Der Tag war einer der bisherigen Höhepunkte des Bündnisses
       in der Tarifrunde im öffentlichen Nahverkehr 2024, die in den meisten
       Bundesländern gerade läuft. Nicht nur in Berlin, sondern bundesweit hat die
       Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zur Arbeitsniederlegung aufgerufen. Mit
       Ausnahme von Bayern, wo der aktuelle Tarifvertrag noch läuft.
       
       Auch am 29. Februar und am 1. März hat Verdi zu einem Warnstreik bei den
       Verkehrsbetrieben aufgerufen. Am Freitag fällt der Arbeitskampf zusammen
       mit einem Klimaaktionstag – unter dem Motto des neuen Bündnisses „Wir
       fahren zusammen“.
       
       Globaler Klimastreik ist in diesem Jahr am 19. April. Nach antisemitischen
       Postings auf Instagram im November hatte sich Fridays for Future
       Deutschland von den internationalen Gruppen distanziert. Deshalb beteiligt
       sich die deutsche Sektion auch nicht am globalen Aktionstag, sondern
       organisiert einen nationalen – zusammen mit Verdi.
       
       Auch auf die Gefahr hin, dass womöglich weniger Menschen auf die Straßen
       gehen, weil der Streik im Verkehr ein zusätzliches Hindernis auf dem Weg
       zur Demo sein könnte. Aber der Tag könne auch zeigen, welche Folgen der
       Fachkräftemangel im Nahverkehr hätte und wie es künftig aussähe, wenn sich
       die Situation für die Beschäftigten nicht verbessere, sagt Sotoodeh. Und
       auf das Thema will das Bündnis aufmerksam machen.
       
       Die Klimabewegung befindet sich im Wandel. Ihre Strategien der vergangenen
       Jahre funktionieren nicht mehr. Das, was die Fridays am besten konnten –
       große Massen auf die Straße bringen –, gelingt ihnen seit der
       Coronapandemie nicht mehr. Lange schon protestiert die Klimabewegung nur
       noch unregelmäßig freitags.
       
       Immerhin im Kampf um das Dorf Lützerath beim Tagebau Garzweiler II konnte
       sie zeigen, dass sie immer noch Tausende versammeln kann. Retten konnte sie
       das Dorf dennoch nicht. Und auch die Letzte Generation als radikalere
       Gruppe sieht sich gezwungen, ihre bisherige Protestform aufzugeben und sich
       nicht mehr auf Straßen zu kleben. Die Kampagne „Wir fahren zusammen“ ist
       für die Fridays einer der Wege, sich weiterzuentwickeln.
       
       Die Gruppen am Streikposten am 2. Februar sind sichtbar unterschiedlich. Da
       sind die Beschäftigten nahe dem Eingang, viele von ihnen ältere Männer in
       Jacken des Verkehrsbetriebs, darüber gelbe Warnwesten. Konträr dazu stehen
       viele junge Klimaaktivist*innen und Studierende wie Sotoodeh. Aber
       auch Pflegekräfte und Mitglieder der Kampagne „Deutsche Wohnen und Co
       enteignen“ unterstützen den Streik. Ohne all die Unterstützer*innen
       wären hier lediglich halb so viele Menschen. Nur gemächlich mischen sich
       die Gruppen.
       
       Eine der Unterstützenden legt selbstgebackene Schokomuffins auf einen
       kleinen Tisch, jemand anderes stellt Kekse dazu. Aus dem Inneren des Hofes
       schleppt einer der streikenden Busfahrer einen großen silbernen
       Kaffeespender, dazu kommen Pappbecher und H-Milch. Gemeinsam greifen sie
       zu, kalte Finger klammern sich um die warmen Becher.
       
