# taz.de -- Einigung um Nordirland-Protokoll: Rote Spur und grüne Spur
       
       > Im Streit um das sogenannte Nordirland-Protokoll zum Brexit gibt es eine
       > Einigung. Jetzt sind Nordirlands Unionisten am Zug.
       
 (IMG) Bild: Endlich einig: der britische Premier Rishi Sunak und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
       
       DUBLIN taz | Nordirland kommt künftig wieder in den Genuss britischer
       Würstchen. Das verkündete der britische Premierminister Rishi Sunak am
       Montagabend, nachdem er sich mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von
       der Leyen auf einen Kompromiss im drei Jahre andauernden Streit um das
       Nordirland-Protokoll [1][geeinigt] hatte.
       
       Das [2][Protokoll] regelte, dass Nordirland faktisch Teil des
       EU-Binnenmarkts blieb und sich den EU-Zollregeln unterwerfen musste. Das
       vermied eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland,
       stattdessen aber entstand eine EU-Zollgrenze zwischen Nordirland und
       Großbritannien – also innerhalb des Vereinigten Königreichs.
       
       Dieses Problem habe man durch das neue Abkommen gelöst, sagten Sunak und
       von der Leyen. Große Überraschungen gab es dabei nicht, die Einzelheiten
       waren längst durchgesickert. Es ging zum Schluss vor allem um die
       Formulierungen, damit man den Deal den nordirischen Unionisten und den
       harten Brexit-Verfechtern bei den Tories verkaufen kann.
       
       Das fängt schon beim Namen an: Das Nordirland-Protokoll ist tot,
       stattdessen gibt es den Windsor-Rahmenplan. Der sieht unter anderem vor,
       dass es eine rote und eine grüne Spur für Waren aus Großbritannien nach
       Nordirland geben wird: grün für Waren, die ausschließlich für Nordirland
       bestimmt sind und daher nicht durch den Zoll müssen; rot für Waren, die in
       die Republik Irland, also in die EU, exportiert werden sollen und deshalb
       den Zollbestimmungen unterliegen.
       
       ## Jetzt müssen die Unionisten dem Deal zustimmen
       
       „Das heutige Abkommen sorgt für den reibungslosen Handelsverkehr innerhalb
       des Vereinigten Königreichs“, twitterte Sunak am Montag. „Wir haben jede
       Wahrnehmung einer Grenze in der Irischen See ausgeräumt. Lebensmittel, die
       in den Supermärkten Großbritanniens erhältlich sind, werden auch in
       Nordirland erhältlich sein – einschließlich Würstchen.“ Sunak spielte damit
       auf den sogenannten „Würstchenkrieg“ an, wonach gekühlte Fleischprodukte
       laut Nordirland-Protokoll nicht von Großbritannien nach Nordirland
       geliefert werden durften.
       
       Außerdem kann das nordirische Regionalparlament mit Hilfe Londons ein Veto
       gegen künftige EU-Lebensmittelrichtlinien – sofern sie Nordirland betreffen
       – einlegen, wenn 30 Abgeordnete von mindestens zwei Parteien das wünschen.
       Die EU kann ein Veto gegen das Veto einlegen, woraufhin die Sache von einem
       Vermittlungsausschuss geklärt werden muss.
       
       Die Rolle des Europäischen Gerichtshofs war heftig umstritten, vor allem
       die Unionisten lehnten jede Zuständigkeit in nordirischen Angelegenheiten
       ab. Im Windsor-Rahmenplan ist vorgesehen, dass beide Seiten in einem
       Streitfall durch bilaterale Gespräche eine Lösung suchen. Von der Leyen
       schien dem zu widersprechen. Ihre Aussage, dass der Europäische Gerichtshof
       die höchste Instanz bleibe, wenn es darum gehe, ob Nordirland die Regeln
       des Binnenmarktes einhalte, dürfte den Unionisten kaum gefallen.
       
       Alle Augen sind nun auf die Democratic Unionist Party (DUP) gerichtet. Wie
       wird sich Parteichef [3][Jeffrey Donaldson] entscheiden? Die Belfaster
       Tageszeitung Irish News frohlockte bereits am Montag in einem
       „Exklusiv-Artikel“, dass Donaldson dem Deal zustimmen werde. Der twitterte
       postwendend, dass „die Geschichte komplett erfunden“ sei: „Lasst uns bei
       den Fakten bleiben. Wir nehmen uns die Zeit, um die Details zu studieren.“
       
       ## Das Unterhaus soll „zu gegebener Zeit“ abstimmen
       
       Donaldson und seine Partei sind gebrannte Kinder. Sie unterstützten 2019
       Boris Johnsons Bemühungen, Theresa May zu stürzen und selbst
       Premierminister zu werden. Johnson scherte sich aber nicht um die
       Befindlichkeiten der Unionisten und stimmte der Grenze in der Irischen See
       zu, um den Brexit über die Bühne zu bringen.
       
       Der DUP-Unterhausabgeordnete Sammy Wilson sagte denn auch zu Sunak, er
       begrüße zwar dessen „18 Minuten langes Geständnis“, dass das von seiner
       Regierung unterzeichnete Nordirland-Protokoll großen Schaden angerichtet
       habe. Er fürchte jedoch, dass Nordirlands Stellung im Vereinigten
       Königreich noch nicht ausreichend wiederhergestellt sei.
       
       Sunak hat angekündigt, dass das angedrohte Gesetz, wonach seine Regierung
       Teile des Brexit-Vertrags aufkündigen kann, wenn „schwere wirtschaftliche,
       gesellschaftliche oder umweltpolitische Schwierigkeiten“ drohen,
       eingemottet werde.
       
       Außerdem versprach er, dass die Unterhaus-Abgeordneten „zu gegebener Zeit“
       über den Windsor-Rahmenplan abstimmen dürfen. Das ist eine Formsache. Da
       der Labour-Oppositionsführer Keir Starmer versprochen hat, den Deal
       abzusegnen, können die Unionisten und die Brexit-Hardliner, die Sunak im
       Vorfeld vor zu großen Zugeständnissen an die EU gewarnt hatten, die Sache
       nicht mehr zu Fall bringen.
       
       28 Feb 2023
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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