# taz.de -- Deutscher in Kamerun inhaftiert: Petition fordert Freilassung
       
       > Wilfried Siewe, ein Deutscher mit kamerunischen Wurzeln, sitzt in seinem
       > Geburtsland in Haft. Die Lage in Kamerun unter Präsident Biya ist
       > kritisch.
       
 (IMG) Bild: Im Februar wurde Wilfried Siewe festgenommen, seitdem sitzt er in der Hauptstadt Yaoundé in Haft
       
       COTONOU taz | Mittlerweile sind online über 66.000 Unterschriften für
       Wilfried Siewe gesammelt worden. Der Deutsche ist am vergangenen Donnerstag
       in [1][Kamerun], seinem Geburtsland, zu drei Jahren Haft wegen angeblichen
       Fluchtversuchs während einer Gefängnismeuterei verurteilt worden; das
       schriftliche Urteil steht noch aus. Zuvor hatte er sechs Monate lang in
       Untersuchungshaft gesessen.
       
       „Wir sind traurig und entsetzt“, sagt seine Frau Layoko Siewe, die mit den
       zwei Kindern in Erlangen lebt. Mit den [2][Unterschriften, die über die
       Onlineplattform change.org gesammelt] werden, soll die Freilassung des
       Ingenieurs erreicht werden.
       
       Verhaftet wurde Siewe, weil er in Kamerun im Rahmen eines Familienurlaubs
       zur Erinnerung verschiedene Gebäude fotografierte. Als „Gefahr für die
       Regierung“ stuften die Behörden in der Hauptstadt Yaoundé das ein und
       klagten ihn an.
       
       „Heute ist man in Kamerun zur falschen Zeit am falschen Ort und wird
       verhaftet“, kritisiert in Kameruns größter Stadt Douala die Rechtsanwältin
       und Menschenrechtsaktivistin [3][Alice Nkom]. Ihrer Einschätzung nach ist
       Siewes Verhaftung illegal gewesen, und im Verfahren seien geltende Gesetze
       missachtet und verletzt worden. Eine Ausnahme sei das nicht, merkt sie an:
       „Hier gilt nicht mehr das Recht, sondern das Gesetz des Stärkeren.“
       
       ## Schwere Ausschreitungen in anglophonen Provinzen
       
       Erst vor zwei Wochen hatte ein [4][Militärgericht zehn Separatisten aus dem
       anglophonen Westen Kameruns, darunter Anführer Sisiku Ayuk Tabe, zu
       lebenslangen Haftstrafen und Geldstrafen] von umgerechnet knapp 400
       Millionen Euro verurteilt. Ihnen wurden Terrorismus und separatistische
       Bestrebungen vorgeworfen. Seitdem ist es in den anglophonen Provinzen
       Nordwest und Südwest, in denen seit mehreren Jahren faktisch Bürgerkrieg
       herrscht und Hunderttausende in die Flucht gezwungen wurden, wieder zu
       schweren Ausschreitungen gekommen.
       
       Beide Provinzen an der Grenze zu Nigeria waren während der Kolonialzeit
       britisches Gebiet und fühlen sich seit der Eingliederung ins frankophone
       Kamerun benachteiligt. Ein Teil der Bevölkerung sieht die Teilung des
       Landes als letzten Ausweg. Es wird geschätzt, dass durch die neuen Kämpfe
       mindestens 40 Menschen ums Leben gekommen sind.
       
       Für Einschüchterung sorgen jedoch nicht nur die Regierungstruppen. Auch die
       Separatisten üben Druck aus. Zum Schuljahresbeginn an diesem Montag haben
       sie eine Kampagne „Villes mortes“ – „Tote Städte“ – ausgerufen. Per
       Generalstreik sollen der Alltag lahmgelegt und Kinder vom Schulbesuch
       abgehalten werden.
       
       ## Petition für Siewes Freilassung
       
       In [5][Haft sitzt aktuell auch Kameruns wichtigster Oppositionsführer
       Maurice Kamto], der bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2018 hinter
       Amtsinhaber Paul Biya Zweiter geworden war. Es heißt, dass sein Prozess
       Ende dieser Woche beginnt. Versuche, ihn vom Militärgericht zu einem
       Zivilgericht zu verlegen, schlugen in der vergangenen Woche fehl.
       
       Für Rechtsanwältin Alice Nkom zeigt all das, dass es in Kamerun keine
       Gewaltenteilung mehr gibt und alle Macht beim 86 Jahre alten [6][Präsident
       Biya] liege, der seit 1984 regiert. Für das Justizsystem sei das
       katastrophal. „Es gibt kein Recht mehr. Deshalb planen wir Rechtsanwälte,
       vom 16. bis 20. September zu streiken, um darauf aufmerksam zu machen.“
       
       In Erlangen wünscht sich Layoko Siewe derweil eins: „Ich möchte, dass mein
       Mann nach Hause kommt.“ Change.org plant, die Unterschriften unter seine
       Petition für Siewes Freilassung am Mittwoch während des „Round Table
       Kamerun“ des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft an den deutschen
       Botschafter in Kamerun, Hans-Dieter Stell, zu übergeben.
       
       3 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!t5019113/
 (DIR) [2] https://www.change.org/p/wilfried-siewe-aus-der-gef%C3%A4ngnish%C3%B6lle-in-kamerun-holen-deutschland-in-der-pflicht-heikomaas-auswaertigesamt
 (DIR) [3] /Anwaeltin-ueber-Homophobie-in-Afrika/!5211509
 (DIR) [4] /Justiz-in-Kamerun/!5619909
 (DIR) [5] /Machtkampf-in-Kamerun/!5565819
 (DIR) [6] /!t5219686/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Gänsler
       
       ## TAGS
       
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