# taz.de -- Chinesische E-Autos drängen nach Europa: Smartphone auf Rädern
       
       > Früher galt deutsche Ingenieurskunst auf dem chinesischen Automarkt als
       > unschlagbar. Mit der Wende zur E-Mobilität ändert sich das.
       
 (IMG) Bild: Präsentation eines neuen Elektroautos von IM Motors L7 in Shanghai 2021
       
       PEKING/BERLIN taz | Nicht nur Tesla, auch chinesische Hersteller von
       E-Autos sind in Europa auf dem Vormarsch. Mehrere chinesische Anbieter
       planen 2022 ihren Markteintritt. „Für die chinesischen E-Autobauer wird es
       kein Selbstläufer sein, in Europa Fuß zu fassen“, sagt Automarktexperte
       Stefan Bratzel, Direktor des [1][Center of Automotive Management] (CAM) in
       Bergisch-Gladbach. Denn sie müssten die europäischen Geschmäcker treffen.
       Das ist bei vergangenen Versuchen misslungen. Bratzel rechnet aber fest
       damit, dass der eine oder andere dieses Mal erfolgreich sein wird. „Mit
       Geely-Volvo haben wir ja auch schon einen europäischen Hersteller mit
       chinesischer Mutter“, sagt er.
       
       Früher sind in China immer wieder Anläufe gescheitert, eine eigenständige
       Autoindustrie aufzubauen – auch an der Dominanz deutscher Hersteller, vor
       allem [2][von VW]. Deutsche Ingenieurskunst galt als unschlagbar. Mit der
       Wende hin zur E-Mobilität ändert sich das. Wie kein anderes Land setzt
       Chinas Führung auf Elektrofahrzeuge. Landesweit stehen knapp doppelt so
       viele Ladestationen wie im gesamten Rest der Welt, rund 60 Prozent aller
       neuen E-Autos werden in der Volksrepublik verkauft. Wer in Metropolen wie
       Peking, Shanghai oder Shenzhen einen Verbrennungsmotor erwerben möchte,
       muss für die Zulassung Jahre warten oder auf dem Schwarzmarkt tief in die
       Tasche greifen.
       
       [3][Die deutschen Autobauer] schauten der rasanten Entwicklung in der
       Volksrepublik lange Zeit passiv zu. Dass das dortige Geschäft bis vor
       Kurzem noch blendend lief, erhöhte nicht die Anreize für Investitionen in
       Richtung Antriebswende. Noch bei der Automesse in Peking im Herbst 2020
       sagte der Unternehmensberater Peter Hage von der Districom Group über die
       deutschen Autobauer: „Was Elektromobilität angeht, muss man sagen, fahren
       sie fast gar nicht mit.“ Im Frühjahr darauf folgte bei der Automesse in
       Shanghai zwar der Paukenschlag. Von VW über Daimler bis zu BMW kündigte die
       Branche eine „elektrische“ Zeitenwende an. Am selbstbewusstesten tönte
       VW-Chef Wöllenstein: „Wir sind dabei, das Spiel zu verändern.“ Schon bis
       2025 wolle man den US-Marktführer Tesla eingeholt haben. Doch bislang
       deutet wenig darauf hin, dass der Plan aufgehen wird.
       
       Zumal es bei E-Autos nun erstmals auch eine starke Konkurrenz aus China
       selbst gibt. Unter den zehn E-Auto-Herstellern mit den meisten Zulassungen
       im vergangenen Jahr befand sich kein einziger deutscher Konzern. Volkswagen
       konnte mit dem zwölften Platz passabel abschneiden, BMW und Daimler waren
       weit abgeschlagen. Der entscheidende Vorteil der chinesischen Hersteller:
       Sie sind führend in der Batterietechnologie, dem Herzstück von E-Autos.
       
       ## Unschlagbare Preise
       
       Chinesische Kunden erwarten viele technische Spielereien. Für sie ist das
       E-Auto ein „Smartphone auf Rädern“. Gute Unterhaltungssysteme und ständig
       verfügbarer Service sind für sie ein Muss. Es kommt weniger auf eine
       hochwertige Innenausstattung an als auf innovative Technik-Gadgets und
       Infotainment-Systeme. Was den chinesischen Autoherstellern an
       Ingenieurskunst fehlt, gleichen sie durch modernes Marketing aus: Der in
       Shanghai ansässige Konzern Nio etwa lockt mit kreativer Kundenbindung wie
       firmeneigenen „Clubhouses“ mit Kindertagesstätten und Einladungen zu
       Konzerten. Insbesondere im Low-Cost-Bereich sind chinesische Anbieter
       stark. Gerade hier will auch VW punkten.
       
       Derzeit führt die Firma Wuling aus der Provinz Guangxi das Billigsegment
       an. Der kleine, aber hippe Zweisitzer wird zum unschlagbaren Preis von
       umgerechnet 4.000 Euro verkauft. „VW kann da bislang nicht mithalten“, so
       Automarktexperte Bratzel.
       
       22 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /Klimaforderungen-von-VW-Chef-Diess/!5800503
 (DIR) [3] /E-Autos-der-deutschen-Konzerne/!5762242
       
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