# taz.de -- Entwicklung des Weltklimas: Lebensfeindliche Hitze
       
       > Die Klimakrise führt dazu, dass viele Regionen zu heiß für Menschen
       > werden. Ein Drittel der Weltbevölkerung könnte 2070 unter großer Hitze
       > leiden.
       
 (IMG) Bild: In Mekka ist es oft schon zu heiß: Pilger werden mit Wasser besprüht
       
       BERLIN taz | Die meisten Menschen haben in den vergangenen 6.000 Jahren in
       Gebieten gelebt, in denen sich die Temperaturen im Jahresschnitt zwischen
       11 und 15 Grad bewegten. Eine kleinere Anzahl lebte auch an Orten, an denen
       durchschnittlich 20 bis 25 Grad herrschten. Das ist Ergebnis einer Studie,
       die kürzlich im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences
       veröffentlicht wurde.
       
       Über die sechs Jahrtausende hat sich diese Verteilung trotz aller
       technologischen Innovationen so gut wie nicht verändert. Studienautor
       Marten Scheffer von der Universität Wageningen in den Niederlanden spricht
       von einer „überwältigenden Konstanz“. Sehr wahrscheinlich handle es sich
       bei den zwei Temperaturspannen um die „klimatische Nische“ des Menschen,
       erklärt der Ökologe. Also um den Bereich, in dem Menschen überhaupt leben
       können.
       
       Trotzdem sind wir auf dem besten Weg, diese Nische zu verlassen. Scheffer
       und seine vier Kollegen haben ein Szenario des Weltklimarats IPCC zur
       Grundlage genommen, nach dem die Emissionen weitgehend so steigen wie
       bisher. Schon in 50 Jahren würden dann auf 19 Prozent der globalen
       Landfläche im Jahresdurchschnitt Temperaturen von mehr als 29 Grad
       herrschen. Fast ein Fünftel der Erde läge also außerhalb unserer Nische.
       Zum Vergleich: Das entspricht dem heutigen Klima in den heißesten Regionen
       der Sahara. Bisher gibt es solche Temperaturen nicht mal auf 1 Prozent der
       Landfläche.
       
       Mit einer ungebremsten Erderhitzung würde sich das Gebiet ausdehnen. Auch
       in vielen Regionen in Afrika, Australien, Lateinamerika, Indien und
       Südostasien wäre es dann so heiß. Das sind Teile der Welt, in denen die
       Bevölkerung besonders stark wachsen wird. Entsprechend viele Menschen
       werden 2070 von starker Hitze betroffen sein – laut der Studie etwa 3,5
       Milliarden, also ein Drittel der prognostizierten Weltbevölkerung.
       
       Zumindest punktuell erleben wir schon heute lebensfeindliche Hitze, nämlich
       vor allem in Kombination mit einer hohen Luftfeuchtigkeit. Dann verdunstet
       Schweiß nicht mehr so gut und die körpereigene Kühlfunktion funktioniert
       nicht. Es drohen Überhitzung und Organversagen. Das zeigt eine Studie, die
       gerade im Fachmagazin Science Advances erschienen ist.
       
       ## Höchste Werte auf der Arabischen Halbinsel
       
       Um diesen Effekt abzubilden, haben drei Klimaforscher sich die sogenannte
       Kühlgrenztemperatur angeguckt. Die liegt etwas unter der normalen
       Umgebungstemperatur, weil sie einberechnet, dass die Luftfeuchtigkeit
       kühlt. In der Theorie gelten 35 Grad dabei als Überlebenslimit für den
       Menschen. Praktisch sind schon 31 Grad für vollkommen gesunde Personen
       problematisch, selbst mit ausreichend Flüssigkeitszufuhr, sofern sie nicht
       auf einen gekühlten Raum ausweichen können. Die meisten Menschen bekommen
       schon deutlich darunter Probleme.
       
       „Bisher haben Studien prognostiziert, dass es solche Ereignisse in einigen
       Jahrzehnten geben würde, aber diese zeigt, dass es schon heute geschieht“,
       sagt Colin Raymond, mittlerweile beim California Institute of Technology,
       der die Studie im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Columbia University
       geleitet hat.
       
       Viele Klimastudien arbeiten mit Durchschnittswerten über längere Zeiträume
       und größere Gebiete. Nicht so Raymond und seine zwei Koautoren: Sie haben
       kleinteilige Daten aus dem Zeitraum von 1979 bis 2017 von fast 8.000
       Wetterstationen ausgewertet. So konnten sie auch vereinzelte und
       kurzzeitige Wetterereignisse ausmachen. Für ihre Fragestellung war das
       wichtig, da eben auch schon wenige Stunden in der feuchten Hitze gefährlich
       sein können.
       
       Ungefähr 1.000-mal stellten die Wissenschaftler im Untersuchungszeitraum
       Kühlgrenztemperaturen von über 31 Grad fest, 80-mal gar Werte über 33 Grad.
       Die allerhöchsten Werte traten auf der Arabischen Halbinsel auf, aber auch
       afrikanische, süd- und südostasiatische, karibische, australische sowie
       US-amerikanische Regionen waren betroffen. Und: Im Laufe der Zeit habe sich
       die Zahl der extremen Wetterereignisse verdoppelt.
       
       Laut Raymond dürfte sich dieser Trend fortsetzen. „Im Zuge der Erderwärmung
       werden diese Wetterereignisse länger andauern und in größeren Gebieten
       auftreten“, sagt er. Möglicherweise unterschätzt sogar die aktuelle Studie
       das Auftreten der feuchten Hitze noch. Die Klimawissenschaftlerin Kristina
       Dahl von der US-Organisation Union of Concerned Scientists kommentiert die
       Ergebnisse mit dem Hinweis, dass auch die lokalen Wetterstationen nicht
       zwangsläufig in den am dichtesten bebauten Nachbarschaften von Großstädten
       messen würden, wo es besonders heiß sei.
       
       19 May 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Schwarz
       
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