# taz.de -- Corona-Korruption in Südafrika: ANC eiert herum
       
       > Südafrikas Präsident Ramaphosa hat der Korruption in der Regierungspartei
       > den Kampf angesagt. Doch als es zum Showdown kam, musste er einknicken.
       
 (IMG) Bild: Soweto: Die Sonne geht unter, der ANC und seine Korruption bleiben
       
       KAPSTADT taz | Eigentlich müsste es Freudenfeiern in Südafrika geben – seit
       zwei Wochen steigen die täglichen Coronaneuinfektionen nicht weiter und der
       Anteil der Patient*innen, die geheilt Krankenhäuser wieder verlassen, liegt
       mit derzeit 86 Prozent deutlich über weltweit 64,5 Prozent.
       
       Trotzdem gab es bisher rund 14.000 Tote, und Corona ist längst nicht
       überwunden. Dass zwar Erleichterung spürbar ist, aber keine Freude, hat vor
       allem zwei Ursachen: Zum einen eskalierten in den Monaten des strengen
       Lockdown [1][Missbrauch und Gewalt gegen Frauen und Kinder] schlimmer als
       je zuvor.
       
       Zum anderen wucherte die seit dem früheren Präsidenten [2][Jacob Zuma]
       expandierende Korruption nicht nur weiter, sondern nahm besonders hässliche
       Formen an: Nahrungsmittelpakete für Hungernde wurden an politische Freunde
       verteilt, Schutzkleidung überteuert produziert und der Gewinn in die eigene
       Tasche gesteckt.
       
       So fiel im Juli auf, dass eine Firma an Krankenhäuser Gesichtsmasken
       lieferte, deren Preise fünfmal höher waren als im Supermarkt. Den Auftrag
       hatte Gautengs Gesundheitsminister Bandile Masuku für 125 Millionen Rand
       (etwa 6,25 Millionen Euro) vergeben. Bei Überprüfung fiel auf, dass der
       Besitzer der Firma der Ehemann von Khusela Diko ist, Sprecherin von
       Präsident Cyril Ramaphosa. Diko und Masuku sind jetzt beurlaubt. Die
       Ermittlungen laufen.
       
       Oder: Ein anderer Auftrag für Schutzkleidung wurde von ANC- Generalsekretär
       Ace Magashule direkt an seine beiden Söhne im Free State vermittelt, auch
       hier über mehrere Millionen. Er verteidigt dies bis heute als „rechtmäßig“
       und etwas, das „auch andere Väter für ihre Söhne tun würden“.
       
       ## Ermittlungen gegen 36 Politiker*innen
       
       Justizminister Roland Lamola erklärte, dass landesweit derzeit in 36 Fällen
       gegen Politiker*innen in öffentlichen Ämtern und private Geschäftsleute
       ermittelt werde, die „Schutzkleidung zu erhöhten Preisen oder Nahrung für
       Arme weiterverkauften – oder sich an Geldern bereicherten, die für kleine
       und mittlere Betriebe bestimmt waren, die aufgrund des Lockdown ums
       Überleben kämpfen“.
       
       Bereits vor Corona galt Südafrika international als das Land mit den
       größten Unterschieden zwischen einer Minderheit sehr Wohlhabender und gut
       der Hälfte der Bevölkerung, die unter der Armutsgrenze lebt. Das
       Versprechen des seit über einem Vierteljahrhundert regierenden [3][ANC
       (African National Congress)], diese Ungleichheit zu überwinden, wurde bis
       heute nicht annähernd verwirklicht.
       
       Im Gegenteil, am [4][Ende der Amtszeit von Präsident Zuma] (2009 – 2018)
       lagen 18 Anklagen gegen ihn wegen schwerer Korruption vor und wird in 700
       Fällen von „Betrug und Geldwäsche“ gegen ihn ermittelt. Mit knapper
       Mehrheit wählten die ANC-Delegierten im Februar 2018 [5][Cyril Ramaphosa],
       ehemaliger Gewerkschaftsführer, später Geschäftsmann und zuletzt
       Vizepräsident, zum Präsidenten. Er [6][versprach], radikal mit allen Formen
       von Korruption abzurechnen und soziales Unrecht anzupacken.
       