       Etwas später steht auch der Ton. Neben dem kleinen Tisch haben zwei der
       Aktivist*innen einen Lautsprecher aufgebaut, der hoch über die
       Umstehenden ragt. Und die jungen Aktivist*innen tun das, was sie durch
       ihre Arbeit bei Fridays for Future schon früh gelernt haben: vor großen
       Gruppen sprechen. „Heute ist kein Arbeitstag – heute ist Streiktag“, rufen
       Aktivist*innen und Beschäftigte. Ihre Stimmen hallen über den Hof und
       die breite Straße. Dann sind die Beschäftigten eingeladen: „Greift zum
       Mikro und erzählt von euren Erfahrungen“. Anfangs traut sich niemand.
       
       ## Neue Strategie gibt Hoffnung
       
       Nicht erst bei diesen Tarifverhandlungen arbeiten Fridays for Future und
       Verdi miteinander. Bereits zu den Nahverkehrs-Tarifverhandlungen 2020
       hatten die Klimaaktivist*innen die Beschäftigten im Protest
       unterstützt. Mit der neuen Kampagne, die sich voriges Jahr gegründet hat,
       entsteht erstmals ein festeres Bündnis.
       
       Viele in der Bewegung sagen, die neue Strategie, für linke Ziele außerhalb
       der eigenen Blase zu werben, gebe ihnen seit Langem wieder Hoffnung, die
       Klimakrise wieder stärker in den Fokus zu rücken. Mit dem Versuch, soziale
       und klimapolitische Kämpfe zu verbinden, sollen Menschen außerhalb der
       Klimablase gewonnen werden. Angefangen bei den Beschäftigten im
       Nahverkehr. Dafür gilt es, Gemeinsamkeiten zu finden und einander
       zuzuhören.
       
       Seit Herbst wird auf die Streiks hingearbeitet. Unter anderem hat das
       Bündnis „Wir fahren zusammen“ eine Petition verfasst, mit der es sowohl die
       Mitarbeitenden des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) als auch
       Fahrgäst*innen ansprechen will. Die Forderungen: bessere
       Arbeitsbedingungen und mehr Personal im Nahverkehr sowie massive
       Investitionen in die Verkehrswende. Wollen Bund und Länder ihr Ziel
       erreichen, den ÖPNV auszubauen und die Fahrgastzahlen bundesweit bis 2030
       zu verdoppeln, müssten 16 Milliarden Euro jährlich investiert werden,
       argumentieren die Aktivist*innen.
       
       An einem bundesweiten Sammelaktionstag am 1. Dezember vergangenen Jahres
       war auch George Rainov auf Unterschriftenjagd im Leipziger öffentlichen
       Nahverkehr. Seine Argumente kennt er auswendig. Der 28-Jährige hat schon
       hunderte Überzeugungsgespräche geführt. Mit der Schulter an die Haltestange
       gelehnt, beugt sich Rainov seiner Gesprächspartnerin entgegen.
       
       Es ist eisig kalt im verschneiten Leipzig an diesem Freitag Anfang
       Dezember. Dementsprechend voll ist die Straßenbahn auf dem Weg in den
       Leipziger Westen. Sie schwankt leicht beim Fahren. Rainovs Blick bleibt auf
       die Frau vor ihm gerichtet. „Wenn so ein Wetter ist, was würden Sie dann
       ohne Bahn machen?“, fragt er. Weil Fahrer*innen fehlen, haben viele
       Verkehrsbetriebe schon jetzt die Taktungen reduziert. Wenn die
       Verkehrswende kommen soll, braucht es weit mehr Personal. Deshalb müssten
       die Mitarbeitenden des öffentlichen Personennahverkehrs in ihren
       Tarifverhandlungen unterstützt werden, versucht Rainov die Frau zu
       überzeugen. Unterschreiben will sie nicht. Nur einen Flyer nimmt sie mit.
       
       George Rainov hat die Leipziger Ortsgruppe von „Wir fahren zusammen“ seit
       Januar 2023 mit aufgebaut. Über 20 Stunden die Woche steckt er in die
       Kampagne. Schon früh sah der gebürtige Hallenser die Notwendigkeit,
       Klimaschutz und Sozialpolitik gemeinsam zu denken. „Bei Klimapolitik wird
       Soziales oft nicht mitgedacht“, sagt Rainov.
       
