# taz.de -- Diskussion um sowjetische Ehrenmale: Für immer und ewig
       
       > Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind die sowjetischen
       > Ehrenmale in Berlin im Gespräch. Ihre Bedeutung ist immens.
       
 (IMG) Bild: Polizisten entfernen eine Flagge der Ukraine von einem Panzer am Ehrenmal im Tiergarten
       
       Schon das große steinerne Tor am Eingang wirkt erschlagend. Von hier führen
       überbreite, von niedrigen Hecken gesäumte Wege zur gewaltigen
       Kolossalstatue eines sowjetischen Soldaten, der, Kind auf dem Arm, mit dem
       Schwert das Hakenkreuz zerschlägt. Es herrscht fast völlige Stille, nur ein
       französischer Sprachfetzen hier, Gemurmel auf Russisch da,
       Vogelgezwitscher. Auf 93.000 Quadratmetern Fläche, ringsum umgeben von
       hochragenden Platanen, soll hier des ruhmreichen Sieges über den Faschismus
       gedacht werden. Das [1][Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park] kleckert
       nicht, es klotzt: ein Monument der Heldenverehrung.
       
       Es ist eines von vier Ehrenmalen, die die Rote Armee in Berlin nach dem
       Ende des Zweiten Weltkriegs angelegt hat. Die anderen stehen in der
       Schönholzer Heide in Pankow, im Bucher Schlosspark und im Tiergarten, im
       Westteil der Stadt, unmittelbar hinter dem Brandenburger Tor. Bis auf jenes
       in Berlin-Buch sind die Ehrenmale auch gleichzeitig Grabstätten von
       sowjetischen Kriegsopfern. Nach dem Krieg wurden sämtliche
       Notbegräbnisstätten kurzfristig aufgelöst und die dort begrabenen Menschen
       meist ihrer Herkunft oder Konfession entsprechend in Sammelgräbern
       gebettet.
       
       Und deshalb fallen die sowjetischen Ehrenmale in Treptow, Tiergarten und
       Pankow unter das Gräbergesetz des Bundes, das die Pflege und Instandhaltung
       regelt. Es besagt, dass Gräber zehn verschiedener Opfergruppen, unter
       anderem „Gräber von Personen, die in der Zeit vom 26. August 1939 bis 31.
       März 1952 während ihres militärischen oder militärähnlichen Dienstes
       gefallen oder tödlich verunglückt“ sind, besonders zu achten sind.
       
       Mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist die Situation um die
       sowjetischen Ehrenmale jedoch komplizierter geworden. Im April war das
       Treptower Ehrenmal zweimal mit antirussischen Parolen beschmiert worden.
       Auf parlamentarischer Ebene gab es eine Debatte zur Veränderung des
       Ehrenmals im Tiergarten: Die CDU-Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus
       Stefanie Bung hatte den [2][Abbau der zwei Panzer] (Modell T34), die Teil
       dieses Ehrenmals sind, gefordert.
       
       Doch so einfach ist das nicht. Die Gräber sind „auf Dauer angelegt“ – also
       auf immer und ewig. Ihre Pflege übernehmen die Länder, die Kosten trägt der
       Bund jährlich und pauschal. Um das Gräbergesetz anzupassen, bedürfte es
       eines normalen Gesetzesänderungsprozesses auf Bundesebene: also das ganze
       Verfahren mit Einbindung des Deutschen Bundestags und des Bundesrats.
       
       Darüber hinaus wäre eine Veränderung auch international bedeutsam. Erst
       nach der Wiedervereinigung hat sich die damalige Bundesregierung im
       deutsch-sowjetischen Nachbarschaftsvertrag und dem Zwei-plus-Vier-Vertrag
       zur gesetzlich geregelten Ehrenmalpflege verpflichtet. Denn sie erfüllen
       einen wichtigen Zweck; im ersten Absatz des ersten Paragrafen des
       Gräbergesetzes heißt es: „Dieses Gesetz dient dazu, der Opfer von Krieg und
       Gewaltherrschaft in besonderer Weise zu gedenken und für zukünftige
       Generationen die Erinnerung daran wachzuhalten.“
       
       Davon abgesehen liegt bei dem Vorstoß der Berliner CDU-Abgeordneten auch
       ein Missverständnis vor, wem die Ehrung der Denkmäler zuteil wird: Nämlich
       den [3][Soldaten der Roten Armee], nicht der russischen. „Hier geht es um
       das Gedenken der Toten des Zweiten Weltkriegs, in dem aufseiten der Roten
       Armee Soldaten vieler Nationalitäten der Sowjetunion, darunter etliche
       russische und ukrainische, im Kampf gegen das Nazi-Regime starben“, sagte
       Berlins Bürgermeisterin Bettina Jarasch (Grüne) zu dieser Diskussion.
       „Dieses Gedenken bleibt bedeutsam, auch in seiner historischen Gestalt.“
       
       Es stimmt schon, die Panzer wirken im gleißenden Sonnenlicht unwirklich; in
       einem friedlichen Berlin. Ein Kind steht staunend davor, lutscht an seinem
       Eis. Man wünscht ihm, dass es keinem intakten Panzer jemals so nahe kommt.
       
