# taz.de -- Dokus über Österreichs Ex-Kanzler: Sebastian Kurz im Kino – zweimal
       
       > Gleich zwei Filme über Österreichs Ex-Kanzler kommen ins Kino. Die
       > Landesmedien sind fasziniert, obwohl beide nur Bekanntes zusammenfassen.
       
 (IMG) Bild: Kanzler der Skandale: Sebastian Kurz am Wahlabend 2019
       
       WIEN taz | Er ist wieder da: Nicht einmal zwei Jahre nach seinem „Tritt zur
       Seite“, seinem [1][Totalrückzug aus Politik und Öffentlichkeit] infolge
       mehrerer Skandale, ist Österreichs Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz wieder
       zurück. Auf der öffentlichen Bühne – in Form von Comebackgerüchten, die er
       vehement abstreitet –, demnächst im Gerichtssaal und schon jetzt im Kino.
       
       Gleich zwei Dokumentarfilme rund um Person und System Kurz laufen binnen
       weniger Tage an. Sie bekommen enorme Aufmerksamkeit in den österreichischen
       Medien, die immer noch merkwürdig fasziniert vom 37-jährigen Altkanzler
       sind. Und das, obwohl beide Filme nur sattsam Bekanntes einmal mehr
       zusammenfassen. Investigatives oder Neues bieten beide Titel nicht.
       
       „Projekt Ballhausplatz“ heißt der Film des renommierten österreichischen
       Dokumentarfilmers Kurt Langbein, in Anspielung auf Kurz' gleichnamiges
       Geheimpapier zur Machtübernahme in ÖVP und Republik. Er ist eine kritische
       Abhandlung, in der ausschließlich Kurz-Kritiker zu Wort kommen. Ausführlich
       behandelt werden Machtgier, fremdenfeindlicher Populismus, die
       hochproblematische „Message Control“ und die durch Chatnachrichten
       bekanntgewordene Freunderl-Wirtschaft im engsten Kreis um Kurz. Der Film
       ist an keiner Stelle investigativ und will dies auch gar nicht sein.
       
       Fast spannender ist „Kurz – der Film“, der bis kurz vorm Kinostart
       geheimgehalten wurde. Bekannt wurde der Film, als Anfang September [2][ein
       riesiges Werbeposter] auf einem Wiener Hochhaus auftauchte. Es zeigte
       Sebastian Kurz mit Pokerface in einem angedeuteten Hinterzimmer, darüber in
       großen Lettern „KURZ“. Der gleichnamige Film erschien zwei Wochen vor dem
       Konkurrenzstreifen. Viele vermuten die Absicht, diesen damit „abzustechen“,
       und sei es auch nur aus Gründen der Aufmerksamkeitsökonomie.
       
       ## Zur Premiere von „Kurz“ erscheint Kurz selbst
       
       Die Marketingstrategie ging jedenfalls auf, über Twitter machte der Film
       schnell die Runde. Deutlich reißerischer in der Aufmachung – dramatische
       Musik, schnelle Schnitte – handelt es sich bei „Kurz“ nicht um den reinen
       Jubelstreifen, als der er vorab abqualifiziert wurde. Zwar dominieren
       frühere Werbevideos, Archivaufnahmen und wohlwollende Rückschau des
       innersten Kreises wie auch von Kurz selbst. Auch Kurz' Angriffe auf die
       Justiz und seine Medienpolitik mit Zuckerbrot und Peitsche werden bloß
       gestreift. Es kommen aber auch vehemente Kritiker deutlich zu Wort,
       wenngleich wesentlich spärlicher dosiert.
       
       Regisseur Sascha Köllnreiter verweist auf dramaturgische Gründe, die für
       das Ungleichgewicht zwischen affirmativen und kritischen Stimmen
       verantwortlich seien. Jegliche Nähe zur Kurz oder zur ÖVP stellt er
       glaubhaft in Abrede, ebenso eine Finanzierung durch Kurz, die ÖVP oder
       deren Umfeld. Für die zeichne allein die deutsche „Opus-R“ verantwortlich,
       die zuletzt Filme über die Bands Scooter und die Toten Hosen finanziert
       hat. Die Kosten für „Kurz“ hätten bei „unter 500.000 Euro“ gelegen – und
       damit knapp niedriger als beim von Stadt, Land und [3][ORF geförderten]
       „Projekt Ballhausplatz“.
       
       Skurril: Zur „Kurz“-Filmpremiere vergangene Woche erschien neben vier
       aktiven ÖVP-Ministern auch Kurz selbst. Auch einige seiner früheren engsten
       Mitarbeiter liefen am Roten Teppich in der Wiener Innenstadt auf. Dieses
       „türkise Klassentreffen“ heizte die Gerüchteküche um ein Comeback neuerlich
       an. Zwar betont er bei jeder Gelegenheit, dass er genug von der Politik
       habe. Nicht wenige in seinem Umfeld bezweifeln das aber, Kurz sei ein
       political animal und wolle zurück.
       
       Eine Vorentscheidung wird das Gerichtsverfahren sein, dem sich Kurz Mitte
       Oktober stellen muss. Vorgeworfen wird ihm Falschaussage vor dem
       [4][parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss]. Auch in anderen
       Angelegenheiten wird gegen ihn ermittelt, etwa hinsichtlich dubioser
       Inseratengeschäfte und Meinungsumfragen. Das Besucherinteresse an „Kurz“
       ist bislang überschaubar, von überwiegend leeren Kinosälen am
       Eröffnungswochenende wird berichtet. Wesentlich anders dürfte das auch bei
       „Projekt Ballhausplatz“ nicht sein, der diese Woche anläuft. Zu frisch ist
       noch die Erinnerung an eine Zeit, die selbst in der ÖVP viele lieber
       vergessen würden.
       
       13 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Oesterreichs-Ex-Kanzler-Kurz/!5816029
 (DIR) [2] https://twitter.com/LinaPaulitsch/status/1697589150168293542?s=20
 (DIR) [3] /Russische-Propagandavideos-beim-ORF/!5953272
 (DIR) [4] /Anklage-gegen-Oesterreichs-Ex-Kanzler/!5954544
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Bayer
       
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