       ## Klimaschutz finanzieren, ohne bei Sozialem zu kürzen
       
       Genauso sieht es Darya Sotoodeh. Sie beschreibt es wie folgt: Bei jeglicher
       Forderung, ob nach einer menschenrechtskonformen Asyl- und
       Migrationspolitik, nach konsequenten Klimaschutzmaßnahmen oder nach mehr
       Investitionen in Bildung oder Soziales, sei die politische Antwort die
       gleiche: Es fehle an Geld. Gebe man mehr für das eine, müsse man mehr am
       anderen sparen. „Und so wird Klima gegen Soziales ausgespielt und Soziales
       gegen Geflüchtete.“ Sotoodeh findet: „Es gibt Lösungen und genug Geld für
       uns alle.“ Um die Forderungen gemeinsam durchzusetzen, müsse man „alle
       Menschen, die von der Politik vernachlässigt werden, zusammenbringen“..
       
       Die Fridays-for-Future-Bewegung, die Greta Thunberg 2018 startete, hatte
       immerhin einen Erfolg: Sie machte die Klimakrise allen begreifbar. Aber sie
       konnte nur wenig in politische Ergebnisse übersetzen, stellt Felix Anderl,
       Protestforscher an der Uni Marburg, fest. „Für die Aktivistis selbst ist es
       natürlich enttäuschend, wenn man jahrelang auf die Straße geht, alle einem
       gut zureden, aber am Ende trotzdem weiter Kohle verbrannt wird.“
       
       Fünf Jahre nach ihrer Gründung geht es der Bewegung nun mehr darum, wie
       Klimaschutz umgesetzt wird, und darum, alle mitzunehmen. Die Politik müsse
       Klimaschutz finanzieren, ohne bei sozialen Themen zu kürzen, fordern
       Fridays for Future.
       
       Der Protestforscher Anderl sieht in dem neuen Bündnis eine
       Weiterentwicklung. Wer für Klimagerechtigkeit werbe, müsse auch glaubwürdig
       sein. Wie auch die Grünen hätten Fridays for Future in der Hinsicht ein
       Problem. Das akademische Milieu, das die Klimabewegung größtenteils
       repräsentiere, sei auch eine Schwäche. Denn der Bewegung fehle der Zugang
       zu anderen sozialen Gruppen. „Ich glaube, sie sind gut beraten, sich
       Allianzpartner hinzuzuholen“, sagt Anderl. Gerade die Verbindung mit den
       Gewerkschaften sei spannend, da diese ganz automatisch andere Bedürfnisse
       und Themen auf dem Schirm haben.
       
       Themen wie die Rolle der Fahrer*innen in der Verkehrswende. Der
       Leipziger George Rainov sagt: „Vielen Fahrgästen fehlt der Zugang zur
       Lebensrealität der Fahrer*innen, sie wissen nicht, wie der Arbeitsalltag
       des Fahrpersonals aussieht.“
       
       ## „Wir brauchen Bus und Bahn“
       
       Das zu vermitteln, darin sieht Darya Sotoodeh ihre Aufgabe. Die Wollmütze
       über die Stirn gezogen und die schwarze Winterjacke bis zum Hals
       geschlossen, spricht sie in eine Handykamera. Auf ihrer neongelben
       Warnweste prangen das Verdi-Logo und ein lila Sticker mit Bus und Bahn, auf
       dem „Wir fahren zusammen“ steht. „Egal, ob wir zur Arbeit, Schule, zum Arzt
       oder zu einer Party wollen. Dafür brauchen wir Bus und Bahn, die regelmäßig
       und zuverlässig kommen“, sagt sie. In den vergangenen Monaten haben
       Mitglieder des Bündnisses eine Vielzahl von professionellen
       Kampagnen-Videos gedreht, in denen Beschäftigte von ihrer Arbeit erzählen
       und erklären, was aus ihrer Sicht das große Problem ist.
       
       Im öffentlichen Nahverkehr ist der Fachkräftemangel längst angekommen. 2022
       hatte mindestens die Hälfte der Unternehmen ihren Verkehr mangels Personals
       zeitweise eingeschränkt. Zu dem Ergebnis kam eine Branchenumfrage des
       Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen. Die Busbranche prognostizierte im
       Februar 2023 einen Fahrer*innenmangel bis 2030 von 87.000 Menschen.
       
