# taz.de -- Luisa Neubauer über AfD-Proteste: „Das wird ein hartes Jahr“
       
       > Die Klimaaktivistin spricht über das zivilgesellschaftliche Momentum. Und
       > darüber, was den Kampf gegen den Klimawandel mit dem Kampf gegen Rechts
       > verbindet.
       
 (IMG) Bild: Nicht mehr nur Klimaaktivistin: Luisa Neubauer bei einer Kundgebung gegen Rechts am 14. Januar in Berlin
       
       taz: Frau Neubauer, Sie haben vor einer Woche in Berlin den Protest gegen
       die AfD mitorganisiert und damit etwas losgetreten: An diesem Wochenende
       sind [1][Hunderttausende bundesweit] auf die Straßen gegangen. Sind Sie vom
       Ausmaß der Proteste überrascht? 
       
       Luisa Neubauer: Ja, ich bin überrascht, aber auch erleichtert, froh und
       dankbar darüber. Man konnte in den letzten Monaten oder sogar Jahren leicht
       den Eindruck gewinnen, dass Teile der Gesellschaft angesichts des
       Rechtsrucks resigniert hätten und annehmen, dass die eigenen Sorgen nicht
       von anderen geteilt werden. Der Zynismus und der Faschismus leben ja von
       dieser Krisenmüdigkeit, von diesem Schweigen und der Vereinzelung.
       
       Welche Rolle spielen Fridays for Future bei den Protesten? 
       
       Fridays for Future hat in den vergangenen Jahren große Demo-Kapazitäten
       aufgebaut und wir sind froh, dass wir die an ganz vielen Orten einsetzen
       und die Menschen dort unterstützen können, die aus eigenem Antrieb auf die
       Straße gehen. Aber ich möchte unsere Rolle nicht überbewerten. Das hat eine
       Eigendynamik entwickelt, und es stehen breite demokratische Bündnisse
       dahinter.
       
       Auslöser der Proteste war der Correctiv-Bericht über ein rechtes Treffen in
       Potsdam, bei dem Vertreibungspläne diskutiert wurden. Warum hat das so eine
       Resonanz gefunden? 
       
       Das Unbehagen war offensichtlich schon länger da. Es fehlte nur [2][das
       Momentum, das Bewegungen brauchen]. Dieser Bericht war dann der Kipppunkt.
       Gleichzeitig rollt diese Welle nicht nur, weil Menschen die Überzeugung
       eint, dass unsere Demokratie gefährdet ist. Sondern auch – und das ist
       entscheidend – weil sie wissen, dass das nicht so bleiben muss, dass wir
       die politischen Verhältnisse verändern können. Deswegen fühlen sich so
       viele Menschen davon angesprochen.
       
       Wie finden Sie es, wenn Politiker von Regierung und Union jetzt auf die
       Proteste aufspringen? 
       
       Die Proteste richten sich an ganz vielen Orten nicht nur gegen die AfD,
       sondern gegen den Rechtsruck insgesamt. Viele sind überzeugt, dass man den
       Rechtsruck nicht mit einem Rechtsruck bekämpfen kann. Ich auch. Diese
       politische Herangehensweise schien eine Weile lang ja vorherrschend zu
       sein. Da sind alle politischen Parteien gefragt, sich kritisch zu
       hinterfragen. Gleichzeitig ist es gut, dass genau diese Parteien und
       Personen eingeladen und aufgerufen werden, sich hier klar zu positionieren.
       Es muss möglich sein, die AfD zu verurteilen und gleichzeitig den
       Rechtsruck der Mitte zu kritisieren. Und es muss möglich sein, ausgrenzende
       und rechte Narrative der CDU abzulehnen und gleichzeitig gerade die
       Konservativen aufzufordern, Backsteine zur Brandmauer zu tragen.
       
       Sie möchten die Politiker von Union und Regierung in die Pflicht nehmen? 
       
       Auch. Die Proteste sind ein Appell an alle demokratischen Parteien: zu
       überprüfen, wo ihre Brandmauer bröckelt. Wir müssen genau da hin schauen,
       wo der Rechtsruck befördert wird. Nichts davon relativiert die Gefahr, die
       von der rechtsextremen AfD ausgeht. Wir sehen ja auch, dass Leute wie
       Hubert Aiwanger und andere versuchen, die Demos zu diskreditieren. Und dass
       Friedrich Merz bisher nicht auf einer Demo war, hat vielleicht nicht nur
       logistische Gründe: es hätte sicher eine Demo in seiner Nähe gegeben.
       
       Wie wichtig sind kleine Bündnisse vor Ort im Kampf gegen rechts? 
       
       In den letzten Tagen und Wochen wurde an über 100 Orten demonstriert. Das
       haben jeweils einzelne demokratische Bündnisse organisiert. Diese
       dezentralen Bündnisse, die ihre jeweiligen politischen Verhältnisse vor Ort
       am besten kennen, sind entscheidend, ich würde Menschen immer ermutigen,
       sich ihnen anzuschließen. Wir werden sie brauchen, gerade, wenn es in
       diesem Jahr zu den Europawahlen und den Landtagswahlen kommt. Eben weil
       sich die Ausgangslage in einer Kleinstadt im Rheinland von der im
       Erzgebirge unterscheidet.
       
       Am 3. Februar soll es eine zentrale Demonstration in Berlin geben? 
       
       Im Februar werden wir noch einmal Menschen dazu aufrufen, nach Berlin zu
       kommen, um uns schützend vor den Reichstag stellen. Dahinter steht das
       Bündnis „Hand in Hand“ – mit 600 beteiligten Organisationen. Wir haben ja
       noch die Bilder von den Rechtsextremen im Kopf, die mal versucht haben, den
       Bundestag zu stürmen. Dort soll das Gegenbild dazu erzeugt werden. Es wird
       groß.
       
       Die Menschen nehmen aus ganz unterschiedlichen Motiven an den Protesten
       teil. Welche Forderungen haben Sie? 
       
       Eine Forderung ist, [3][ein AfD-Verbot] zu prüfen. Die Forderung an alle
       demokratischen Parteien ist, sich einem Rechtsruck zu widersetzen und in
       keiner Weise mit der AfD zu kooperieren und zu versuchen, mit ihr
       Mehrheiten zu organisieren. Demonstrationen gegen Rechts sind aber auch
       wichtig, weil sie den Blick von Gesellschaften auf sich selbst verändern.
       Wer auf eine Demonstration geht, demonstriert im wahrsten Sinne des Wortes
       seine eigene Bereitschaft, sich in Gesprächen mit Verwandten oder auf der
       Arbeit dafür einzusetzen. Das wird ein hartes Jahr für unsere Demokratie,
       die mit vielen Krisen konfrontiert ist. Dafür werden wir viele Gespräche
       mit vielen Menschen führen müssen.
       
       Was verbindet den Kampf gegen den Klimawandel mit dem Kampf gehen Rechts? 
       
       Es ist ja kein Zufall, dass die Faschisten nicht nur die Demokratie
       schreddern wollen, sondern auch die Klimawissenschaft leugnen und Frauen
       ihre Rechte wegnehmen wollen. Die denken das zusammen. Darum müssen wir das
       auch tun. Viele Menschen sehen diese Verbindung. Denn für jede Krise, ob es
       die Ungerechtigkeit im Land oder der drohende ökologische Kollaps ist,
       brauchen wir eine wehrhafte, integre und belastbare Demokratie. Das ist der
       Grundstein von allem, und darum geht es.
       
       22 Jan 2024
       
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