       Bislang jedoch versuchte Ramaphosa vor allem, die beiden Lager des ANC
       zusammenzuhalten – diejenigen um Generalsekretär Magashule, die Posten- und
       Auftragsschieberei als rechtmäßig ansehen, und denen, die ernsthaft einen
       Neuanfang wollen. Trotz einer eigens eingerichteten Kommission zur
       Ermittlung der Veruntreuung von Staatsgeldern ist bis heute niemand
       verurteilt, auch nicht Jacob Zuma.
       
       Angesichts der durch Corona weiter verschärften Armut, die inzwischen mehr
       als 65 Prozent der Menschen Südafrikas betrifft und selbst ein Drittel
       einer mühsam geschaffenen Mittelschicht zusätzlich ins Elend abrutschen
       ließ, schien nun Ramaphosas Geduld am Ende.
       
       Am 23. August schrieb er an alle „ANC-Genossen“: „Der ANC sitzt nicht
       allein auf der Anklagebank, aber er ist der Hauptangeklagte.“ Ramaphosa
       sprach von „unverzeihlichem Betrug an Millionen Menschen, die als Folge von
       Covid-19 täglich Hunger, Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit erleiden.“
       War die Zeit von Debatten und Straflosigkeit endlich vorbei? Alle im
       Kontext von Covid-19 vergebenen staatlichen Aufträge sollten öffentlich
       untersucht und Verantwortliche juristisch belangt werden.
       
       ## Warten auf den Showdown nach dem Lockdown
       
       Am vergangenen Wochenende nun kam es zum „Showdown“ nach dem Lockdown: Auf
       einer Sitzung des 86-köpfigen ANC-Vorstands trafen beide Lager aufeinander.
       Bereits am Freitag hatte Ex-Präsident Zuma seinen Nachfolger in einem
       mehrseitigen Brief attackiert: „Herr Präsident, Ihre Behauptungen helfen
       denen, die den ANC an weiße Monopolkapitalisten ausliefern wollen. Sie
       klagen den gesamten ANC nur an, um Ihre eigene Haut zu retten.“
       
       Viele hielten den Atem an: Würde es zum Bruch in der Partei kommen? Würde
       Präsident Ramaphosa sich durchsetzen können oder aber abtreten müssen?
       
       Nichts von beidem geschah. Am Sonntagnachmittag las Generalsekretär
       Magashule mit versteinertem Gesicht eine lange Erklärung vor, in der es um
       Erfolge in der Bekämpfung von Covid-19 bis zur Solidarität mit Palästina
       und „Black Lives Matter“ ging. Nur einmal das Wort „Korruption“ – in einem
       Satz mit der Hauptaufgabe, „maximale Einheit in der Partei“ herzustellen.
       
       Das war’s. Präsident Ramaphosa war danach nicht für die Presse zu sprechen.
       Erneut ist er eingeknickt. Erneut durfte er bleiben als Präsident. Um
       welchen Preis?
       
       Nachdem Präsident Ramaphosa nach der Sitzung des ANC-Exekutivkomitees vom
       vergangenen Wochenende zunächst abgetaucht war, erschien er am Montag dann
       doch gemeinsam mit der sechsköpfigen Parteileitung vor der Presse: Zum
       einen erklärte er, dass das oberste Parteigremium seine Empfehlungen zur
       Bekämpfung von Korruption und seinen Brief dazu vom 23. August angenommen
       habe.
       
       Auf die Frage, ob er auf den ihn attackierenden Brief seines Vorgängers
       Zuma reagieren würde, antwortete er: „Ich habe viele Briefe erhalten. Ich
       bin nicht beleidigt.“ Ein anderes Vorstandsmitglied nannte die Angriffe auf
       den Präsidenten „choreographiert“. ANC-Generalsekretär Magashule, der dem
       Lager um Ex-Präsident Zuma zugerechnet wird, saß die meiste Zeit schweigend
       dabei.
       
       31 Aug 2020
       
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