       Der Generationenwechsel, die Babyboomer, die in Rente gehen, aber auch
       schlechte Arbeitsbedingungen verschärfen die Lage. Vielerorts sind laut
       Verdi die Probleme im ÖPNV vergleichbar: Personalmangel, überlange
       Schichten, zu kurze Pausen, zahllose Überstunden.
       
       Das sind die Kernthemen, um die es in der aktuellen Tarifrunde geht, die
       laut Ver.di mehr als 130 kommunale Verkehrsunternehmen in Städten und
       Landkreisen mit insgesamt 90.000 Beschäftigten betrifft. Auch wenn sich die
       Forderungen von Land zu Land unterscheiden. In Brandenburg, dem Saarland,
       Sachsen-Anhalt und Thüringen verhandeln die Beschäftigten auch über Löhne
       und Gehälter.
       
       Wieder in der Leipziger Straßenbahn Anfang Dezember. George Rainov wendet
       sich der nächsten Fahrgästin zu, und plötzlich flutscht es. Die Schülerin
       hat einen Teil seines vorigen Gesprächs mitgehört. Der Stift hakt, aber sie
       unterschreibt. Als sie Richtung Tür geht, kommt ein weiterer junger Mann
       auf Rainov zu. Rainov will ihn vorbeilassen. Doch er will unterschreiben.
       „In der Schule habe ich ein Praktikum im Verkehrsbetrieb in Freiburg im
       Breisgau gemacht“, sagt er. In dem eng getakteten Zeitplan zu arbeiten,
       könne er sich nicht vorstellen. George Rainovs Anliegen spricht sich herum.
       Eine weitere Frau will unterschreiben. Und ihr Sitznachbar auch.
       
       Lauter kleine Erfolgserlebnisse. „Zehn gute Gespräche sind besser als 100
       Unterschriften“, glaubt Rainov. Nur so könnten sie Mitstreiter*innen
       gewinnen, die im Frühjahr mit ihnen auf die Straße gehen. Mittlerweile
       haben „Wir fahren zusammen“ nach eigenen Angaben in ganz Deutschland Stand
       Mittwoch über 121.000 Unterschriften gesammelt. Mindestens 70.000 stammten
       aus Gesprächen, andere kamen auch online hinzu, nachdem es die Petition
       mittlerweile auch auf Campact gibt.
       
       Ihre Petition haben die Aktivist*innen auch am Streikposten Anfang
       Februar in Berlin dabei. In den Händen und am Rand liegen Klemmbretter.
       Mittlerweile ist es hell geworden. Die Stimmung hat sich gelöst. Es läuft
       Musik, Klassiker. „Money, Money, Money“ von Abba und „Under Pressure“ von
       Queen spielen die Aktivist*innen auf Wunsch eines Beschäftigten.
       
       Eine Busfahrerin hat sich mittlerweile getraut eine Rede zu halten. Die
       34-Jährige fährt seit über zehn Jahren Bus. Sie erzählt, wie viel Spaß ihr
       der Job mache, von Fahrgästen, die sich für ihren ruhigen Fahrstil
       bedanken, und ihr nettes „Hallo“.
       
       Aber auch von den Problemen: „Wir können nicht auf Toilette gehen an ’ner
       Endhaltestelle.“ Zeitlich sei das oft nicht drin. Sie erzählt von
       Fahrgästen, die sie beschimpfen, wenn sie wenige Minuten zu spät kommt. Von
       Radfahrer*innen, die sie ausbremsen, weil Busspuren fehlten. All das führe
       zu extremem Stress, der krank mache. „Wir brauchen Zeiten, um uns zu
       regenerieren. Zeit, in der wir mit unserer Familie Kraft sammeln können.“
       
       Mit ihren Worten berührt sie viele, auch die drei Politiker*innen, die
       am Streikposten dabei sind, darunter Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende
       der Grünen im Bundestag. Allein dass Bundespolitiker*innen kommen,
       kann die Bewegung als Erfolg verbuchen. Denn so gibt es mehr Aufmerksamkeit
       für die Anliegen der Beschäftigten. „Ich war am Anfang skeptisch, aber bin
       mittlerweile hellauf begeistert. Dass die jungen Leute sich da so
       engagieren und mit uns streiken, finde ich toll“, sagt Streikleiter Stefan
       Sievert am Morgen. „Dieses Mal war einfach eine andere Atmosphäre mit Musik
       und Reden. „Das habe Spaß gemacht.
       
