# taz.de -- Bürgermeisterwahl in London: Sadiq Khan setzt sich durch
       
       > Zum ersten Mal wird ein Muslim Bürgermeister von London. Labour-Politiker
       > Sediq Khan wird mit 44 Prozent der Stimmen gewählt.
       
 (IMG) Bild: Nach der Stimmabgabe: Sadiq Khan und seine Frau Saadiya
       
       DUBLIN taz | Nach acht Jahren Tory-Herrschaft regiert mit Sadiq Khan wieder
       ein Labour-Politiker in London. Der 45-Jährige wurde mit 44 Prozent der
       Stimmen gewählt, sein Konkurrent Zac Goldsmith von den Tories kam auf 35
       Prozent, den Rest teilen sich die übrigen weit abgeschlagenen Kandidaten.
       Es ist das erste Mal, dass ein Muslim Bürgermeister der englischen
       Haupstadt ist.
       
       Seine Eltern sind pakistanische Immigranten, der Vater Amanullah war
       Busfahrer, die Mutter Sehrun war Näherin. Khan wuchs in einer
       Sozialbauwohnung auf und betonte im Wahlkampf, wie stolz er darauf sei. Er
       ist das fünfte von acht Kindern. Die Eltern ermöglichten der Tochter und
       den sieben Söhen das Studium. Sadiq Khan studierte Jura an der Universität
       Nord-London. Ursprünglich wollte er Zahnarzt werden, doch ein Lehrer legte
       ihm aufgrund seiner „argumentativen Persönlichkeit“ nahe, Jurist zu werden.
       
       Nach seinem Universitätsabschluss arbeitete Khan als Anwalt mit Schwerpunkt
       auf Menschenrechte. Er vertrat häufig die Opfer gewaltsamer
       Polizeieinsätze. Seit 1994 ist er mit der Anwältin Saadiya Ahmed
       verheiratet, das Ehepaar hat zwei Töchter im Teenager-Alter.
       
       Khan war drei Jahre lang Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation
       Liberty, bis er 2005 im Londoner Wahlkreis Tooting ins Unterhaus gewählt
       wurde. Unter Gordon Brown wurde er 2008 Staatssekretär im Ministerium für
       Kommunalverwaltungen, ein Jahr später wechselte er ins Verkehrsministerium.
       Nach Labours Wahlniederlage 2010 machte Ed Miliband ihn zum Justizminister
       in seinem Schattenkabinett.
       
       ## Polizei hörte Gespräche ab
       
       Im Februar 2008 kam heraus, dass die Polizei Khans Gespräche mit dem später
       wegen Terrorismus verurteilten Babar Ahmad im Woodhill-Gefängnis von Milton
       Keynes abgehört hatte. Die von Innenminister Jack Straw daraufhin
       eingeleitete Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass die Abhöraktion legal
       war, weil sie von einem hochrangigen Polizeibeamten abgesegnet worden war.
       Eine zweite Untersuchung entschied dagegen später, dass das Abhören von
       Gesprächen zwischen Abgeordneten und ihren Wahlkreisbewohnern verboten
       gehöre.
       
       Seit Khan für das Amt des Londoner Bürgermeisters kandidierte, musste er
       sich gegen Vorwürfe wehren, er habe Kontakte zu radikalen Islamisten. Sein
       Widersacher Goldsmith, ein Milliardärssohn, der die Eliteschule Eton
       besucht hatte, ließ vor wenigen Tagen einen Gastbeitrag über Khan in der
       Daily Mail mit dem Foto des zerstörten Linienbusses von den
       Terroranschlägen 2005 in London illustrieren.
       
       Tatsächlich aber wurde Khan 2005 von der Zeitschrift Spectator wegen seiner
       deutlichen Worte gegen islamistischen Terror zum „Parlamentsneuling des
       Jahres“ ernannt. Darüber hinaus hat ihn der Imam der Moschee von Bradford
       mit einer Fatwa belegt, weil er sich 2013 für die gleichgeschlechtliche Ehe
       ausgesprochen hatte. Er sei nicht länger ein Muslim, erklärte der Imam.
       
       ## Moderater Labour-Politiker
       
       Die Kolumnistin Yasmin Alibhai-Brown ist anderer Meinung. Sie jubelte im
       Guardian, dass Khans Wahl ein Signal an Isis sende: „Wenn ein Muslim von
       Millionen Wählern als Bügermeister der großartigsten Stadt der Welt gewählt
       wird, wie können die Extremisten dann noch behaupten, dass wir Muslime hier
       keine Zukunft haben?“
       
       Khan gehört dem moderaten Flügel der Labour Party an. Er hat zwar im
       vorigen Jahr Jeremy Corbyns Kandidatur für den Posten des Labour-Chefs
       unterstützt, stimmt aber mit dessen linker Politik nicht überein. Er will
       die Dinge aber anders machen als sein Tory-Vorgänger, der Exzentriker Boris
       Johnson, der London als Gelddruckerei für die Reichen betrachtete.
       
       Khan verspricht 50.000 neue Wohnungen im Jahr, davon die Hälfte zu
       „erschwinglichen Mieten“, er will die Preise für den öffentlichen
       Nahverkehr für vier Jahre einfrieren und ist gegen die Erweiterung des
       Flughafens Heathrow, weil das die Londoner Luft noch mehr verpesten würde.
       Er verspricht, London grüner und sicherer zu machen. Das alles klang für
       Londons Wähler offenbar überzeugend genug.
       
       Auf jeden Fall passt Khan zur „Global City“: 37 Prozent der Londoner sind
       im Ausland geboren, mehr als die Hälfte der Einwohner bezeichnet sich als
       „nichtweiße Briten“.
       
       6 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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