       Die Panzer haben die Aufgabe, zu mahnen und unsere Erinnerungen daran
       aufrechtzuerhalten, dass Frieden nicht selbstverständlich ist. Die
       Wichtigkeit gerade antifaschistischer Denkmäler liegt eben darin, den Sieg
       über den Faschismus nicht in Vergessenheit geraten zu lassen; insbesondere
       auch nicht, wie dieser Sieg errungen wurde. Sicherlich würden einige lieber
       vergessen, dass der Sieg der Alliierten nur mit Waffengewalt zu
       bewerkstelligen war. Aus der Geschichte lässt sich aber nicht lernen, wenn
       ungeliebte Teile ausgeblendet werden.
       
       Besser ist es, genau hinzuschauen, dann lassen sich vielleicht Aspekte
       entdecken, die bei der Erbauung der Ehrenmäler noch nicht gesehen wurden.
       So befremden die patriarchalen Darstellungen des männlichen Kriegers im
       Zentrum des Ehrenmals am Treptower Park und des riesigen phallischen
       Obelisken in der Schönholzer Heide. Beiden stehen als Gegenpole
       vergleichsweise winzige Mütter, in Trauer um ihre (männlichen) Kinder,
       gegenüber.
       
       Die [4][in der sowjetischen Armee kämpfenden Frauen*], die Frauen* in den
       Produktionsbetrieben, die Frauen*, die in Lazaretten und auf
       Schlachtfeldern ums Leben kamen: vergessen. All die Frauen*, die nicht
       trauernd zu Hause saßen und auf ihre heldenhaften Männer gewartet haben,
       sondern selbst als Heldinnen aktiv am Widerstand gegen den
       Nationalsozialismus beteiligt waren, scheinen in den Ehrenmalen nicht
       mitgedacht.
       
       Ohne sie wäre die Befreiung vom nationalsozialistischen Faschismus nicht
       möglich gewesen. Ohne sie ist auch heute keine befreite Gesellschaft
       möglich. Und darum geht es ja letztlich – um eine befreite Gesellschaft.
       Ein patriarchales, totalitäres System durch ein anderes zu ersetzen, bringt
       uns schnell in eine neue Sackgasse.
       
       Wir können eben nur alle in Freiheit leben, wenn auch wirklich alle frei
       sind. Dafür muss Antifaschismus auch feministisch sein. Und er muss
       antirassistisch sein. Statt die antifaschistischen Denkmäler der
       Vergangenheit also „schönen“ oder schänden zu wollen, sollten wir sie als
       Ausgangspunkt für einen Lernprozess nehmen.
       
       7 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ueberfall-auf-die-Sowjetunion-1941/!5777467
 (DIR) [2] /Senat-soll-T34-abraeumen/!5849586
 (DIR) [3] /CDU-gegen-Sowjet-Ehrenmale/!vn5851041
 (DIR) [4] https://unrecht-erinnern.info/themen/unrecht/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Bachmann
 (DIR) Bo Wehrheim
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Stadtland
 (DIR) Schwerpunkt Tag der Befreiung
 (DIR) Sowjetunion
 (DIR) Rote Armee
 (DIR) Kriegsende
 (DIR) GNS
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Tag der Befreiung
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Stadtland
 (DIR) Ukraine-Konflikt
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kritik an Umgang mit 8.-Mai-Gedenken: Giffey stellt sich Protest
       
       Die Regierungschefin verteidigt vor dem Roten Rathaus bei einer Demo das
       Verbot ukrainischer und russischer Fahnen an 15 Plätzen vom Wochenende.
       
 (DIR) 8./ 9. Mai 1945: Pervertiertes Gedenken
       
       Über den Tag der Befreiung herrschte lange Konsens. Jetzt wird der Zweite
       Weltkrieg zur Begründung für eine neue Menschenschlächterei herangezogen.
       
 (DIR) Feiern zum 8. Mai in Berlin: Das Gedenken gelingt friedlich
       
       Am „Ort der Kapitulation“ in Karlshorst feiern Menschen den Tag der
       Befreiung. Im Tiergarten werden „Melnyk raus“-Rufe laut.
       
 (DIR) Der 8. Mai in Berlin: Ohne Zwischenfälle gestartet
       
       In Berlin legen hunderte Menschen Kränze und Blumen an den sowjetischen
       Ehrenmälern ab. Die Polizei zeigt vor Ort Präsenz.
       
 (DIR) Tag der Befreiung: Man trifft sich in Berlin
       
       Kriegsgegner und Putinisten treffen am Sonntag und Montag in Berlin
       aufeinander. Zentrale Anlaufstelle sind die sowjetischen Ehrenmäler der
       Stadt.
       
 (DIR) Debatte um Gedenkstätte: CDU will Panzer stehen lassen
       
       Fraktion unterstützt Antrag der eigenen Abgeordneten Bung nicht.
       Innensenatorin Spranger kündigt Sicherung der sowjetischen Ehrenmale am 8.
       Mai an.
       
 (DIR) Debatte um sowjetisches Ehrenmal: Es wäre doch Geschichtsklitterung
       
       Die CDU-Abgeordnete Stefanie Bung will die Panzer am sowjetischen Ehrenmal
       entfernen. Doch damit würde Historie verzerrt. Ein Wochenkommentar.