# taz.de -- Diskussion über Arztgeheimnis: „Schnellschussartige Vorschläge“
       
       > Therapeuten lehnen die Lockerung der Schweigepflicht entschieden ab. Bei
       > Gefahr ist jetzt schon ein Bruch des Arztgeheimnisses zulässig.
       
 (IMG) Bild: Eine Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht könnte zur Folge haben, dass PilotInnen gar nicht mehr zu MedizinerInnen gehen.
       
       FREIBURG taz | Noch ist es nur naheliegend, aber nicht sicher, dass Andreas
       L. den Absturz des Airbus absichtlich verursachte. Naheliegend scheint
       auch, dass dies mit seinem psychischen Zustand zu tun hatte. Seitdem die
       Uniklinik Düsseldorf am Montag die Krankenakten von L. der
       Staatsanwaltschaft übergeben hat, ist bekannt, dass L. früher von einem
       Psychologen als suizidgefährdet eingeschätzt worden ist. Außerdem war er am
       Tag seines mutmaßlichen Selbstmords krankgeschrieben, hatte das aber
       verschwiegen.
       
       Deshalb geraten nun die Ärzte in den Blick, bei denen sich L. privat
       behandeln ließ. Hätten sie seinen Arbeitgeber Germanwings oder das
       Luftfahrtbundesamt als Aufsichtsbehörde warnen müssen?
       
       Dem steht die ärztliche Schweigepflicht entgegen. Ein Arzt muss über alle
       medizinischen und persönlichen Informationen schweigen, die er von einem
       Patienten kennt. Wenn er unbefugt Patientengeheimnisse weitergibt, macht er
       sich selbst strafbar (§ 203 Strafgesetzbuch).
       
       Die Schweigepflicht soll sicherstellen, dass Menschen ohne Angst vor
       Nachteilen zum Arzt gehen. Die Schweigepflicht soll zudem ermöglichen, dass
       Patienten offen mit dem Arzt reden, was die Erfolgschancen einer Behandlung
       erhöht. Allerdings ist ein Arzt unter bestimmten Bedingungen verpflichtet
       oder auch berechtigt, die Schweigepflicht zu brechen.
       
       So muss er der Polizei mitteilen, wenn ein Patient während der Behandlung
       angekündigt hat, schwere Verbrechen zu planen. Wer so etwas für sich
       behält, macht sich wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten strafbar (§
       138).
       
       Auch bei einem „rechtfertigenden Notstand“ (§ 34) darf der Arzt nach
       Abwägung der Interessen das Patientengeheimnis brechen. Erforderlich ist
       dann aber eine „gegenwärtige, nicht anders abwendbare“ Gefahr. Das wäre
       etwa der Fall, wenn ein Pilot ankündigt, noch am gleichen Tag trotz
       Krankschreibung zu fliegen.
       
       ## Schwierige Entscheidung
       
       Wenn keine „gegenwärtige“ Gefahr vorliegt, will die Bundesärztekammer
       bereits die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ ausreichen lassen. Da bei
       Andreas L. zuletzt zwar eine Depression, aber weder Selbstmordabsichten
       noch Aggressionen gegen andere attestiert wurden, ist fraglich, ob dies
       einen Bruch des Arztgeheimnisses gerechtfertigt hätte.
       
       Man kann den Schutz des Arztgeheimnisses natürlich lockern und verlangen,
       dass Ärzte jede psychische Krankheit eines Piloten melden können oder sogar
       müssen. Dann aber riskiert man, dass psychisch angeschlagene Piloten gar
       nicht mehr zum Arzt gehen und nicht einmal Hilfe suchen. Damit wäre der
       Sicherheit auch nicht gedient – im Gegenteil.
       
       Die Psychotherapeuten lehnen eine Lockerung der Schweigepflicht jedenfalls
       ab. Sie sei ein zentraler Bestandteil der Therapie, sagte Dieter Best,
       Vorsitzender der Psychotherapeuten Vereinigung, der Agentur epd. Er warnte
       vor „schnellschussartigen Vorschlägen“ nach dem Absturz. Es müsse zudem
       verhindert werden, dass psychisch kranke Menschen stigmatisiert werden.
       
       31 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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