       ## „Wir fahren zusammen“ als Imagekampagne
       
       Die Beteiligung von Fridays for Future hat auch einen weiteren positiven
       Effekt: Vielen Gewerkschaften fällt es schwer, Nachwuchs zu gewinnen.
       Deshalb könnte sich das Bündnis schon allein als Image- und
       Mitgliederkampagne lohnen.
       
       Aber würden die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe sich umgekehrt auch an
       Klimaprotesten von Fridays for Future beteiligen? Schaut man sich Bündnisse
       aus der Vergangenheit an, ging es oft punktuell um konkrete Kampagnen.
       Nicht immer ist es leicht, eine gemeinsame Linie zu finden. „Die großen
       Gewerkschaften haben oft Angst, dass es zu radikal werden könnte“, sagt
       Protestforscher Anderl. Dann könnten womöglich Mitglieder austreten. Eine
       radikalere Haltung könnte ihnen bei kommenden Tarifverhandlungen auch vor
       die Füße fallen. „Deswegen sind sie sehr darauf bedacht, seriös
       rüberzukommen.“
       
       Aber auch Fridays for Future sei ein seriöses Image wichtig, wie man in den
       vergangenen Jahren immer wieder gesehen habe, sagt Anderl. Das könnte
       Konflikte zwischen den Bündnispartnern schmälern.
       
       In der Gewerkschaft ist vielen sicherlich auch bewusst, dass die Jobs der
       Zukunft – auch im Dienstleistungsgewerbe – von einer ordentlichen
       Transformation abhängen. Andreas Schackert, Bundesfachgruppenleiter Busse
       und Bahnen bei Verdi, sagt, im Bündnis „Wir fahren zusammen“ gehe es auch
       um eine große politische Idee von Mobilität und Verkehrswende.
       
       Schon heute belaste der Fachkräftemangel enorm. Doch man brauche noch mehr
       Menschen, um den ÖPNV weiterzuentwickeln. Das mache den Konflikt um
       Arbeitsbedingungen zu einem hochpolitischen. „Wir können in Tarifrunden gut
       streiken und verhandeln. Aber das ist nur wirksam, wenn nachhaltig Geld ins
       System kommt“, sagt er der taz. Denn wolle man die Beschäftigten entlasten,
       bräuchte man mehr Personal – und das müsse finanziert werden.
       
       Es brauche eine bundesweite Lösung, wie der ÖPNV künftig geregelt wird. Die
       müssten Bund und Länder gemeinsam finden. „Es geht nicht, dass die Kommunen
       alleine zuständig sind und der Bund sich alleine um den Schienennahverkehr
       kümmert.“ Bisher gebe der Bund an die Städte sogenannte
       Regionalisierungsmittel. Die reichten nicht aus. Hätten die Städte mehr
       Geld, könnten sie auch mehr in ihre Verkehrsinfrastruktur und die
       Arbeitsbedingungen investieren.
       
       Deshalb will das Bündnis „Wir fahren zusammen“ seine gesammelten
       Unterschriften am Freitag auch an die Bundespolitik überreichen. An
       Kommunalpolitiker*innen wurden die Unterschriftensammlungen bereits
       übergeben.
       
       Mit dem Warnstreik in dieser Woche will Verdi Druck auf die
       Arbeitgeberverbände ausüben, auf die Forderungen der Gewerkschaft
       einzugehen. Gleichzeitig will Verdi zeigen, dass es die Klimakrise im Blick
       hat.
       
