# taz.de -- Deal zum Bau von Nord Stream 2: Pipelinestreit scheint gelöst
       
       > Laut Medienberichten gibt US-Präsident Joe Biden den Widerstand gegen
       > Nord Stream 2 auf. Die Ukraine soll finanzielle Unterstützung bekommen.
       
 (IMG) Bild: Gerhard Schröder zufrieden: Symbolischer Akt für die Ostsee-Pipeline Nord Stream in Lubmin 2011
       
       Nach jahrelangem Streit steht einer Fertigstellung der umstrittenen
       Erdgaspipeline Nord Stream 2 offenbar nichts mehr im Weg. Die Pipeline
       führt durch die Ostsee von Russland nach Deutschland, ihr Bau wurde von der
       US-Regierung missbilligt, sie drohte allen daran beteiligten Unternehmen
       mit Sanktionen. Nachdem es im Mai eine vorübergehende Aussetzung gab,
       wollen die USA die Sanktionsdrohungen nun komplett zurücknehmen. Das
       berichten unter anderem die US-Agentur Bloomberg und das Wall Street
       Journal unter Berufung auf Quellen in Berlin und Washington.
       
       Die Regierungen der Bundesrepublik und der USA hätten sich auf ein Abkommen
       verständigt, das die Fertigstellung der Pipeline ermöglichen soll, heißt es
       in den Berichten. So soll als Bedingung ein Fonds in Höhe von 1 Milliarde
       Dollar aufgelegt werden, mit dem die Energiesicherheit der Ukraine
       verbessert werden soll, unter anderem durch den Ausbau erneuerbarer
       Energien. Deutschland soll dafür laut Bloomberg zunächst einen Betrag von
       175 Millionen Dollar zur Verfügung stellen. Zudem soll die Bundesregierung
       zugesagt haben, Sanktionen gegen Russland zu verhängen, falls Moskau Druck
       auf die Ukraine ausübe oder den Gastransit durch das Land einstelle.
       
       Diese beiden Maßnahmen sollen die Sorge mildern, dass Nord Stream 2 die
       geostrategische Position der Ukraine entscheidend schwächen könnte. Denn
       bisher verläuft dort ein großer Teil des Exports russischen Erdgases nach
       Westeuropa. Der Ukraine bietet das sowohl Einnahmen als auch eine gewisse
       Sicherheit. Deutschland hatte vorher schon erklärt, darauf zu bestehen,
       dass weiterhin Gas durch die Ukraine transportiert werde. Allerdings gibt
       es dafür nach Fertigstellung von Nord Stream 2 technisch keine
       Notwendigkeit mehr, sodass Russland entsprechende Zusagen nicht einzuhalten
       bräuchte. Osteuropäische Länder wie [1][Polen] und das Baltikum hatten
       deshalb [2][vehement gegen die Pipeline protestiert].
       
       Um die Interessen dieser Länder zu schützen und die stärkere Abhängigkeit
       Europas von russischem Gas zu verhindern – wohl auch, um mehr eigenes
       Flüssiggas nach Europa verkaufen zu können – hatten die USA unter dem
       ehemaligen Präsidenten Donald Trump scharfe Sanktionen gegen alle Firmen
       angekündigt, die sich an Bau und Betrieb von Nord Stream 2 beteiligen. Das
       Schweizer Unternehmen Allseas hatte seine Spezialschiffe daraufhin im
       Dezember 2019 abgezogen, was die Arbeiten an der weitgehend
       fertiggestellten Pipeline stark verzögert hat.
       
       ## Ein Besuch von Merkel hat's gerichtet
       
       Der amtierende US-Präsident Joe Biden lehnt Nord Stream 2 ebenso wie viele
       Demokraten im Kongress ab. Er hatte die Sanktionen aber von Mai bis August
       ausgesetzt, um beiden Seiten Zeit für Verhandlungen einzuräumen. Noch beim
       [3][Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Washington] in der
       vergangenen Woche hatten beide Seiten ihre unterschiedlichen Auffassungen
       in Sachen Nord Stream 2 deutlich gemacht. Nun hat Biden offenbar
       entschieden, dass der politische Schaden durch die extraterritorialen
       Sanktionen größer wäre als das geopolitische Risiko, das von der
       Fertigstellung der Pipeline ausgeht.
       
       Eine offizielle Bestätigung für die Einigung gab es bis Mittwochnachmittag
       noch nicht. Doch machten Äußerungen sowohl aus Washington als auch aus
       Berlin deutlich, dass die Berichte wohl zutreffen. Der Sprecher des
       US-Außenministeriums, Ned Price, deutete laut Nachrichtenagentur AFP
       während einer Reise an, dass eine Vereinbarung kurz bevorstehe. „Wir haben
       noch keine endgültigen Details zu verkünden, aber ich denke, ich kann bald
       mehr sagen“, sagte er.
       
       Ähnlich äußerte sich die deutsche Vizeregierungssprecherin Martina Fietz.
       Sie könne eine Einigung noch nicht bestätigen, sagte sie am Mittwoch, fügte
       aber hinzu: „Wir sind zuversichtlich, dass wir bald Näheres bekanntgeben
       können.“ Dementiert wurden die Medienberichte auf taz-Nachfrage nicht.
       
       Nord Stream 2 verläuft auf einer Länge von 1.200 Kilometern weitgehend
       parallel zur bereits 2011 in Betrieb genommenen Pipeline Nord Stream 1. Die
       Betreibergesellschaft Nord Stream gehört dem russischen Staatskonzern
       Gazprom. Aufsichtsratsvorsitzender ist Gerhard Schröder, der Nord Stream 1
       im Jahr 2005 noch als SPD-Bundeskanzler mit beschlossen hatte, bevor er
       wenige Monate später auf Bitten Wladimir Putins zum Unternehmen wechselte;
       auch für Nord Stream 2 hat er intensive Lobbyarbeit betrieben.
       
       Außer wegen ihrer geopolitischen Bedeutung ist die [4][Pipeline auch aus
       Umweltgründen umstritten] – einerseits wegen der Auswirkungen des Baus auf
       die Ökologie der Ostsee, andererseits aus klimapolitischen Erwägungen.
       „Fossile Großprojekte wie die Nord Stream 2 mit ihrem Fassungsvermögen, das
       97 Millionen Tonnen CO2 jährlich entspräche, passen nicht mehr in die
       Zeit“, kommentierte Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen
       Umwelthilfe, die Berichte über eine Einigung. Er kündigte an, weiterhin
       juristisch gegen die Inbetriebnahme vorzugehen.
       
       21 Jul 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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