       ## In Deutschland sind politische Streiks verboten
       
       Die Verknüpfung der beiden Themen ist nicht ganz einfach. Die
       Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hatte im vergangenen
       Jahr kritisiert, wenn Verdi Arbeitskämpfe und allgemeinpolitische Ziele
       miteinander vermische, gerate die Gewerkschaft schnell auf ein Spielfeld
       jenseits der deutschen Tarifautonomie. Grundsätzlich sind in Deutschland
       politische Streiks verboten. Ganz trivial sei der Vorwurf nicht, befanden
       auch Arbeitsrechtler.
       
       Verdi-Fachgruppenleiter Schackert sieht das anders. Auf einer
       Pressekonferenz zum Klimastreik vergangene Woche stellte er klar: „Die
       Streiks sind für uns kein Mittel zur politischen Demonstration, sondern
       Arbeitskampfmittel, die wir sehr gezielt und wohldosiert einsetzen.“ Was
       bleibt, ist ein möglicher Widerspruch zwischen aktuellen Interessen von
       Arbeitnehmer*innen und Notwendigkeiten für eine gute Zukunft für alle
       – typisch für Transformationsprozesse.
       
       Und wie geht es nach dem Nahverkehrsstreik vom 29. Febuar und 1. März
       weiter? „Wir fahren zusammen“ will weiterhin die Beschäftigten in ihren
       Tarifverhandlungen unterstützen. Wenn Verdi am Ende mit besseren
       Arbeitsbedingungen aus den Verhandlungen gehe, sei das allein schon ein
       Gewinn, sagt Rainov. Auch wenn damit noch nicht die große Verkehrswende
       eingeläutet wäre. Die Klimakämpfer*innen sind sich bewusst, dass sie
       vermutlich noch häufiger Druck auf die Straße bringen müssen.
       
       Die Klimaaktivistin Sotoodeh macht einen Erfolg des Bündnisses von mehr
       abhängig als nur von den Forderungen an die Politik. Nämlich davon, dass
       Menschen auf der Straße erkennen, dass die Lösung für all die Krisen sei,
       sich zusammenzutun, um gemeinsam Druck auf die Politik auszuüben, ihrer
       Verantwortung für eine gute Daseinsfürsorge gerecht zu werden. Wenn alle
       Menschen erkennen würden, dass Klimagerechtigkeit möglich und gut für alle
       sei. „Ein Stück weit haben wir das schon geschafft“, glaubt Sotoodeh,
       „durch die vielen Kontakte mit Beschäftigten und Fahrgästen.“
       
       In der Theorie stimmen viele sicherlich zu, dass es notwendig ist, eine
       klimaneutrale Wirtschaftspolitik zu formulieren, die gleichzeitig auch
       sozial ist, glaubt der Protestforscher Anderl. Die Umsetzung sei aber eine
       ganz andere Frage. Die Forschung unterscheide zwischen notwendigen und
       ausreichenden Bedingungen für Veränderung. „Breite Allianzen sind
       notwendige Bedingungen für eine sozialökologische Transformation.“ Wenn sie
       auch nicht ausreichend seien.
       
       29 Feb 2024
       
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       Chancen.
       
 (DIR) Streiks bei der BVG: BVG sagt Tarifverhandlung ab
       
       Am Freitag bestreikt Verdi die BVG, gleichzeitig sollte eigentlich über den
       Tarifvertrag verhandelt werden. Die BVG will da nicht mitspielen.
       
 (DIR) Warnstreik im Nahverkehr: Der Bus kommt nicht
       
       Die Beschäftigten im ÖPNV fordern bessere Arbeitsbedingungen. Im Bündnis
       mit „Wir fahren zusammen“ finden die Streikenden bei der Politik Gehör.
       
 (DIR) Luisa Neubauer über AfD-Proteste: „Das wird ein hartes Jahr“
       
       Die Klimaaktivistin spricht über das zivilgesellschaftliche Momentum. Und
       darüber, was den Kampf gegen den Klimawandel mit dem Kampf gegen Rechts
       verbindet.